
Kaltes Plasma gegen Krankenhauskeime
Forscherteam prüft neues Verfahren, um multiresistente Bakterien auf Oberflächen abzutöten.
Bakterien, die gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sind, gefährden die Gesundheit von Menschen und Tieren.
Besonders in Krankenhäusern sind sie für geschwächte Patienten ein großes Problem. Forscherinnen und Forscher der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), der terraplasma GmbH und des Robert Koch-Instituts prüften daher eine neue Methode, um multiresistente Bakterien auf Edelstahloberflächen abzutöten.
Sie setzten dafür kaltes atmosphärisches Plasma ein – ein Gas mit antimikrobieller Wirkung, das geladene Teilchen enthält. Bereits nach fünf Minuten konnten sie so die Bakterienzahlen um bis zu 85 Prozent reduzieren.
Die Ergebnisse ihrer Studie erschienen im Fachmagazin International Journal of Antimicrobial Agents.
Tot, lebendig und geschädigt
Für die aktuelle Studie kontaminierten die TiHo-Forscherinnen Edelstahlplättchen mit verschiedenen Bakterienspezies.
In Krankenhäusern und lebensmittelverarbeitenden Betrieben bestehen viele Oberflächen und Arbeitsgeräte aus Edelstahl. Die kontaminierten Platten behandelten sie bis zu zwanzig Minuten lang mit kaltem Plasma.
„Wir untersuchten zunächst verschiedene multiresistente Erreger, die häufig in Krankenhäusern vorkommen“, so Dr. Birte Ahlfeld, Leiterin der Arbeitsgruppe Lebensmittelmikrobiologie des Instituts für Lebensmittelqualität und -sicherheit der TiHo.
Dazu gehören unter anderem Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) oder Extended-Spektrum beta-Laktamasen bildende Escherichia coli (ESBL).
„In einer weiteren Versuchsreihe setzten wir Yersinia enterocolitica ein. Dieses Bakterium kann in rohem Schweinefleisch vorkommen und Magen-Darm-Beschwerden beim Menschen auslösen.“
Das Ergebnis: Bereits nach fünf Minuten tötete das antimikrobielle Gas bis zu 85 Prozent der Bakterien. Nach 20 Minuten lebten teilweise nur noch 2,8 Prozent.
Dabei beobachteten die Forscherinnen und Forscher, dass Bakterienarten mit einer dicken Zellwand und kleiner Zelloberfläche eher überlebten. „Diese Merkmale scheinen den Effekt des kalten Plasmas abschwächen zu können“, erklärt Ahlfeld.
Erschwerte Bedingungen
Unter realen Bedingungen kommen Bakterien meist in eiweißhaltigen Sekret-, Blut- oder Fleischresten auf Oberflächen vor. Daher versetzten die Wissenschaftlerinnen die Bakterienkulturen in einer weiteren Versuchsreihe mit Eiweißen, bevor sie sie mit kaltem Plasma behandelten.
„Wir konnten zeigen, dass das kalte Plasma dadurch bei einigen Bakterienarten weniger wirksam war. Vermutlich legen sich die Eiweiße um die Bakterienzellen und schützen sie so vor den geladenen Teilchen“, erklärt Dr. Karolina Lis aus dem Institut für Lebensmittelqualität und -sicherheit.
Ahlfeld ergänzt: „Es ist daher sehr wichtig, die Oberflächen regelmäßig zu reinigen, damit das kalte Plasma gut wirken kann.“
Wie entsteht kaltes Plasma?
Plasma entsteht, wenn einem Gas ausreichend Energie zugeführt wird – beispielsweise über ein elektrisches Feld. Dabei bilden sich geladene Teilchen, die mit den Zellmembranen und dem Erbgut von Bakterien reagieren und sie so zerstören können.
Die terraplasma GmbH, eine Ausgründung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching, ist auf kaltes Plasma spezialisiert, das sich bereits unter Atmosphärendruck bildet und Zimmertemperatur hat.
Da Raumluft als Arbeitsgas dient, ist das Verfahren relativ kostengünstig. Zudem ist es umweltfreundlich, da die Plasmaproduktion keinen Abfall erzeugt.
Bevor das Verfahren in einem größeren Maßstab eingesetzt werden kann, sind weitere Untersuchungen nötig: „Wir möchten ein Behandlungsprotokoll entwickeln, das die Bakterienzahlen unter die Nachweisgrenze senkt und prüfen, ob sich das Verfahren auch für andere Oberflächen, beispielsweise aus Kunststoff, eignet“, sagt Lis.
Die Wissenschaftlerinnen vermuten, dass kaltes Plasma prinzipiell bei vielen empfindlichen Materialien anwendbar ist, bei denen weder hohe Temperaturen noch scharfe Desinfektionsmittel eingesetzt werden können.
„Vielleicht sogar an vielen weiteren Stellen, an denen ein hoher Keimdruck herrscht, wie auf den Griffen öffentlicher Verkehrsmittel oder den Handläufen von Treppen.“
Publikation
Karolina A. Lis, Corinna Kehrenberg, Annika Boulaaba, Maren von Köckritz-Blickwede, Sylvia Binder, Yangfang Li, Julia L. Zimmermann, Yvonne Pfeifer, Birte Ahlfeld (2018)
International Journal of Antimicrobial Agents, DOI: 10.1016/j.ijantimicag.2018.08.023
Weitere Meldungen
Neuigkeiten aus der Wissenschaft
Die Alligatoren von Hernals – das jüngste Krokodil-Fossil Mitteleuropas
Die Sammlungen des Naturhistorischen Museums sind großartige Archive der Natur. Allein die Geologisch-Paläontologische Abteilung bewahrt mehr als 5,6 Millionen Objekte
Melkroboter bereits in 2.000 Betrieben in Österreich im Einsatz
Der Trend zur Automatisierung in der Milchwirtschaft setzt sich ungebremst fort. Immer mehr Betriebe in Österreich setzen auf Automatische Melksysteme (AMS), um Effizienz und Tierkomfort zu steigern
13 Frauen. Aus der Geschichte des NHM Wien
Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar, die das Naturhistorische Museums Wien mitgestaltet haben - herausgegeben von Stefanie Jovanovic-Kruspel, Brigitta Schmid und Andrea Krapf
Luchsdame Elli übersiedelte aus dem Alpenzoo Innsbruck in den Wildnispark Zürich
Die Luchsdame Elli hat Innsbruck am 4. März 2025 im Zuge des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) verlassen und ist nach Zürich gezogen
HUNDERUNDEN #34: Tiermedizin print & online
Die 34. Ausgabe der HUNDERUNDEN, dem Fachmagazin für Tierärzt:innen, ist am Aschermittwoch 2025 erschienen.
Inventur im Tiergarten Schönbrunn: 6.043 Tiere aus 518 Arten und Haustierrassen
Von den wendigen Mähnenrobben bis zu den gemächlichen Afrikanischen Schnabelbrustschildkröten - im Tiergarten Schönbrunn wurde wieder gezählt.
Backstagetour bei Cavalluna Grand Moments: Einblicke in Tierwohl und Tierschutz
Die europaweit tourende Pferdeshow Cavalluna fasziniert mit beeindruckenden Darbietungen, präziser Freiheitsdressur und kunstvollen Reitvorführungen. Doch was geschieht hinter den Kulissen?
Gezieltes Tiertraining für mehr Abwechslung und bessere Betreuung der Tiere
Im Alpenzoo Innsbruck steht ab 2025 regelmäßiges Tiertraining auf dem Programm
Fisch-Umzug XXL: Tiergarten Schönbrunn übersiedelt hunderte Fische, Garnelen und Co.
Seit Dezember übersiedeln im Tiergarten Schönbrunn Fische, Garnelen, Pflanzen und Co. aus dem Backstage-Bereich des bestehenden alten Aquarienhauses in die neu errichtete Aqua-Forschungsstation unweit des Zoos
Teile diesen Bericht auf:
Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Queer: Sex und Geschlecht in der…
(13. Mär 2025) Josh L. Davis ist ist Mitarbeiter des Natural…13 Frauen. Aus der Geschichte des…
(07. Mär 2025) Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar…Wildtierfindlinge in der Tierarztpraxis
(28. Feb 2025) Grundlagen der Wildtierhilfe, praktische Anwendung, tierärztliche Versorgung -…Der Erfindergeist der Tiere
(17. Feb 2025) Werkzeuge, Ideen und Innovationen. Faszinierende Einblicke in tierische…Meine Patienten laufen Trab
(11. Feb 2025) Unterwegs als Pferdeärztin auf dem Land - von…Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser
(07. Feb 2025) Konfliktfeld oder Chance für den Artenschutz? - herausgegeben…Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

EVECC-Kongress 2025
(01. Mär 2025) Der 22. European Veterinary Emergency and Critical Care…FECAVA EuroCongress 2025 in Antwerpen
(17. Feb 2025) FECAVA lädt Sie vom 3. bis 6. September…Yaboumba Weltkongress 2025
(17. Feb 2025) Der XV. Internationale Kongress für Medizin und Chirurgie…Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…7. Kroatischer Veterinärkongress 2024
(22. Jul 2024) Der diesjährige Kroatische Veterinärkongress wird vom 24. bis…Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien
