Schwannzell-Therapie: Hoffnung für Hunde mit vollständiger Lähmung der Hintergliedmaßen
In der Klinik für Kleintiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) untersuchen Wissenschaftler eine neue Therapiemethode für Hunde, deren Hintergliedmaßen durch Schäden im Rückenmark vollständig gelähmt sind.
Bandscheibenvorfälle kommen auch bei Hunden vor. Sie verursachen Schmerzen und mehr oder weniger starke neurologische Ausfälle. Das können Bewegungsstörungen, Lähmungen oder Urinabsatzbeschwerden sein - je nachdem wie stark das Rückenmark geschädigt ist.
Im schlimmsten Fall sind betroffene Hunde vollständig gelähmt und können häufig nicht selbstständig Harn absetzen. Professorin Dr. Andrea Tipold, PD Dr. Veronika Stein und Tierärztin Nicole Steffensen aus der Klinik für Kleintiere der TiHo arbeiten an einer neuen Behandlungsmethode, die Hunden mit einer vollständigen Lähmung der Hintergliedmaßen neue Hoffnung geben könnte.

Die Wissenschaftlerinnen untersuchen, ob die Transplantation von Schwann-Zellen in das Rückenmark der betroffenen Hunde zu einer Besserung führt, wenn die Standardtherapie nicht hilft - wie es bei Chanel der Fall ist.
Die Standardtherapie besteht aus einer Operation, bei der das vorgefallene Bandscheibenmaterial entfernt wird, damit es nicht mehr auf das Rückenmark drückt.

Ist das Rückenmark nicht zu stark geschädigt, können Patient und Besitzer auf Genesung hoffen. Patienten, bei denen der Eingriff nicht zum gewünschten Erfolg führt, transplantieren die TiHo-Wissenschaftlerinnen sogenannte Schwann-Zellen in das geschädigte Rückenmark.

Schwann-Zellen umhüllen die Nerven im peripheren Nervensystem und haben die Aufgabe, die Axone (Fortsatz einer Nervenzelle) zu ernähren und zu isolieren.
Werden sie in das Rückenmark transplantiert, unterstützen sie die Regeneration der Nervenzellen vermutlich durch bestimmte Stoffe, die sie produzieren. Außerdem, so vermuten die Wissenschaftlerinnen, bilden sie eine Art Schiene, an der die Nervenfasern entlangwachsen können.

Die Zellen, die dem Hund transplantiert werden, entnehmen die Forscherinnen seinem eigenen Nervengewebe, kultivieren sie und reinigen sie auf. In Vorstudien konnte bereits gezeigt werden, dass diese Zellen eine vielversprechende Wirkung auf die Regeneration des Rückenmarks haben.
Um den Erfolg der Transplantation zu beurteilen, müssen die Forscherinnen die Studienteilnehmer über sieben Monate regelmäßig untersuchen. Mittels Kernspintomographie mit „Fiber Tracking“ und magnetischer Stimulation überprüfen die Tierärztinnen die Intaktheit der Nervenbahnen im Rückenmark und den Grad der Regeneration.

Zusätzlich untersuchen sie in der Rückenmarksflüssigkeit spezielle Marker, die Hinweise auf den Schweregrad der Rückenmarksschädigung liefern. Unterstützt wird die Behandlung mit physiotherapeutischen Übungen - entweder durch den Besitzer zu Hause oder in der Klinik, unter anderem im Unterwasserlaufband.

Um einen Plazebo-Effekt in der Studie auszuschließen, ist die Studie verblindet. Der Hälfte der teilnehmenden Hunde werden Schwann-Zellen transplantiert, während die anderen Hunde das Kulturmedium ohne Zellen erhalten (Sham-Transplantation).

Weder den Patientenbesitzern noch den behandelnden Tierärzten ist bekannt, welche Tiere die Schwann-Zellen erhalten und welche mit dem Kulturmedium behandelt wurden. Die Auswahl der Tiere erfolgt über ein Computerprogramm, so dass eine Manipulation oder Beeinflussung der Gruppenzuteilung nicht möglich ist.

Nach dem Ende dieser Blindstudie werten die Wissenschaftlerinnen die Ergebnisse beider Hundegruppen aus und vergleichen, ob die Transplantation der Schwann-Zellen im Vergleich zur Sham-Transplantation zu einer besseren Heilung geführt hat.
In einem zweiteiligen Film stellt die TiHo die Studie am Beispiel von Dackeldame Chanel auf www.wissen.hannover.de vor.
Studienteilnehmer gesucht
Für ihre Studie suchen die Wissenschaftlerinnen noch Patienten, die als Studienteilnehmer in Frage kommen. Geeignete Patienten sind Hunde, bei denen beide Hintergliedmaßen durch eine Rückenmarksschädigung oder einen Bandscheibenvorfall im Brust- oder Lendenwirbelsäulenbereich vollständig gelähmt sind.
Die Studie ist Teil der Arbeiten der Forschergruppe 1103 „Neurodegeneration und -regeneration bei ZNS-Erkrankungen des Hundes“, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in einer zweiten Förderperiode mit 2,6 Millionen Euro fördert.
Hunde sind in der Tierarztpraxis die größte Patientengruppe. Gleichzeitig sind sie die Spezies, die in der Klinik am häufigsten mit neurologischen Problemen vorgestellt wird. Ziel der Forschergruppe ist es, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Pathogenese degenerativer und regenerativer Prozesse des kaninen zentralen Nervensystems (ZNS) zu gewinnen und daraus neue Therapieansätze abzuleiten.
Kontakt:
Professorin Dr. Andrea Tipold
PD Dr. Veronika Stein
TÄ Nicole Steffensen
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Klinik für Kleintiere
Tel.: +49 511 953-6200
[email protected]
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