Wie beeinflusst Unterwasserlärm Schweinswale?
Wissenschaftler untersuchen die Auswirkungen der Lärmverschmutzung auf Schweinswale in Nord- und Ostsee.
Wissenschaftler aus dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) untersuchen in enger Kooperation mit Wissenschaftlern der Universität Aarhus in Dänemark und der DW-ShipConsult GmbH in Schwentinental die Folgen der Lärmverschmutzung auf Schweinswale in der Nord- und Ostsee.
„Die Lärmbelastung in unseren Gewässern nimmt zu. Für ein effektives Management zum Schutz der Wale benötigen wir dringend Kenntnisse über die Auswirkungen dieser Belastungen“, sagt ITAW-Institutsleiterin Professorin Dr. Ursula Siebert.
Als Teil des mehrjährigen Forschungsprogrammes „Auswirkungen von Unterwasserschall auf marine Wirbeltiere“ finanziert das Bundesamt für Naturschutz umfangreiche Untersuchungen, um mehr über die Auswirkungen von Unterwasserlärm auf Meeressäugetiere zu erfahren.
In der Nordsee tragen neben Schiffsverkehr oder militärischen Übungen auch die Bauarbeiten in den Offshore-Windparks zum Hintergrundschall bei: Vor allem bei der Installation der Fundamente für die Windkraftanlagen entstehen sehr hohe Schallpegel, die noch in sehr großer Entfernung hörbar sind.
Bei Messungen im Sylter Außenriff waren im Herbst 2013 an mindestens sechs von zehn Positionen Schallereignisse aus zwei und mehr Windparks nachweisbar.
Um die Auswirkung des Unterwasserlärms auf die Schweinswale zu beurteilen, erheben die deutschen und dänischen Wissenschaftler – weltweit erstmalig – im Freiland Daten zur Hörfähigkeit und Hörempfindlichkeit der Meeressäuger.
Dänische Fischer benachrichtigen die Forscher, wenn sie in ihren „Bundgarnnetzen“ versehentlich Schweinswale gefangen haben. Die Wissenschaftler untersuchen dann unter tiermedizinischer Aufsicht die Hörfähigkeit dieser Tiere.
Danach werden sie frei gelassen. Dabei wenden die Wissenschaftler mit der Messung der „Auditorischen Evozierten Potentiale (AEP)“ eine Methode an, die in der Gehörforschung unter anderem bei Kindern eingesetzt wird.
„Wir simulieren einen Impuls, der vergleichbar ist mit dem Lärm, der entsteht, wenn die Fundamente der Windkraftanlagen in den Meeresboden gerammt werden.
Dadurch können wir bei den Schweinswalen eine sogenannte zeitlich begrenzte Hörschwellenverschiebung (TTS) ermitteln“, erklärt der verantwortliche Wissenschaftler Dr. Andreas Ruser.

Die Ergebnisse dieser Messungen zeigen, wann durch den Lärm bei den Meeressäugetieren eine vorrübergehende Schädigung des Gehörs eintritt. „Diese Schäden sind mit den Folgen eines Diskobesuches beim Menschen vergleichbar.
Das Gehör kann sich davon noch vollständig erholen“, erklärt Ruser. Dennoch zeige der TTS-Wert die ersten physikalischen Schäden nach einem großen Lärmereignis.
Um mehr über die Hörfähigkeit von Schweinswalen zu lernen, führen die Forscher auch Messungen bei Tieren in Menschenhand durch.
Dafür arbeiten sie mit Tieren des Fjord und Bælt-Centre im dänischen Kerteminde und mit gestrandeten Schweinswalen, die von SOS Dolfijn in den Niederlanden rehabilitiert werden. Sie überprüfen mit der AEP-Methode, ob die Tiere gut hören, was für ein Überleben in der freien Wildbahn lebensnotwendig ist.
„Leider wissen wir noch gar nicht genau, wie stark unsere Meere verlärmt sind“, sagt Professorin Siebert. Daher ermitteln die Mitarbeiter von DW-ShipConsult unter der Leitung von Dr. Dietrich Wittekind mit akustischen Langzeit-Messgeräten den akustischen Zustand der Natura2000-Schutzgebiete in Nord- und Ostsee, was ebenfalls vom Bundesamt für Naturschutz finanziert wird.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Hintergrundgeräusche in der Ostsee nicht nur durch Umweltgeräusche wie beispielsweise Wellenschlag oder die Brandung hervorgerufen werden, sondern vor allem von der Dichte des Schiffsverkehrs abhängen. So variieren die Schallpegel im Fehmarnbelt, einer sehr stark befahrenen Wasserstraße, nur sehr wenig. In weiten Bereichen ist es sehr laut.
Vergleichbar mit einer Autobahn sind meistens mehrere Schiffe in Hörweite, deren Geräusche permanent für die Schweinswale hörbar sind. In den abgelegenen Schutzgebieten hingegen, wie in der Pommerschen Bucht östlich von Rügen, schwanken die Schallpegel deutlich stärker.
Dort ist es häufig leiser als im Fehmarnbelt. Hier sind über lange Zeiträume ausschließlich natürliche Geräusche zu hören, an die sich das Gehör der Schweinswale angepasst hat. Während der zehnwöchigen Messkampagne gab es dort nur wenige laute, durch Menschen hervorgerufene Ereignisse.
Für eine fundierte wissenschaftliche Aussage ist es zudem sehr wichtig, das Gehör der gestrandeten und versehentlich in Fischernetzen gefangenen Schweinswale, die tot an der Nord- und Ostsee gefunden werden, genau zu untersuchen. „Nur so können wir verstehen, wie sich die Hörfähigkeit der Schweinswale durch die verschiedenen Einflüsse ändert“, sagt Professorin Dr. Ursula Siebert.
Gemeinsam mit Dr. Peter Wohlsein des Institutes für Pathologie der TiHo hat sie zahlreiche Ohren untersucht. „Wir haben viel mehr Veränderungen gefunden, als wir erwartet hatten. Dazu zählen Infektionen, Parasitenbefall, Blutungen und traumatisch bedingte Veränderungen. Wir müssen diese Untersuchungen dringend fortsetzen“, so Professorin Siebert.
Um zu verstehen, welche Verhaltensveränderungen Unterwasserlärm bei Schweinswalen hervorruft, nutzen die Wissenschaftler der Universität Aarhus einen speziell entwickelten akustischen Sender. Dieser sogenannte D-tag wurde von Dr. Mark Johnson von der Universität St. Andrews in Schottland entwickelt.
„Schon durch die ersten Besenderungen konnten wir sehen, dass die Schweinswale eine deutliche Reaktion auf einigen Bootslärm zeigen und ihr normales Verhalten ändern“, erklärt Dr. Jonas Teilmann, der verantwortliche Wissenschaftler der Universität Aarhus.
Als nächsten Schritt werden die Wissenschaftler quantifizieren, wie stark Schweinswale ihr Fressverhalten ändern. Dies ermöglicht es, zu berechnen, wieviel mehr Energie die Meeressäuger durch diese Störungen verbrauchen.
Da Unterwasserlärm bei den Schweinswalen auch Stress verursacht und so ihren Gesundheitszustand verschlechtern kann, untersuchen die Wissenschaftler zusätzlich Parameter des Hormon- und Immunsystems wie beispielsweise Stresshormone.
Frühere Erhebungen haben gezeigt, dass Schweinswale aus der Nord- und Ostsee deutlich häufiger krank sind als ihre Artgenossen aus den zum Beispiel weniger belasteten arktischen Gewässern.
„Wir sind davon überzeugt, dass die hochmodernen Methoden, die im Rahmen dieser Projekte angewandt werden, Forschern und Wissenschaftlern weltweit helfen werden, zu verstehen wie diese faszinierenden Tiere ihren Lebensraum „interpretieren“.
Wir müssen verstehen, dass die Echoortung das Hauptsinnesorgan für Schweinswale ist, und für eine Orientierung in einem oft komplett dunklen dreidimensionalen Lebensraum zur Bewegung unverzichtbar ist. Dieser Lebensraum ist schnellen Veränderungen durch menschliche Aktivitäten unterworfen, der starke Auswirkungen auf das marine Leben hat“, sagt Professorin Dr. Ursula Siebert, die Leiterin der Projekte.
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