
Federpicken vermeidbar durch Futter, Beschäftigung, Licht
Praxistipps von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim zur Haltung von Legehennen mit ungekürzten Schnäbeln
Bis auf die Knochen: Federpicken ist ein weit verbreitetes Problem bei Legehennen und kann unabhängig von der Herdengröße und Haltungsform auftreten.
Bis Ende 2016 konnte das blutige und oft auch tödliche Picken durch das Kupieren von Schnäbeln reduziert werden, jetzt hat sich die Geflügelwirtschaft im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung mit dem BMEL selbst dazu verpflichtet, auf diese Maßnahme zu verzichten.
Schon seit langer Zeit forschen Wissenschaftler der Universität Hohenheim zu diesem Themenkomplex. In einem vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) Baden-Württemberg initiierten Projekt wurde neben den erblichen Gründen für das Federpicken auch an Methoden zur verbesserten Junghennenaufzucht, zur Futtergestaltung, sowie zur Beschäftigung und Belichtung gesucht, um die Legehennen dauerhaft davon abzuhalten.
Vorgestellt wurden die Ergebnisse am 27. Februar 2018 auf dem Abschluss-Workshop des Projektes ‚Haltung von Legehennen mit unbehandeltem Schnabel‘ der Landsiedlung Baden-Württemberg GmbH, einem Tochterunternehmen des Landes Baden-Württemberg, das vom MLR mit dem Management des Beratungsprojektes beauftragt ist.
40 Millionen Legeküken schlüpfen durchschnittlich jedes Jahr. Etwa 10 Prozent von ihnen picken andere Hennen, oftmals bis auf die Knochen oder sogar in den Tod. Auf den ersten Blick eine kleine Zahl, betrifft es aber immer noch 4 Millionen Tiere – jedes Jahr.
Bis 2016 regulierten Betriebe das blutige Picken der Tiere, indem sie die Schnäbel kupierten. Dabei wurden die Schnäbel bereits einen Tag nach dem Schlüpfen mit einem Infrarotverfahren behandelt und so ein Drittel des Schnabelgewebes abgetötet.
„Es war schon immer strittig, ob dieses Verfahren den Tieren Schmerzen verursacht und damit Tierquälerei ist“, sagt Prof. Dr. Michael Grashorn, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Nutztierwissenschaften der Universität Hohenheim und Beiratsmitglied der Projektgruppe zur Haltung von Legehennen mit ungekürzten Schnäbeln des Ministeriums für ländlichen Raum. „Untersuchungen haben zwar ergeben, dass die Tiere keine akuten Schmerzen empfinden.
Auf Betreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) hat sich der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. (ZDG) als Interessenvertretung aller Geflügelhalter aber nun Ende 2016 zum Ausstieg aus dieser zootechnischen Maßnahme entschlossen.“
Wissenschaftler der Universität Hohenheim forschen deshalb an Verfahren gegen das Federpicken – von der Züchtung bestimmter Nicht-Picker-Linien bis zu Verbesserungen in der Haltung.
In einem Workshop für Legehennen-Betriebe erklärten die Forscher, die Berater des Projektes und die Praktiker, wie es zu dem Picken kommt zeigten Methoden auf, wie die Tiere auch mit ungekürzten Schnäbeln davon abgehalten werden können.
Abschlussbericht
Der Projektleiter René Roux gab bei der Abschlussveranstaltung einen Überblick über die erfolgten Aktivitäten und die wichtigsten Erkenntnisse. Die von ihm aufgezeigten Handlungsfelder wurden in Spezialreferaten von drei Experten ausführlich beleuchtet.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion bestand auf der Basis der Vorträge für die Besucher die Möglichkeit für Nachfragen und zum fachlichen Austausch.
Mehr Futter und mehr Beschäftigung
Bei der Abschlussveranstaltung wurde das Thema Fütterung vom Experten Robert Pottgüter von der Firma Lohmann Tierzucht vorgestellt.
Die erfolgreichste Methode, so ein Resumee von Prof. Dr. Grashorn, sei eine bessere Futtergestaltung und allgemein eine vielseitige Beschäftigung der Tiere. „Hühner sind von Natur aus Futtersucher und damit instinktiv den ganzen Tag mit der Suche nach etwas Essbarem - und damit mit Picken - beschäftigt.“
In Legehennenbetrieben jedoch gibt es feste Fütterungszeiten. „Das ist für die Tiere nicht natürlich. Ihr ganzer Organismus ist auf die dauerhafte Futtersuche eingestellt. Ist das nicht gegeben, picken einige von ihnen los. Bereits hier können die Betriebe ansetzen, indem sie die Tiere ausreichend beschäftigen.“
Diese Beschäftigung ist wichtig – und muss nicht teuer sein, erklärt der Experte. „Beispielsweise mit Picksteinen oder Weizen in der Einstreu lassen sich Hühner leicht und lange beschäftigen. Das lenkt sie davon ab, auf Artgenossen loszugehen und regelrechte Löcher in sie hineinzupicken.“
Aufzuchtbedingungen
In der erwerbsmäßigen Geflügelhaltung übernehmen spezialisierte Betriebe arbeitsteilig spezielle Aufgaben. Von großen, international tätigen Zuchtunternehmen gelangen die Küken zu Aufzuchtbetrieben.
Da hier schon die Weichen für das spätere Verhalten der Legehennen gestellt werden, also bevor diese in den Legehennenbetrieb kommen, hat das Projekt auch dieser Thematik einen eigenen Vortrag gewidmet, gehalten von Herrn Dr. Habe von der niederländischen Firma Verbeek Brüterei und Aufzucht..
Weniger Licht, weniger Picken
Eine weitere Möglichkeit, das Federpicken zu reduzieren, so Prof. Dr. Grashorn, sei die Lichtsteuerung. „Laut Tierschutzverordnung hat in den Betrieben eine Belichtungsstärke von 20 Lux zu herrschen.
Das entspricht in etwa der Belichtungsstärke einer Fahrradleuchte und ist damit, zumindest für das menschliche Auge, eigentlich ziemlich dunkel.“
Für ein Hühnerauge sei aber auch das noch zu grell. „Hühner bevorzugen eine Beleuchtungsstärke von 5 Lux, das heißt ein Freilandhuhn empfindet bereits das Sonnenlicht als viel zu grell und unangenehm.
Viele vergessen oder wissen nicht, dass Hühner ursprünglich einmal Dschungelbewohner waren und im Dickicht der Bäume nach Körnern gesucht haben. Hühner mögen es dunkler.“
Vor allem im Bereich der Lichtregulierung hätten die Betriebe so eine Möglichkeit, auch dann zu reagieren, wenn alle anderen Maßnahmen scheitern und das Picken weitergeht. „Es geht darum, ein angenehmes Umfeld für die Tiere zu schaffen.“
Bei der Abschlussveranstaltung wurde dieses Thema vom Experten Daniel Kämmerling von der Hochschule Osnabrück beleuchtet.
Auf der Suche nach den Picker-Genen
Auf Dauer suchen die Forscher nach Möglichkeiten, das Picken komplett auszulöschen – beispielsweise durch genetische Veränderungen. „Wir wissen, dass zwar 85 Prozent des Picker-Verhaltens über die Umwelt beeinflusst wird, 15 Prozent aber auch einen genetischen Ursprung hat.“
Leider gebe es nicht ein einzelnes bestimmtes Gen, das das Federpicken auslöst, erklärt Prof. Dr. Grashorn weiter. „Es ist ein Zusammenspiel von mehreren Genen. Diesen genetischen Schalter, der das Picken auslöst, gilt es zu beseitigen. Daran forschen wir.“
Neben gezielter Züchtung, genetischen Veränderungen und den nichtinvasiven Methoden, die von den Betrieben selbst und sofort umgesetzt werden können, untersuchen weitere Wissenschaftler der Universität Hohenheim in einem vom DFG geförderten Projekt aktuell auch, was beispielsweise im Gehirn oder dem Darm eines Federpickers passiert.
„Falls es auch hier Unterschiede zu Nicht-Pickern gibt, können wir so Methoden entwickeln, das Picken weiter einzudämmen.“
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