VET-MAGAZIN logo
Die Pazifische Auster könnte die Ostsee besiedeln
Youk Greeve
Die Pazifische Auster könnte die Ostsee…
Das Gehirn der Honigbiene erkunden
Jerome Beetz/Universität Würzburg
Das Gehirn der Honigbiene erkunden
Studie widerspricht umstrittener These zur Lebensraumfragmentierung
Wolkenkratzer via Wikimedia Commons
Strategische Partnerwahl bei Guinea-Pavianen
Tessa Frank/Deutsches Primatenzentrum GmbH
Strategische Partnerwahl bei Guinea-Pavianen
Wie Zebrafische Herzmuskelzellen regenerieren
Elvira Eberhardt/Uni Ulm
Lebensräume für Fischnachwuchs am Niederrhein
Michel Roggo
Komplexe Evolution: Fortgeschrittene kognitive Fähigkeiten bei Vögeln
Kolossos via Wikimedia Commons
Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Tiere viel tiefgreifender als angenommen
Stefan Meyer
Allgemein

Tierökologe der Universität Hohenheim beschreibt Lernen als neue Triebfeder der Evolution

Wissenschaftler der Universität Hohenheim veröffentlichen neue Erkenntnisse zur Entstehung der Arten im Journal „Proceedings of the Royal Society B“

. . .

Prof. Dr. Johannes Steidle, Tierökologe der Universität Hohenheim, hat der Artenentstehung einen neuen Faktor hinzugefügt: das kindliche Lernen. Dabei stützt er sich auf seine Forschung an Lagererzwespen.

Kooperationspartner des Projektes sind das Staatliche Museum für Naturkunde und das Naturhistorische Museum der Bürgergemeinde Bern. Ihr wissenschaftlicher Fachartikel wird heute im Journal „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht.

Durchlöcherte Paniermehlpackungen und Hundekuchen liegen auf dem Tisch. Im Wärmeschrank daneben stapeln sich Einmachgläser mit löchrigen Weizenkörnern. Und auf dem Bildschirm des Computers ist die Makroaufnahme einer Lagererzwespe zu sehen. Ihr Stachel bohrt sich durch die Kornhülle direkt in die Larve eines Kornkäfers, paralysiert sie.

Erst, als sich die Larve nicht mehr rührt, gleitet ein Ei der Wespe den Stachel hinab. Daraus wird eine Wespenlarve schlüpfen, die die Käferlarve in den nächsten Tagen komplett verzehrt.

Vom Schädlingsbekämpfer zum Evolutionserklärer

Eigentlich forscht Prof. Dr. Johannes Steidle, Leiter des Fachgebiets für Tierökologie der Universität Hohenheim, an neuen Methoden zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Die kleinen, kaum 2 mm großen Lagererzwespen sollen ganze Speicher voll Korn retten, die von Kornkäfern befallen wurden.

Die Forschung an der biologischen Schädlingsbekämpfungsfront geht zwar weiter, doch der Tierökologe hat durch seine Wespen, den Hundekuchen und die Wärmeschränke voller Wespenlarven ein weiteres Geheimnis der Evolution entschlüsselt.

Isolation schafft neue Arten

Nach der gültigen Lehrmeinung entstehen neue Arten, wenn Pflanzen oder Tiere einer Art getrennt werden. Ein Mechanismus ist die sogenannte geografische Isolation, bei der sich Populationen einer ursprünglich gleichen Art z.B. auf zwei verschiedenen Inseln mit unterschiedlichen Bedingungen ansiedeln und künftig keinen genetischen Austausch mehr haben.

Ein anderer Mechanismus ist die ökologische Isolation, die viel kleinräumiger sein kann. So können sich auf einer einzigen Wiese zwei getrennte Arten entwickeln, wenn sie getrennte ökologische Nischen besetzen – z.B. Insekten, die verschiedene Futterpflanzen besiedeln.

Kindliches Lernen spaltet Lagererzwespen in zwei Arten

Genau solch einen Effekt von zwei verschiedenen, voneinander getrennten ökologischen Lebensräumen konnte Prof. Dr. Steidle bei der Lagererzwespe feststellen: „Wir haben nicht nur beobachtet, dass es bei der Lagererzwespe eine Gruppe gibt, die sich auf Kornkäfer spezialisiert hat, während die andere den Brotkäfer als Wirt bevorzugt. Eine Genanalyse hat auch gezeigt, dass es sich tatsächlich um zwei verschiedene Arten mit verschiedenen Chromosomen handelt.“

Ursprünglich muss es sich einmal um eine Art gehandelt haben. „Wir fanden heraus, dass die Ursache für die Aufspaltung in zwei Arten vermutlich in einem Effekt liegt, den man als kindliches Lernen bezeichnen kann“, so Prof. Dr. Steidle.

Spezialisierung auf einen bestimmten Wirt trennt Wespen

Der Wissenschaftler der Universität Hohenheim fand heraus, dass Lagererzwespen eine bestimmte Käferart für ihre Ernährung bevorzugen – und dass sie diese Nahrungsvorliebe an ihre Nachkommenschaft weitergeben.

„Die erwachsene Wespe legt ihre Eier auf eine bestimmte Käferlarve. Sobald die Wespenlarve schlüpft, ernährt sie sich bis zur Verpuppung von diesem Wirt und wird so von Anfang an auf dessen Geruch geprägt. Als erwachsene Wespe bevorzugen sie die gleiche Käferart, um Blut zu saugen. Und auch ihre Eier legen sie später wieder bei dem Käfer ab, der ihnen schon als Larve geschmeckt hat.“

Ein ähnliches kindliches Lernen gäbe es auch beim Menschen, erklärt Prof. Dr. Steidle – und nennt ein Beispiel: „Alle Australier sind verrückt nach Vegemite, einen konzentrierten Hefeextrakt, den die restliche Welt einfach widerlich findet. Doch meine australischen Kollegen lieben Vegemite, weil sie damit aufgewachsen sind. Also geben sie es an ihre Kinder weiter, die es ebenfalls lieben lernen.“

Aufspaltung könnte ein Zufall gewesen sein

Dass sich die ursprüngliche Lagererzwespe zu zwei unterschiedlichen Arten entwickelt hat, ist wohl ein Zufall gewesen, vermutet Steidle: „Wir glauben, dass der Brotkäfer der Ursprungswirt der Lagererzwespe war. Irgendwann gab es innerhalb der Art Lagererzwespe einen Evolutionssprung, während dessen einige Tiere die Fähigkeit zum kindlichen Lernen ausbildeten.“

Dann – durch Zufall oder aus einer Notlage heraus – verirrte sich ein Weibchen auf einen Kornkäfer. Und blieb ihm als ihren Futterwirt treu. Ihre Nachkommen wiederum hatten die Veranlagung zum Lernen in sich und gaben diese ebenso an ihre Nachkommen weiter.

Kindliches Lernen erklärt große Artenvielfalt bei Insekten

„Wir wissen, dass die Fähigkeit zum kindlichen Lernen unter Insekten weit verbreitet ist“, erklärt Prof. Dr. Steidle. Dieser Mechanismus könnte also eine Erklärung für die besonders große Artenvielfalt von Insekten sein.

„Mit über 1 Millionen Arten machen Insekten rund 80 Prozent aller Tierarten aus. Vermutlich gibt es sogar noch einige Millionen Arten mehr, die wir noch nicht entdeckt haben.“

Die genauen Forschungsergebnisse können im Journal „Proceedings of the Royal Society B“ nachgelesen werden.

Quelle: C. Schmid/Klebs

. . .

Weitere Meldungen

Neuigkeiten aus der Wissenschaft

Museumskäfer, Motten, Schimmel und der Klimawandel
Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN

Hier nagt nicht nur der Zahn der Zeit. Museumskäfer, Motten, Schimmel und der Klimawandel

Die Sonderausstellung im Naturhistorischen Museum Wien ist von 19. März bis 15. Juni 2025 im Saal 21 zu sehen

Rinderzucht Austria-Seminar zum Thema '30 Jahre Nutzungsdauer in der Rinderzucht'
ZuchtData/Steininger

Rinderzucht Austria-Seminar zum Thema „30 Jahre Nutzungsdauer in der Rinderzucht“

Damals ein Meilenstein, heute eine Selbstverständlichkeit, morgen noch modern? Das diesjährige Rinderzucht Austria-Seminar stand ganz im Zeichen der Nutzungsdauer

Hautplatte des Alligators aus Hernals
NHM Wien, Alice Schumacher

Die Alligatoren von Hernals – das jüngste Krokodil-Fossil Mitteleuropas

Die Sammlungen des Naturhistorischen Museums sind großartige Archive der Natur. Allein die Geologisch-Paläontologische Abteilung bewahrt mehr als 5,6 Millionen Objekte

Melkroboter bereits in 2.000 Betrieben in Österreich im Einsatz
Rinderdatenverbund RDV, Grafik: RINDERZUCHT AUSTRIA/Kalcher

Melkroboter bereits in 2.000 Betrieben in Österreich im Einsatz

Der Trend zur Automatisierung in der Milchwirtschaft setzt sich ungebremst fort. Immer mehr Betriebe in Österreich setzen auf Automatische Melksysteme (AMS), um Effizienz und Tierkomfort zu steigern

13 Frauen. Aus der Geschichte des NHM Wien

13 Frauen. Aus der Geschichte des NHM Wien

Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar, die das Naturhistorische Museums Wien mitgestaltet haben - herausgegeben von Stefanie Jovanovic-Kruspel, Brigitta Schmid und Andrea Krapf

Luchsdame Elli
Alpenzoo

Luchsdame Elli übersiedelte aus dem Alpenzoo Innsbruck in den Wildnispark Zürich

Die Luchsdame Elli hat Innsbruck am 4. März 2025 im Zuge des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) verlassen und ist nach Zürich gezogen

HUNDERUNDEN #34: Tiermedizin print & online

HUNDERUNDEN #34: Tiermedizin print & online

Die 34. Ausgabe der HUNDERUNDEN, dem Fachmagazin für Tierärzt:innen, ist am Aschermittwoch 2025 erschienen.

Tierpfleger Niklas Hörper mit den Mähnenrobben
Daniel Zupanc

Inventur im Tiergarten Schönbrunn: 6.043 Tiere aus 518 Arten und Haustierrassen

Von den wendigen Mähnenrobben bis zu den gemächlichen Afrikanischen Schnabelbrustschildkröten - im Tiergarten Schönbrunn wurde wieder gezählt.

Deutsche Wildtier Stiftung

Backstagetour bei Cavalluna Grand Moments: Einblicke in Tierwohl und Tierschutz

Die europaweit tourende Pferdeshow Cavalluna fasziniert mit beeindruckenden Darbietungen, präziser Freiheitsdressur und kunstvollen Reitvorführungen. Doch was geschieht hinter den Kulissen?

Comparte este artículo en:

Werbung via Google
Werbung via Google

Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Queer: Sex und Geschlecht in der Welt der Tiere und Pflanzen
Queer: Sex und Geschlecht in der…
(13. Mär 2025) Josh L. Davis ist ist Mitarbeiter des Natural…
13 Frauen. Aus der Geschichte des…
(07. Mär 2025) Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar…
Wildtierfindlinge in der Tierarztpraxis
(28. Feb 2025) Grundlagen der Wildtierhilfe, praktische Anwendung, tierärztliche Versorgung -…
Der Erfindergeist der Tiere
(17. Feb 2025) Werkzeuge, Ideen und Innovationen. Faszinierende Einblicke in tierische…
Meine Patienten laufen Trab
(11. Feb 2025) Unterwegs als Pferdeärztin auf dem Land - von…
Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser
(07. Feb 2025) Konfliktfeld oder Chance für den Artenschutz? - herausgegeben…

Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

EVECC-Kongress 2025
EVECC-Kongress 2025
(01. Mär 2025) Der 22. European Veterinary Emergency and Critical Care…
FECAVA EuroCongress 2025 in Antwerpen
(17. Feb 2025) FECAVA lädt Sie vom 3. bis 6. September…
Yaboumba Weltkongress 2025
(17. Feb 2025) Der XV. Internationale Kongress für Medizin und Chirurgie…
Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…
Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…
7. Kroatischer Veterinärkongress 2024
(22. Jul 2024) Der diesjährige Kroatische Veterinärkongress wird vom 24. bis…

Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien

FECAVA-Laboklin-Reisestipendium 2025
FECAVA-Laboklin-Reisestipendium 2025
(19. Mär 2025) Die Tiermedizin kennt keine Grenzen und FECAVA und…
Bewerbungsfrist für den IGN-Forschungspreis für artgemäße…
(13. Mär 2025) Der Forschungspreis der Internationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung (IGN)…
Felix Wankel Tierschutz-Forschungspreis geht an Studienteam…
(10. Mär 2025) Alle zwei Jahre zeichnet die Tierärztliche Fakultät der…
Ausschreibung des Herbert-Stiller-Förderpreis für tierfreie Forschung
(06. Mär 2025) Ärzte gegen Tierversuche fördert tierversuchsfreie Forschungsvorhaben mit 20.000…
Raubtiere vs. Bauern: Ceva Wildlife Research…
(03. Mär 2025) Der Ceva Wildlife Research Fund unterstützt ein Projekt…
MSD und die FVE fördern 34…
(07. Feb 2025) MSD Tiergesundheit und der Europäische Tierärzteverband (FVE) zeichnen…