
Huhn oder Ei? Beides! Konferenz zeigt Chancen und Grenzen des Zweinutzungshuhns
Veranstaltung am 28. Juni 2016 an der Universität Hohenheim: Insider aus Geflügelproduktion, Politik & Forschung suchen neue Wege
Manche Rassen legen gut, andere liefern gutes Fleisch. Intensive Züchtung hat diese Trennung noch verstärkt. Die Folge: Männliche Küken von Legehennen werden bereits am ersten Lebenstag getötet – sie legen keine Eier und haben zu wenig Fleisch für die Mast.
Ein Ausweg aus dieser oft kritisierten Praxis könnte das Zweinutzungshuhn sein. Die Hoffnung: eine Hühnerrasse, bei der die Hennen Eier legen und die Hähne als Masthähnchen Verwendung finden.
Aber kann das Zweinutzungshuhn den Anforderungen der heutigen Geflügelproduktion genügen? Welche Alternativen für eine ethisch akzeptable Geflügelproduktion gibt es? Und welche besonderen Chancen bieten sich dabei für die süddeutsche Geflügelzucht?
Unter dem Motto „Zweinutzungshuhn – Königsweg oder Sackgasse?“ beschäftigt sich die Konferenz an der Universität Hohenheim mit diesen Fragen.
48 Millionen getötete Küken im vergangenen Jahr: Um diese Zahl werden derzeit hitzige Diskussionen geführt. „Das Töten von Küken muss aufhören“, findet auch Prof. Dr. Michael Grashorn.
Der Geflügelexperte der Universität Hohenheim begrüßt die Debatte um mehr Ethik für Hahn und Henne, warnt aber auch vor unnötigen Verzerrungen bei der Debatte: „Küken zu schreddern ist in Deutschland zum Beispiel längst verboten.“
Prof. Dr. Grashorn geht davon aus, dass die Debatte um die männlichen Küken die Branche verändern wird. Dabei sieht er aber auch die Verbraucher in der Pflicht: „Man könnte die männlichen Küken aufziehen und mästen“.
Das Problem: „Legehühner sind nicht auf Fleischproduktion gezüchtet“. Denn: „Die Hähne dieser Rassen wachsen langsamer, das kostet mehr“. Außerdem schmecke das Fleisch „anders als das gewohnte Broiler-Schnitzel“.
Kurz: „Der Großteil der Konsumenten will dieses Produkt nicht und ist auch nicht bereit, dafür mehr zu bezahlen“.
Der Hühnerspezialist weiß, wovon er spricht: Prof. Dr. Grashorn selbst forscht seit über 30 Jahren zu Legehennen und Masthühnern. Seine Themen: die Qualität von Geflügelprodukten und der Einfluss von Produktionsfaktoren auf die Produktqualität.
Drei Alternativen für eine ethische Geflügelproduktion
Dabei gibt es Alternativen zur Praxis, männliche Küken von Legerassen zu töten:
- Die Geschlechtserkennung im Ei: Dabei bohrt ein Laser ein Loch in die Schale des drei bis vier Tage bebrüteten Eies. Durch die Lichtstreuung an den Blutzellen lässt sich das Geschlecht ablesen. Ende des Jahres soll ein Prototyp für ein Gerät fertig sein, das die Eier in der Praxis untersuchen und automatisch sortieren kann.
- Das Zweinutzungshuhn: Eine Hühnerrasse, die sowohl ausreichend Eier produziert als auch gutes Fleisch ansetzt.
- Die Bruderhahn-Aufzucht: Dabei werden männliche Küken von Legehennen nicht getötet, sondern für die Fleischmast verwendet. Damit erhält man ein zusätzliches Produkt und konkurriert nicht mit dem traditionellen Brathähnchen.
Alle Alternativen haben Vor- und Nachteile, so Prof. Dr. Grashorn. Je nach Groß-, Klein- oder Biobetrieb ist „nicht jeder Ansatz für jede Art von Betrieb geeignet. Wahrscheinlich werden alle parallel bestehen“.
Viele Fragen sind noch offen – und müssen erforscht werden
Vor allem aber gebe es noch viele offene Fragen – und entsprechenden Forschungsbedarf. Die Fragen, die den Professor gleichermaßen umtreiben wie Geflügelzüchter und –halter oder Politiker und Verbandsvertreter:
- Fehlende Rassen: „Zum Teil gibt es alte Rassen mit entsprechendem Potential. Für größere Höfe muss hier noch investiert werden“, so Prof. Dr. Grashorn.
- Umweltaspekte: „Zweinutzungshühner wachsen langsamer, brauchen mehr Fläche, mehr Futter, verursachen mehr Emissionen – das müssen wir berücksichtigen.“
- Kosten: „Mehr Futter, mehr Platz, weniger Fleisch und Eier – das verursacht natürlich auch höhere Kosten. Hier brauchen wir neue Ansätze.“
- Neue Lieferketten: „Nicht nur Hühnerhalter – auch Lebensmittelproduzenten und Händler müssen sich umstellen. Letztlich betrifft das die ganze Branche vom Züchter bis zum Eierregal und zur Fleischtheke.“
- Andere Fleischqualität: „Bruderhähne sind vergleichsweise klein und knochig, und auch Zweinutzungshühner werden kaum an Broilerqualität herankommen. Hier müssen wir auf Zucht setzen – und auf aufgeklärte Verbraucher, die sich erinnern, wie Hühner noch zu Großvaters Zeiten zubereitet wurden.“
- Unsicheres Kundenverhalten: „Einerseits fordern die Kunden mehr Tiergerechtheit, andererseits günstige Produkte und hohe Qualität. Wer mehr Tierwohl will, muss aber auch mehr bezahlen.“
Konferenz bringt Experten aus allen Bereichen zusammen
Mit diesen Fragen setzt sich die Konferenz am 28. Juni auseinander. “Um uns allen Perspektiven zu nähern, haben wir versierte Experten aus Politik, Marktforschung, Verbänden und allen Bereichen der Geflügelindustrie eingeladen“, erklärt die Organisatorin der Konferenz, Dr. Sabine Zikeli.
Dazu gehören Vertreter aus der konventionellen ebenso wie der ökologischen Geflügelproduktion. Einer der größten Lieferanten für Zuchthühner ist ebenso vertreten wie Geflügelhalter, die bereits mit Zweinutzungshühnern und Bruderhähnen Erfahrungen gesammelt haben.
Dabei werden „durchaus unterschiedliche Standpunkte aufeinandertreffen“, erwartet die Organisatorin von der Universität Hohenheim. Sie selbst rechne „mit einer sehr regen Diskussion“. Was durchaus im Sinne der Veranstalter sei: „Die Konferenz soll klar zeigen, welche Fragen offen sind, wo Forschungsbedarf besteht und wo die Wissenschaft ansetzen sollte.“
Besondere Chancen für Bayern und Baden-Württemberg
„Zweinutzungshuhn – Königsweg oder Sackgasse?“, titelt die Konferenz. Auch Geflügelforscher Prof. Dr. Grashorn ist sich nicht sicher, ob Zweinutzungs- und Bruderhähne nicht nur ein Nischenprodukt werden. „Vor allem Großbetriebe werden eher auf die Geschlechtserkennung im Ei setzen.“
Für kleinere und Öko-Betriebe sehen Prof. Dr. Grashorn und Dr. Zikeli hingegen Chancen – also Betriebe, wie es sie vor allem in Süddeutschland gibt.
„Ein mobiler Hühnerstall kann als neues Standbein einen Hofladen ergänzen, wo Eier und Fleisch direkt verkauft werden. Aber auch kleinere Supermarktketten mit ethisch und regional produzierten Lebensmitteln könnten hier Abnehmer sein. Hier gibt es durchaus schon Vorreiter“, berichtet Dr. Zikeli.
Mitveranstalter sind deshalb auch die beiden Agrarministerien Bayerns und Baden-Württembergs. Die Konferenz bietet Gelegenheit zum Austausch.
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