Schwarze Schafe im Berliner Fleischhandel?
Veterinärmediziner der Freien Universität untersucht Lücken im Verbraucherschutz
Bestimmte Gewebe von Schafen sind seit der BSE-Krise durch die Europäische Union als Risikomaterial eingestuft worden und müssen unter amtlicher Aufsicht nach der Schlachtung entfernt und auf einer dafür zugelassenen Deponie entsorgt werden.
Dass diese Vorschriften in bestimmten Bereichen lückenhaft durchgesetzt werden, zeigt eine kürzlich erschienene Dissertation an der Freien Universität Berlin.
Der Veterinär Dr. Mostafa Bachari befragte 62 muslimische Fleischer, die Schaffleisch im Sortiment haben. Er fand heraus, dass 40 Geschäfte Lämmerköpfe inklusive Hirn verkaufen, in 32 Fällen wurde das Rückenmark der Tiere nicht entfernt und somit an den Verbraucher weitergegeben.
Zwar ist das Risiko, sich mit einer TSE-Erkrankung durch Schaffleisch anzustecken, gering. Die Übertragungswege sind jedoch bislang nicht vollständig erforscht. Im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes sollte eine eventuelle Ansteckung durch Präventionsmaßnahmen gänzlich ausgeschlossen werden.
Experimentell lassen sich Schafe mit BSE-Erregern infizieren. Bedenklich ist, dass die Verfütterung von Futtermitteln tierischer Herkunft erst 1994 verboten wurde. In den 80er und 90er Jahren wurden Schafe mit Futtermitteln, die Fleisch- und Knochenmehl enthielten, gefüttert.
Darüber hinaus wurde das Verbot bis zum Herbst 2000, dem Zeitpunkt des ersten BSE-Falls bei einem Rind in Deutschland, nur unvollkommen durchgesetzt.
Unter spezifiziertem Risikomaterial (SRM) sind Organe und Fleischteile zu verstehen, von denen eine potentielle Gefahr der Übertragung von Prionen auf Menschen und Tiere ausgehen kann.
Prionen verteilen sich bei Schafen unspezifischer als bei Rindern, eine vollständige Trennung betroffener Teile beim Schaf ist praktisch unmöglich. Eine größere Zahl an Gewebearten muss daher aus der Nahrungskette entfernt werden.
Beim Schaf zählen hierzu der Schädel über zwölf Monate alter Tiere einschließlich Gehirn und Augen, die Mandeln und das Rückenmark von Tieren, die älter als zwölf Monate sind sowie die Milz ohne Altersbeschränkung.
SRM muss laut gesetzlicher Bestimmungen unter amtlicher Aufsicht entfernt, eingefärbt, ggf. mit einer Markierung gekennzeichnet und durch Verbrennen oder Vergraben in einer zugelassenen Deponie vernichtet werden. Die Wirbelsäule kann jedoch bis vor der Abgabe an die Verbraucher in natürlichem Zusammenhang mit der Muskulatur verbleiben.
Mostafa Bachari befragte Verantwortliche in 62 islamischen Verkaufsstätten, davon zwei Großhandelsbetriebe, die einen Großteil des in Berlin konsumierten Schaffleisches liefern. Sein spezielles Interesse galt dabei der Frage, ob und in welchem Umfang spezifiziertes Risikomaterial vom Schaf dort angeboten wird. In 40 Geschäften wurden Lämmerköpfe inklusive Schädel und Hirn angeboten.
In fünf Läden wurden die Köpfe mit Augen verkauft. In 32 Fällen wurde das Rückenmark von über zwölf Monate alten Schafen nicht entfernt und somit an den Endverbraucher abgegeben.
In 17 Geschäften wurde Milz an den Verbraucher abgegeben. Lediglich zwölf der Betriebe und die beiden Großhändler geben das SRM direkt an die zuständige Tierkörperbeseitigungsanstalt. Ein Betrieb führte Fleischabfälle der normalen Müllentsorgung zu.
Nach Angaben der Fleischhändler wird regelmäßig von Kunden Gewebe bestellt, das traditionell verzehrt wird und inzwischen als SRM eingestuft wird.
Grundsätzlich müssen Tierärzte oder Fleischkontrolleure jedes Nutztier vor und nach der Schlachtung untersuchen. Dies gilt mit Ausnahme des Kaninchens für alle schlachtbaren Haustiere (§ 1 Fleischhygienegesetz).
Bei Hausschlachtungen sind die Bestimmungen weniger streng (§ 3 Fleischhygienegesetz), wenn das Fleisch für den Privatverzehr bestimmt ist. Unabdingbar bleibt aber die Lebenduntersuchung und die Fleischuntersuchung des Tieres.
Die zur Verfügung stehenden Statistiken zeigen, dass 200.000 bis 400.000 Schafe in Deutschland jährlich ohne Kenntnis der Veterinärämter geschlachtet werden.
Mostafa Bachari kommt zu dem Schluss, dass offensichtlich die Veterinärämter ihrer gesetzlichen Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachkommen.
Ein zuverlässiges Identifizierungs-, Dokumentations- und Kennzeichnungssystem, das auch Hausschlachtungen erfasst, sei unverzichtbar und sollte so schnell wie möglich konzipiert und konsequent umgesetzt werden.
Vor allem der Verbleib von SRM muss nach Auffassung von Dr. Bachari künftig besser kontrolliert werden.
Bürger, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind, müssten über die Risiken, die durch den Verzehr von SRM entstehen können, informiert werden. Dies ist offensichtlich bislang nicht in ausreichendem Umfang geschehen. Bei den befragten Fleischhändlern herrschte Unkenntnis über die TSE-Problematik, viele kannten den Begriff "Risikomaterial" gar nicht.
TSE steht für Transmissible Spongiforme Encephalopathie und ist der Sammelbegriff für die spongiformen Läsionen im Gehirn, die nach derzeitigem allgemeinen Verständnis durch fehlgefaltete Prionenmoleküle hervorgerufen werden und bei den unterschiedlichen Tierarten und beim Menschen die bekannten Krankheitsbilder hervorrufen wie die Creutzfeld-Jakob-Erkrankung einschließlich der neuen Variante, die BSE beim Rind und die Scrapie beim Schaf.
Informationsmaterial sollte daher auch in türkischer und arabischer Sprache angefertigt und verteilt werden – hierfür liefert Dr. Bachari in seiner Dissertation einen Entwurf.
Von Gesche Westphal
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