Biofilme – eine unsichtbare Gefahr für die Lebensmittelsicherheit

(07.07.2020) Biofilme sind potentielle Kontaminationsquellen in der Lebensmittelindustrie. Wo sie sich verstecken und welche Bakterien darin zu finden sind, untersuchte eine aktuelle Studie der Vetmeduni Vienna im Rahmen des FFoQSI-Kompetenzzentrums. Denn: Biofilme können in der Produktion Zusatzkosten verursachen und sind eine Gefahrenquelle für die Gesundheit der Konsumenten.

Biofilme sind für eine Reihe an Problemen in der Lebensmittelproduktion verantwortlich, so bewirken sie beispielsweise eine verringerte Effizienz von Wärmetauschern und die Korrosion von Anlagenteilen.

In Biofilmen können sich auch Verderbniserreger und lebensmittelassoziierte Krankheitserreger (Pathogene) wie Listerien, EHEC und Salmonellen befinden. Kommen Lebensmittel mit diesen Biofilmen in Berührung, kann es zu einer Kontamination kommen.


P. plecoglossicidia Biofilm (grüne Färbung durch Syto®9 - lebende Bakterien, rote Färbung durch Propidiumiodid - tote Bakterien)

Die Folge: Es kann sich die Haltbarkeit drastisch verringern und – im Fall von Pathogenen – Konsumenten können durch den Verzehr der kontaminierten Lebensmittel erkranken.

Untersuchung in österreichischem fleischverarbeitendem Betrieb

Um negative Folgen durch Biofilme zu verhindern, ist es wichtig, zu wissen, wo sich Biofilme bilden und welche Mikroorganismen sich darin befinden.

Die Abteilung für Lebensmittelmikrobiologie der Vetmeduni Vienna untersuchte deshalb im Rahmen des Kompetenzzentrums für Feed and Food Quality, Safety and Innovation (FFoQSI) Biofilme in einem österreichischen fleischverarbeitenden Betrieb.

Dabei überprüften die ForscherInnen 108 verschiedene Stellen – davon 47 Lebensmittelkontaktflächen und 61 Oberflächen, welche nicht direkt mit Lebensmitteln in Kontakt sind – auf das Vorhandensein von Biofilmen.

ForscherInnen identifizierten eine Reihe an Hotspots für Biofilme

Insgesamt konnten zehn Biofilm-Hotspots identifiziert werden, davon fünf auf Lebensmittelkontakt-Flächen wie Schneidemaschinen und Zubehör. Sieben der Biofilm-positiven Proben wurden während des Arbeitsbetriebes und drei nach der Reinigung und Desinfektion genommen, darunter einer auf einer Förderschnecke.

Aber auch an anderen Orten lauern Biofilme, so Eva M. Wagner: „Weitere Biofilme entdeckten wir in Gullys und Wasserschläuchen – Stellen, die standardmäßig nicht gereinigt werden, aber eine potentielle Kontaminationsquelle sind. Denn Wasserschläuche werden häufig verwendet, um gereinigte und desinfizierte Oberflächen von Desinfektionsmittelrückständen zu befreien. Befindet sich nun ein Biofilm im Wasserschlauch, so können frisch gereinigte Stellen – darunter auch Lebensmittelkontaktflächen – erneut kontaminiert werden.“

Eine weiterführende Studie, welche sich auf Biofilme in Wasserschläuchen fokussiert, soll nun Aufschluss darüber geben, wie häufig diese sind und wie sie effektiv entfernt werden können.

Häufigste Bakterien: Brochothrix, Pseudomonas und Psychrobacter

Aus den Biofilm-positiven Proben isolierten die ForscherInnen außerdem Bakterien und charakterisierten diese. Insgesamt fand sich ein breites Spektrum an Bakterien aus 29 verschiedenen Genera (Gattungen). Dazu Kathrin Kober-Rychli: „Aus allen Biofilmen wurden Bakterien von mindestens vier und maximal zwölf verschiedenen Gattungen isoliert.

Das zeigt eindeutig, dass es sich um Multi-Spezies-Biofilme handelt, es besiedeln also verschiedene Bakterien jeweils ein und denselben Biofilm. Am häufigsten konnten wir die Biofilmbakterien der Gattungen Brochothrix, Pseudomonas und Psychrobacter zuordnen.“ Brochothrix und Psychrobacter sind bekannte Fleischverderbniserreger, Pseudomonaden wiederum sind für ihre gute Biofilmbildung bekannt.

Deshalb ist laut Kathrin Kober-Rychli „weitere Forschung hinsichtlich der Verhinderung, der raschen Detektion und der Bekämpfung von Biofilmen im Lebensmittelbereich nötig. Bis dahin ist und bleibt die regelmäßige und gründliche mechanische Reinigung die wichtigste Maßnahme in der Vorbeugung von Biofilmen.“

Gute und schlechte Biofilme

Das Kompetenzzentrum für Feed and Food Quality, Safety and Innovation (FFoQSI) untersucht verschiedene drängende Fragen der Futter- und Lebensmittelindustrie. Einer der Forschungsschwerpunkte sind Biofilme, welcher unter anderem an der Vetmeduni Vienna bearbeitet wird.

Als Biofilm bezeichnet man eine Lebensform von Mikroorganismen (Bakterien, Pilzen, Archaeen und Einzeller), die sich auf sehr engem Raum an einer Oberfläche festsetzen und dort eine schützende Schicht, die sogenannte Matrix, bilden.

Diese Matrix, welche aus Kohlenhydraten, Proteinen und extrazellulärer DNA besteht, schützt die „Bewohner“ des Biofilms vor äußeren Einflüssen wie Desinfektionsmitteln, UV-Strahlung und Austrocknung. In der Lebensmittelindustrie findet man viele Beispiele für Biofilme.

In der Milchverarbeitung und der Essigherstellung bedient man sich Biofilmen, um einen bestimmten Effekt zu erzielen, sind also nützlich. Allerdings bietet die Lebensmittelverarbeitung auch ideale Bedingungen für ungewollte Biofilm-Bildung.

Das COMET-K1 Kompetenzzentrum FFoQSI wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch BMVIT, BMDW und die Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und Wien gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.

Die strategischen Zielsetzungen von COMET sind der Aufbau neuer Kompetenzen durch die Initiierung und Unterstützung einer langfristig ausgerichteten Forschungszusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft auf höchstem Niveau sowie der Aufbau und die Sicherung der Technologieführerschaft von Unternehmen.

Durch die Weiterentwicklung und Bündelung existierender Stärken und die Einbindung von internationalem Forschungs-Know-how soll der Forschungsstandort Österreich nachhaltig gestärkt werden.

Publikation

Der Artikel „Identification of biofilm hotspots in a meat processing environment: Detection of spoilage bacteria in multi-species biofilms“ von Eva M. Wagner, Nadja Pracser, Sarah Thalguter, Katharina Fischel, Nicole Rammer, Lucie Pospíšilová, Merima Alispahic, Martin Wagner und Kathrin Rychli wurde in International Journal of Food Microbiology veröffentlicht. 


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