Auf der Suche nach dem perfekten Geschirr für jeden Blindenführhund
Die perfekte Passform eines Führgeschirrs ist für die erfolgreiche Kommunikation zwischen Blindenführhund und Halter:in unerlässlich.
Ein Forschungsprojekt an der Vetmeduni unter der Leitung von Barbara Bockstahler rückt dieses spezielle Geschirr in den Mittelpunkt und plant, mit einem aufwendigen Kamerasystem hochpräzise Bewegungsanalysen durchzuführen.
Nero blickt sich neugierig im Bewegungsanalyselabor um und schnüffelt am schwarzen Gummiuntergrund, in den – kaum sichtbar – eine etwa zwei Meter lange Messplatte eingelassen ist. Der fast sechsjährige Labrador ist staatlich anerkannter Assistenzhund und einer von rund 120 Blindenführhunden in Österreich, der blinden Menschen Augen leiht.
In seinem Fall hilft er dem blinden Niederösterreicher Andreas Leimer. Zusammen sind die beiden ein unschlagbares Team. Gerade ist Nero nicht im Dienst, sein Führgeschirr trägt Andreas Leimer in der Hand.
Um seinen Halter sicher durch den Alltag zu lenken – sei es auf dem Weg zur Arbeit nach Wien, beim Einkaufen oder für Arzttermine – trägt Nero statt einer Leine dieses spezielle Geschirr mit einem Bügel.
Dieser macht jede Bewegung des Hundes mit und übermittelt so die entscheidenden Informationen direkt an Andreas Leimer.
Die Veterinärmedizinische Universität Wien konnte bereits in wissenschaftlichen Studien zeigen, welchen Zugkräften Blindenführhunde wie Nero im Arbeitseinsatz ausgesetzt sind.
Um seinem blinden Halter sicher durch die Stadt und ihre Hindernisse zu bringen, muss Nero immer etwas „auf Zug“ gehen. Der Vierbeiner hat das volle Vertrauen seines blinden Halters.
Er zeigt Hindernisse mit Stolpergefahr wie Stufen oder Gehsteigkanten an und warnt vor Abgründen wie am U-Bahnsteig oder am Bahnhof. Durch die unmittelbare Kommunikation und Verbindung mit dem Führgeschirr erfährt Andreas Leimer von Nero, wo sich der Fußgängerübergang, der Eingang zum Lift oder einfach die Tür zum Supermarkt oder zur Ordination befindet.
Nero führt seinen Halter zuverlässig zu freien Sitzbänken im Park oder Lokal und zeigt ihm den freien Schalter auf der Post. Das Führen von blinden oder hochgradig sehbehinderten Menschen ist jedoch immer mit einer gewissen Druckbelastung auf den Hund verbunden.
Zusätzlich kommt eine gewisse einseitige Belastungssituation dazu, da Blindenführhunde meistens links vor dem blinden Menschen gehen.
So viel Kommunikation wie möglich, so wenig Belastung wie nötig
„In unserer Forschung haben wir die Belastung auf Blindenführhunde näher untersucht, indem wir uns die genaue Druckverteilung unter unterschiedlichen Führgeschirren angesehen haben. Wir wissen, dass die Druckbelastung am stärksten am rechten Hundebrustkorb ist und am schwächsten am Rücken. Ein Blindenführhund ist bei der Arbeit einer Zugkraft von zehn Prozent seines eigenen Körpergewichts ausgesetzt“, fasst die Tierärztin Barbara Bockstahler ihre bisherige Forschungsarbeit zusammen.
Sie leitet an der Vetmeduni die Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation, ist auf Erkrankungen des Bewegungsablaufs von Vierbeinern spezialisiert und verfügt über viel Erfahrung mit Blindenführhunden.
Finanziell unterstützt wurden diese Untersuchungen vom gemeinnützigen Verein „Freunde der Assistenzhunde Europas“, die sich seit vielen Jahren als Interessensvertretung von Assistenzhunden für deren Rechte einsetzt und um den Wert eines optimal passenden Führgeschirrs weiß.
Doch die Entwicklung von Geschirren, die sowohl die perfekte Kommunikation zwischen Hund und Mensch sicherstellen als auch zu einer möglichst geringen Belastung des Bewegungsapparats des Hundes führen, ist für die Veterinärmedizinerin Bockstahler noch nicht abgeschlossen.
Das neue Forschungsprojekt mit dem Titel „Helga“ soll ihre wissenschaftliche Arbeit fortführen. Der Titel kommt nicht von ungefähr, sondern erinnert an Helga Wanecek.
Der ehemaligen Vorsitzenden des Vereins „Freunde der Assistenzhunde Europas“, selbst seit Geburt an blind, war die Forschung zum Wohlergehen von Blindenführhunden immer ein großes Anliegen. Ein Teil der Verlassenschaft der 2018 Verstorbenen fließt nun in das aktuelle Forschungsvorhaben, bei dem Hundehalter:innen verstärkt berücksichtigt werden.
Denn deren Körpergröße wirkt sich klarerweise auf die Führung des Bügels aus. Bockstahlers erklärtes Ziel ist, ein Führgeschirr zu entwickeln, das auf jeden Blindenführhund individuell anpassbar ist. Um testen zu können, wie sich ein Führgeschirr auf die Bewegung der Vorderbeine und des Rückens auswirkt, verbringt Bockstahler viel Zeit im Bewegungsanalyselabor der Vetmeduni.
Ein neues Kamerasystem für Bewegungsanalysen
Das speziell ausgestattete Labor befindet sich in der Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation, wo das Forschungsteam aus Veterinärmediziner:innen die Bewegungen der Blindenführhunde ganz genau unter die Lupe nimmt.
Anhand einer Druckmessplatte untersuchen sie beispielsweise, wie ein Geschirr die Gewichtsbelastung der Beine oder die Schrittlänge verändert. Mit einem speziellen Kamerasystem und eigens entwickelter Software rücken vor allem die Gelenksbewegungen der Vierbeiner in den Fokus der Forscher:innen.
Von diesen Untersuchungen sollen zukünftig nicht nur Blindenführhunde profitieren, sondern sämtliche Vierbeiner, da die Bewegungsanalyse auch bei Routineuntersuchungen zum Einsatz kommen könnte. Probleme im Bewegungsapparat von Hunden können so schon frühzeitig entdeckt werden. Bockstahlers Arbeit leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Tiergesundheit, da durch diese Präventionsmaßnahme unnötige Schmerzen vermieden werden.
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