Geburtenkontrolle im Zoo: Veterinären gelingt schwierige Flusspferd-Kastration
Flusspferde vermehren sich in Gefangenschaft bestens. In Zoos kann diese Fortpflanzungslust jedoch zum Platzproblem werden. Um einer Überpopulation vorzubeugen, ist die Kastration der männlichen Tiere prinzipiell eine gute Sache.
Die Anatomie der männlichen Fortpflanzungsorgane- der Dickhäuter stellt Veterinäre allerdings vor eine Herausforderung. WissenschafterInnen vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna entwickelten erfolgreich eine Kastrationsmethode für Flusspferde und veröffentlichten ihre Resultate im Fachjournal Theriogenology.
Das Flusspferd (Hippopotamus amphibius), oftmals auch Nilpferd genannt, ist in der freien Wildbahn vom Aussterben bedroht. In Gefangenschaft vermehren sich die mächtigen Wassertiere jedoch so gut, dass Zoos ihre Fortpflanzung eindämmen müssen. Ein weibliches Flusspferd wird in etwa 40 Jahre alt und kann bis zu 25 Jungtiere zur Welt bringen. Für so viele Jungtiere hätten Zoos beim besten Willen keinen Platz.
Die Kastration der Männchen ist prinzipiell eine gute Methode, die Fortpflanzung einzuschränken, denn gleichzeitig bremst eine Kastration auch die Aggression männlicher Tiere untereinander. Leider gibt es nur wenige dokumentierte Fälle erfolgreicher Flusspferdkastrationen. Das Verfahren ist bekanntermaßen schwierig, da sowohl Narkose als auch das Auffinden der Hoden problematisch ist.
Anpassung an ein Leben im Wasser
Flusspferde sind an ein Leben im Wasser angepasst und können bei Tauchaktionen auch mit Sauerstoffmangel umgehen. Die üblichen Narkosemittel können bei den Tieren Atemprobleme verursachen und manchmal sogar tödlich sein.
Solche Probleme wurden durch Fortschritte bei Anästhesieverfahren reduziert. Ein Team um Chris Walzer veröffentlichte bereits 2012 ein für diese Tierart entwickeltes Narkoseprotokoll, welches die Injektion von genug Narkosemittel durch die dicke Haut der Tiere zulässt.
Neuartige Anästhesiemethode für Flusspferde
Eine neue Form der Flusspferd-Narkose beschreiben jetzt Forschende um Chris Walzer vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Journal of the American Veterinary Association"
Auch wenn man es als Laie kaum vermuten würde, Flusspferde sind entfernt mit den Walen verwandt und haben außer der dicken Haut noch andere Anpassungen an ihren teilweise aquatischen Lebensraum. Das ist auch an ihrer Anatomie und Physiologie erkennbar.
Während die Hoden von Walen sich immer intern im Bauchraum befinden, „verstecken“ männliche Flusspferde ihre Fortpflanzungsorgane im Leistenkanal, einer Passage in der vorderen Bauchwand. Die Hoden der Tiere sind deshalb schwer zu finden, man kann sie kaum sehen oder ertasten.
Sichtbar mithilfe von Ultraschall
Chris Walzer und KollegInnen aus drei verschiedenen zoologischen Einrichtungen und dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildforschung (IZW) haben eine neue chirurgische Kastrationsmethode an zehn Flusspferden aus verschiedenen Zoos durchgeführt.
Für die Kastration wurden die Tiere unter ständiger Beobachtung der Vitalparameter narkotisiert. Die TierärztInnen mussten bei extrem schlechten Sichtverhältnissen operieren, also setzten sie ein Ultraschallgerät ein, um die schwer zu findenden Hoden im Körper der Tiere zu lokalisieren.
„Für die Hippo-Kastration haben wir eine Methode, die eigentlich für Pferde entwickelt wurde, angepasst. Bei Pferden liegen die Hoden außerhalb des Körpers und sind deshalb problemlos sichtbar. Beim Flusspferd sieht man hingegen gar nichts.
Uns sind keine Berichte über die vorherige Verwendung von Ultraschall zur Lokalisierung der Hoden bekannt, aber genau das war essenziell”, erklärt Walzer. „Denn die Hoden sind nicht nur schwer auffindbar, sie können auch während der Operation immer wieder ihre Position verändern.“
Widerstandsfähige Schwergewichte
Nach den chirurgischen Eingriffen konnten die Tiere problemlos in ihr Gehege mit Schwimmbecken entlassen werden. Sie verfügen, genau wie ihre Verwandten die Wale, über eine sehr gute Wundheilung: sie scheiden eine Art roten „Schweiߓ aus, der antibakterielle Eigenschaften hat.
Das dürfte für sie überlebenswichtig sein, da sie einander oft bei Kämpfen verletzen und sich die Wunden im Wasser sonst schnell infizieren könnten. „Aufgrund ihrer natürlichen Widerstandsfähigkeit gegen Infektionen erholen sich Flusspferde rasch von operativen Eingriffen.
Wir haben nun eine effektive und sichere Methode entwickelt, um die Vermehrung dieser beliebten und ungewöhnlichen Tierart im Zoo im Zaum zu halten“, resümiert Walzer.
Der wissenschaftliche Artikel “Surgical castration of the male common hippopotamus (Hippopotamus amphibius)” von Christian Walzer, Thierry Petit, Gabrielle L. Stalder, Igal Horowitz, Joseph Saragusty, und Robert Hermes wurde im Journal Theriogenology veröffentlicht. (Copyright Elsevier, 2013)
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0093691X13004275
Weitere Meldungen
Neuigkeiten aus der Wissenschaft
Hier nagt nicht nur der Zahn der Zeit. Museumskäfer, Motten, Schimmel und der Klimawandel
Die Sonderausstellung im Naturhistorischen Museum Wien ist von 19. März bis 15. Juni 2025 im Saal 21 zu sehen
Rinderzucht Austria-Seminar zum Thema „30 Jahre Nutzungsdauer in der Rinderzucht“
Damals ein Meilenstein, heute eine Selbstverständlichkeit, morgen noch modern? Das diesjährige Rinderzucht Austria-Seminar stand ganz im Zeichen der Nutzungsdauer
Die Alligatoren von Hernals – das jüngste Krokodil-Fossil Mitteleuropas
Die Sammlungen des Naturhistorischen Museums sind großartige Archive der Natur. Allein die Geologisch-Paläontologische Abteilung bewahrt mehr als 5,6 Millionen Objekte
Melkroboter bereits in 2.000 Betrieben in Österreich im Einsatz
Der Trend zur Automatisierung in der Milchwirtschaft setzt sich ungebremst fort. Immer mehr Betriebe in Österreich setzen auf Automatische Melksysteme (AMS), um Effizienz und Tierkomfort zu steigern
13 Frauen. Aus der Geschichte des NHM Wien
Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar, die das Naturhistorische Museums Wien mitgestaltet haben - herausgegeben von Stefanie Jovanovic-Kruspel, Brigitta Schmid und Andrea Krapf
Luchsdame Elli übersiedelte aus dem Alpenzoo Innsbruck in den Wildnispark Zürich
Die Luchsdame Elli hat Innsbruck am 4. März 2025 im Zuge des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) verlassen und ist nach Zürich gezogen
HUNDERUNDEN #34: Tiermedizin print & online
Die 34. Ausgabe der HUNDERUNDEN, dem Fachmagazin für Tierärzt:innen, ist am Aschermittwoch 2025 erschienen.
Inventur im Tiergarten Schönbrunn: 6.043 Tiere aus 518 Arten und Haustierrassen
Von den wendigen Mähnenrobben bis zu den gemächlichen Afrikanischen Schnabelbrustschildkröten - im Tiergarten Schönbrunn wurde wieder gezählt.
Backstagetour bei Cavalluna Grand Moments: Einblicke in Tierwohl und Tierschutz
Die europaweit tourende Pferdeshow Cavalluna fasziniert mit beeindruckenden Darbietungen, präziser Freiheitsdressur und kunstvollen Reitvorführungen. Doch was geschieht hinter den Kulissen?
Teile diesen Bericht auf:
Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Röntgen Hund und Katze: Thorax und…
(21. Mär 2025) Röntgenbilder sicher befunden Gebundene Ausgabe - herausgegeben von…Queer: Sex und Geschlecht in der…
(13. Mär 2025) Josh L. Davis ist ist Mitarbeiter des Natural…13 Frauen. Aus der Geschichte des…
(07. Mär 2025) Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar…Wildtierfindlinge in der Tierarztpraxis
(28. Feb 2025) Grundlagen der Wildtierhilfe, praktische Anwendung, tierärztliche Versorgung -…Der Erfindergeist der Tiere
(17. Feb 2025) Werkzeuge, Ideen und Innovationen. Faszinierende Einblicke in tierische…Meine Patienten laufen Trab
(11. Feb 2025) Unterwegs als Pferdeärztin auf dem Land - von…Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

EVECC-Kongress 2025
(01. Mär 2025) Der 22. European Veterinary Emergency and Critical Care…FECAVA EuroCongress 2025 in Antwerpen
(17. Feb 2025) FECAVA lädt Sie vom 3. bis 6. September…Yaboumba Weltkongress 2025
(17. Feb 2025) Der XV. Internationale Kongress für Medizin und Chirurgie…Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…7. Kroatischer Veterinärkongress 2024
(22. Jul 2024) Der diesjährige Kroatische Veterinärkongress wird vom 24. bis…Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien
