VET-MAGAZIN logo
Studie widerspricht umstrittener These zur Lebensraumfragmentierung
Wolkenkratzer via Wikimedia Commons
Strategische Partnerwahl bei Guinea-Pavianen
Tessa Frank/Deutsches Primatenzentrum GmbH
Strategische Partnerwahl bei Guinea-Pavianen
Wie Zebrafische Herzmuskelzellen regenerieren
Elvira Eberhardt/Uni Ulm
Lebensräume für Fischnachwuchs am Niederrhein
Michel Roggo
Komplexe Evolution: Fortgeschrittene kognitive Fähigkeiten bei Vögeln
Kolossos via Wikimedia Commons
Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Tiere viel tiefgreifender als angenommen
Stefan Meyer
Illegale Tötung ist größte Bedrohung für Luchse
Thomas Hulik - stock.adobe.com
Fledermäuse spielen in Südostasien Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Reisschädlingen
Fledermäuse spielen in Südostasien
Fahlstirnschwalben leben von Natur aus in unterschiedlich großen Gruppen
Ken Thomas
Allgemein

Forschungsergebnisse zum angeborenen Verhalten auf dem Prüfstand

Ob das Verhalten von Tier und Mensch genetisch bestimmt ist oder im Laufe des Lebens erlernt wird, ist eines der spannendsten Themen der Evolutionsbiologie. Forschende der Vetmeduni Vienna haben herausgefunden, dass einige VerhaltensforscherInnen bei der Interpretation ihrer Daten bisher in zwei statistische Fallen getappt sind.

. . .

Ob Vögel eher in kleinen oder größeren Kolonien brüten, war bis vor kurzem noch der Genetik zugeschrieben. Jedoch könnten die Ergebnisse auch zufällig entstanden sein. Der Aufruf zur Neuinterpretation alter und neuer verhaltensbiologischer Studien wurde im Journal Scientific Reports veröffentlicht.

Viele Tierarten, insbesondere Vögel, haben die Wahl zwischen einem Leben in größeren oder kleineren Gruppen. Beide Lebensformen bringen Vor- und Nachteile mit sich.

Während es in größeren Kolonien eher zu aggressiven Konflikten untereinander und zur Übertragung von Krankheiten kommen kann, sind kleinere Kolonien weniger mit Parasiten belastet, jedoch gibt es dort auch weniger Nahrung für die Gemeinschaft.

Schwalbenstudie neu interpretiert

Die Idee, dass die Entscheidung für ein Leben in der Großfamilie oder der Kleinfamilie, insbesondere bei Vögeln, genetisch festgelegt ist, gewann im Jahr 2000 große Akzeptanz.

Damals veröffentlichte das Forscherpaar Charles und Mary Brown einen Artikel, in dem sie Daten aus einem Feldversuch mit Fahlstirnschwalben interpretierten. Diese Vögel leben von Natur aus in unterschiedlich großen Gruppen.

Einige Individuen dieser amerikanischen Schwalbenart scheinen resistenter gegen Nestparasiten zu sein als andere und vertragen deshalb die größere Parasitenbelastung in den Großgruppen. Auch das Nahrungsangebot ist in Großgruppen reicher, da größere nachbarliche Gemeinschaften Insektenschwärme besser verfolgen können. 

In ihrem Experiment untersuchten die Browns insgesamt 2.000 Jungvögel. Die Forschenden tauschten frisch geschlüpfte Küken aus kleinen Kolonien mit Küken aus großen Kolonien und ließen die Jungvögel bei den „fremden“ Eltern aufwachsen.

Als die umgesiedelten Vögel dann nach Jahren selbst Nester bauten, um zu brüten, analysierten die Forschenden, welche Gruppengrößen die Tiere wählten.

Es zeigte sich, dass Schwalben, die in großen Gruppen zur Welt gekommen waren und in kleinen Gruppen aufgezogen wurden, selber wieder die Großgruppe als Lebensform bevorzugten.

Das genaue Gegenteil passierte mit der anderen Gruppe. Schwalben aus Kleingruppen, die jedoch in Großgruppen aufwuchsen, brüteten ihrerseits in Kleinkolonien. Kurz gesagt, es sah so aus, als würde die Wahl der Lebensform vererbt und somit genetisch bedingt sein.

Statistischer Fehler entdeckt

Was wäre jedoch der evolutionäre Vorteil eines Gens, das die Wahl der Gruppengröße bestimmt? Der Verhaltensforscher Richard Wagner vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung und Erstautor Étienne Danchin von der Universität Toulouse vermuteten, dass die Ergebnisse der Studie durch den verwendeten methodischen Ansatz verfälscht worden sein könnten.

Gemeinsam mit Eric Wajnberg, einem Populationsgenetiker vom Institut INRA in Sofia, berechneten sie die Originaldaten aus dem Experiment der Browns neu und fanden heraus, dass die Ergebnisse genauso per Zufall hätten entstehen können.

Werte nahe dem Durchschnitt sind wahrscheinlicher als Extremwerte

Das Problem ist größtenteils auf ein statistisches Phänomen, das als “Regression zur Mitte” bekannt ist, zurückzuführen. Sir Francis Dalton, der Cousin von Charles Darwin, hat dieses Problem bereits im 19. Jahrhundert beschrieben.

Es handelt sich um einen Effekt, nachdem auf außergewöhnlich hohe oder niedrige Messergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit „normalere“ Werte folgen.

Im Experiment der Browns lag gerade hier der Fehler. Vögel, die von kleine in große Kolonien übersiedelt wurden, suchten sich später selber kleinere Kolonien für ihre Brut. Statistisch gesehen, liegen diese kleineren Gruppen aber dann auch der durchschnittlichen Gruppengröße näher.

Und genauso verhält es sich umgekehrt mit der anderen Gruppe. Die Ergebnisse wären also auch ohne Bezug zu genetischen Faktoren entstanden. 

Wagner und Danchin fanden außerdem noch einen weiteren Fehler. Das zweite Problem bezieht sich auf einen Fehlschluss bezüglich räumlich strukturierter Daten und wurde 1984 von dem Forscher Arie van Noordwijk aufgedeckt.

Es besagt, dass Individuen, die nicht die gleichen Wahlmöglichkeiten bezüglich der Orte haben, die sie aufsuchen können, auch nicht miteinander verglichen werden können. In der Studie der Browns hatten die miteinander verglichenen Vogelgruppen nicht dieselben Möglichkeiten.

Eine Frage des Studiendesigns

Nach der Neuberechnung der Studienergebnisse gilt es, viele bereits veröffentlichte Daten noch einmal zu überdenken. Vor allem die Rolle der Genetik könnte in der Verhaltensbiologie bislang in vielen Fällen falsch interpretiert worden sein.

“Uns überraschte, dass genau jenes experimentelle Design, das häufig in diesem Zusammenhang verwendet wird, den Trugschluss der „Regression zur Mitte“ erzeugt. Selbst die am sorgfältigsten gestalteten Studien können unter diesem Problem leiden. Die Ergebnisse werden so bedeutungslos", warnt Wagner.

Die WissenschafterInnen schlagen auch eine Lösung für das Problem vor. Werden Gruppen miteinander verglichen, die dieselben Wahlmöglichkeiten haben (im Falle der Schwalben müssten alle Küken von einer in eine andere Kolonie übersiedelt werden), so wären die Forschenden mit ihrer Interpretation auf der sicheren Seite.

Der Artikel „Avoiding pitfalls in estimating heritability with the common options approach“ von Étienne Danchin, Éric Wajnberg und Richard H. Wagner erschien vor kurzem im Journal Scientific Reports. doi:10.1038/srep03974
http://www.nature.com/srep/2014/140205/srep03974/full/srep03974.html

. . .

Weitere Meldungen

Neuigkeiten aus der Wissenschaft

Hautplatte des Alligators aus Hernals
NHM Wien, Alice Schumacher

Die Alligatoren von Hernals – das jüngste Krokodil-Fossil Mitteleuropas

Die Sammlungen des Naturhistorischen Museums sind großartige Archive der Natur. Allein die Geologisch-Paläontologische Abteilung bewahrt mehr als 5,6 Millionen Objekte

Melkroboter bereits in 2.000 Betrieben in Österreich im Einsatz
Rinderdatenverbund RDV, Grafik: RINDERZUCHT AUSTRIA/Kalcher

Melkroboter bereits in 2.000 Betrieben in Österreich im Einsatz

Der Trend zur Automatisierung in der Milchwirtschaft setzt sich ungebremst fort. Immer mehr Betriebe in Österreich setzen auf Automatische Melksysteme (AMS), um Effizienz und Tierkomfort zu steigern

13 Frauen. Aus der Geschichte des NHM Wien

13 Frauen. Aus der Geschichte des NHM Wien

Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar, die das Naturhistorische Museums Wien mitgestaltet haben - herausgegeben von Stefanie Jovanovic-Kruspel, Brigitta Schmid und Andrea Krapf

Luchsdame Elli
Alpenzoo

Luchsdame Elli übersiedelte aus dem Alpenzoo Innsbruck in den Wildnispark Zürich

Die Luchsdame Elli hat Innsbruck am 4. März 2025 im Zuge des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) verlassen und ist nach Zürich gezogen

HUNDERUNDEN #34: Tiermedizin print & online

HUNDERUNDEN #34: Tiermedizin print & online

Die 34. Ausgabe der HUNDERUNDEN, dem Fachmagazin für Tierärzt:innen, ist am Aschermittwoch 2025 erschienen.

Tierpfleger Niklas Hörper mit den Mähnenrobben
Daniel Zupanc

Inventur im Tiergarten Schönbrunn: 6.043 Tiere aus 518 Arten und Haustierrassen

Von den wendigen Mähnenrobben bis zu den gemächlichen Afrikanischen Schnabelbrustschildkröten - im Tiergarten Schönbrunn wurde wieder gezählt.

Deutsche Wildtier Stiftung

Backstagetour bei Cavalluna Grand Moments: Einblicke in Tierwohl und Tierschutz

Die europaweit tourende Pferdeshow Cavalluna fasziniert mit beeindruckenden Darbietungen, präziser Freiheitsdressur und kunstvollen Reitvorführungen. Doch was geschieht hinter den Kulissen?

Tiertraining im Alpenzoo Innsbruck
Alpenzoo

Gezieltes Tiertraining für mehr Abwechslung und bessere Betreuung der Tiere

Im Alpenzoo Innsbruck steht ab 2025 regelmäßiges Tiertraining auf dem Programm

Aqua-Forschungsstation im Tiergarten Schönbrunn
Daniel Zupanc

Fisch-Umzug XXL: Tiergarten Schönbrunn übersiedelt hunderte Fische, Garnelen und Co.

Seit Dezember übersiedeln im Tiergarten Schönbrunn Fische, Garnelen, Pflanzen und Co. aus dem Backstage-Bereich des bestehenden alten Aquarienhauses in die neu errichtete Aqua-Forschungsstation unweit des Zoos

Teile diesen Bericht auf:

Werbung via Google
Werbung via Google

Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Queer: Sex und Geschlecht in der Welt der Tiere und Pflanzen
Queer: Sex und Geschlecht in der…
(13. Mär 2025) Josh L. Davis ist ist Mitarbeiter des Natural…
13 Frauen. Aus der Geschichte des…
(07. Mär 2025) Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar…
Wildtierfindlinge in der Tierarztpraxis
(28. Feb 2025) Grundlagen der Wildtierhilfe, praktische Anwendung, tierärztliche Versorgung -…
Der Erfindergeist der Tiere
(17. Feb 2025) Werkzeuge, Ideen und Innovationen. Faszinierende Einblicke in tierische…
Meine Patienten laufen Trab
(11. Feb 2025) Unterwegs als Pferdeärztin auf dem Land - von…
Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser
(07. Feb 2025) Konfliktfeld oder Chance für den Artenschutz? - herausgegeben…

Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

EVECC-Kongress 2025
EVECC-Kongress 2025
(01. Mär 2025) Der 22. European Veterinary Emergency and Critical Care…
FECAVA EuroCongress 2025 in Antwerpen
(17. Feb 2025) FECAVA lädt Sie vom 3. bis 6. September…
Yaboumba Weltkongress 2025
(17. Feb 2025) Der XV. Internationale Kongress für Medizin und Chirurgie…
Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…
Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…
7. Kroatischer Veterinärkongress 2024
(22. Jul 2024) Der diesjährige Kroatische Veterinärkongress wird vom 24. bis…

Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien

Bewerbungsfrist für den IGN-Forschungspreis für artgemäße Nutztierhaltung endet am 1. April 2025
Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN
Bewerbungsfrist für den IGN-Forschungspreis für artgemäße…
(13. Mär 2025) Der Forschungspreis der Internationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung (IGN)…
Felix Wankel Tierschutz-Forschungspreis geht an Studienteam…
(10. Mär 2025) Alle zwei Jahre zeichnet die Tierärztliche Fakultät der…
Ausschreibung des Herbert-Stiller-Förderpreis für tierfreie Forschung
(06. Mär 2025) Ärzte gegen Tierversuche fördert tierversuchsfreie Forschungsvorhaben mit 20.000…
Raubtiere vs. Bauern: Ceva Wildlife Research…
(03. Mär 2025) Der Ceva Wildlife Research Fund unterstützt ein Projekt…
MSD und die FVE fördern 34…
(07. Feb 2025) MSD Tiergesundheit und der Europäische Tierärzteverband (FVE) zeichnen…
ABCD & Boehringer Ingelheim laden zur…
(20. Jan 2025) Das European Advisory Board on Cat Diseases (ABCD)…