Genom von Haus- und Nutztieren: Was Kamele so besonders macht
Bei der Domestizierung von Kamelen wurde ein Sonderweg beschritten: Wie die meisten anderen Haus- und Nutztierarten wurden zwar auch die Kamele der Alten Welt in Richtung Zahmheit gezüchtet.
Allerdings weisen sie keine sekundären Merkmale auf, die sonst mit einer bestimmten Rassenbildung einhergehen. Dies konnte nun ein von der Vetmeduni Vienna (Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie) geleitetes internationales Forschungsteam auf genetischer Ebene nachweisen.
Die Domestizierung beginnt mit der Auswahl von Tieren, die weniger Angst vor Menschen haben. Bei den meisten Haus- und Nutztieren wurden Selektionsmerkmale für Zahmheit durch intensive Züchtung in Richtung wirtschaftliche oder andere wünschenswerte Merkmale überlagert. Nicht so die Kamele der Alten Welt, also die asiatischen und afrikanischen Vertreter dieser Art.
Sie haben eine große genetische Variation beibehalten, da die Kamelzüchter darauf achten, ein hohes Maß an phänotypischer Vielfalt in ihren Herden beizubehalten, und bisher im Allgemeinen die Selektion auf der Ebene einzelner Tiere vermieden wurde, mit Ausnahme von Merkmalen für Zahmheit und Toleranz des Menschen.
Ohne die sekundären Merkmale, die mit einer bestimmten Rassenbildung verbunden sind, stellen Kamele somit ein Anfangsstadium des Domestizierungsprozesses dar.
Nachweis der genetischen Entsprechung der Domestizierung
Wie die Domestizierung der Kamele auf genetischer Ebene aussieht, hat nun ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Vetmeduni Vienna genauer untersucht. Dazu sequenzierten die ForscherInnen Genome von Dromedaren, Trampeltieren und ihren gefährdeten wilden Verwandten.
Im Ergebnis zeigte sich, dass eine bestimmte Genselektion, die als „Domestikationssyndrom“ bezeichnet wird und z.B. Neotenie, also die Beibehaltung von Jugendmerkmalen, beschränktem Intellekt und Neuropathien assoziiert ist, mit Defiziten des Nervenkamms und veränderten schilddrüsenhormonbasierten Signalen übereinstimmt.
Dazu Studienleiterin Pamela Anna Burger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna: „Wenn wir unsere Ergebnisse mit anderen Nutztierarten vergleichen, gehen wir davon aus, dass der Kernsatz der Domestikationsgene erheblich kleiner ist als der Pan-Domestikationssatz – und überlappende Gene wahrscheinlich ein Ergebnis von Zufall und Redundanz sind.“
Diese Ergebnisse sind laut den ForscherInnen zusammen mit den im Rahmen der Studie gewonnenen umfangreichen genomischen Daten ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Evolutionsgeschichte von Kamelen und der genomischen Merkmale ihrer Domestizierung.
Kein gemeinsamer Satz von Domestikationsgenen
Die genomischen Scans identifizierten bei den zwei domestizierten Kamelarten Gene, deren Funktionen mit vielen Merkmalen des Domestikationssyndroms übereinstimmen. „Insbesondere fanden wir Hinweise auf eine Selektion in Genen, die sowohl mit NCCH (Neural Crest Cell Hypothese) als auch mit THH (Schilddrüsenhormonhypothese) assoziiert waren und nachweislich auch während der Domestizierung anderer Arten wie Huhn, Yak, Hund, Fuchs und Kaninchen selektiert wurden“, so Burger.
Diese Ergebnisse führten laut den ForscherInnen zu zwei wichtigen Schlussfolgerungen: Erstens, dass sich NCCH und THH nicht gegenseitig ausschließen müssen – die Pfade sind nicht vollständig unabhängig und ihre relativen Beiträge können je nach Domestizierungsereignis variieren. Zweitens stützen die gewonnenen Daten die Annahme, dass es keinen gemeinsamen Satz von Domestikationsgenen zwischen Kamelen gibt, selbst über unabhängige Domestikationsprozesse von zwei evolutionär nahen Arten hinweg.
Wichtiger Beitrag, um wilde Kamele vor dem Aussterben zu bewahren
Wilde Kamele sind stark gefährdete Säugetiere und aufgrund ihres anhaltenden Bevölkerungsrückgangs einem erheblichen Aussterberisiko ausgesetzt. Die vorliegende Studie liefert eine große Menge genomischer Ressourcen für Kamele der Alten Welt.
Diese Ressourcen werden laut den ForscherInnen die Anwendung von Züchtungs- und Selektionsschemata unterstützen, welche die genomische Vielfalt von Kamelen erhalten. Diese Bemühungen werden wiederum das Evolutionspotential der Wildarten bewahren, zusätzlich zur Erhaltung der Kamele als wertvolle Tierart in trockenen Umgebungen.
Publikation
Service: Der Artikel „Genomic signatures of domestication in Old World camels
“ von Robert Rodgers Fitak, Elmira Mohandesan, Jukka Corander, Adiya Yadamsuren, Battsetseg Chuluunbat, Omer Abdelhadi, Abdul Raziq, Peter Nagy, Chris Walzer, Bernard Faye und Pamela Anna Burger wurde in Communications Biology veröffentlicht.
Weitere Meldungen
Neuigkeiten aus der Wissenschaft
Die Alligatoren von Hernals – das jüngste Krokodil-Fossil Mitteleuropas
Die Sammlungen des Naturhistorischen Museums sind großartige Archive der Natur. Allein die Geologisch-Paläontologische Abteilung bewahrt mehr als 5,6 Millionen Objekte
Melkroboter bereits in 2.000 Betrieben in Österreich im Einsatz
Der Trend zur Automatisierung in der Milchwirtschaft setzt sich ungebremst fort. Immer mehr Betriebe in Österreich setzen auf Automatische Melksysteme (AMS), um Effizienz und Tierkomfort zu steigern
13 Frauen. Aus der Geschichte des NHM Wien
Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar, die das Naturhistorische Museums Wien mitgestaltet haben - herausgegeben von Stefanie Jovanovic-Kruspel, Brigitta Schmid und Andrea Krapf
Luchsdame Elli übersiedelte aus dem Alpenzoo Innsbruck in den Wildnispark Zürich
Die Luchsdame Elli hat Innsbruck am 4. März 2025 im Zuge des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) verlassen und ist nach Zürich gezogen
HUNDERUNDEN #34: Tiermedizin print & online
Die 34. Ausgabe der HUNDERUNDEN, dem Fachmagazin für Tierärzt:innen, ist am Aschermittwoch 2025 erschienen.
Inventur im Tiergarten Schönbrunn: 6.043 Tiere aus 518 Arten und Haustierrassen
Von den wendigen Mähnenrobben bis zu den gemächlichen Afrikanischen Schnabelbrustschildkröten - im Tiergarten Schönbrunn wurde wieder gezählt.
Backstagetour bei Cavalluna Grand Moments: Einblicke in Tierwohl und Tierschutz
Die europaweit tourende Pferdeshow Cavalluna fasziniert mit beeindruckenden Darbietungen, präziser Freiheitsdressur und kunstvollen Reitvorführungen. Doch was geschieht hinter den Kulissen?
Gezieltes Tiertraining für mehr Abwechslung und bessere Betreuung der Tiere
Im Alpenzoo Innsbruck steht ab 2025 regelmäßiges Tiertraining auf dem Programm
Fisch-Umzug XXL: Tiergarten Schönbrunn übersiedelt hunderte Fische, Garnelen und Co.
Seit Dezember übersiedeln im Tiergarten Schönbrunn Fische, Garnelen, Pflanzen und Co. aus dem Backstage-Bereich des bestehenden alten Aquarienhauses in die neu errichtete Aqua-Forschungsstation unweit des Zoos
Teile diesen Bericht auf:
Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Queer: Sex und Geschlecht in der…
(13. Mär 2025) Josh L. Davis ist ist Mitarbeiter des Natural…13 Frauen. Aus der Geschichte des…
(07. Mär 2025) Dieses Buch macht die Geschichten von Frauen sichtbar…Wildtierfindlinge in der Tierarztpraxis
(28. Feb 2025) Grundlagen der Wildtierhilfe, praktische Anwendung, tierärztliche Versorgung -…Der Erfindergeist der Tiere
(17. Feb 2025) Werkzeuge, Ideen und Innovationen. Faszinierende Einblicke in tierische…Meine Patienten laufen Trab
(11. Feb 2025) Unterwegs als Pferdeärztin auf dem Land - von…Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser
(07. Feb 2025) Konfliktfeld oder Chance für den Artenschutz? - herausgegeben…Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

EVECC-Kongress 2025
(01. Mär 2025) Der 22. European Veterinary Emergency and Critical Care…FECAVA EuroCongress 2025 in Antwerpen
(17. Feb 2025) FECAVA lädt Sie vom 3. bis 6. September…Yaboumba Weltkongress 2025
(17. Feb 2025) Der XV. Internationale Kongress für Medizin und Chirurgie…Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…7. Kroatischer Veterinärkongress 2024
(22. Jul 2024) Der diesjährige Kroatische Veterinärkongress wird vom 24. bis…Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien
