Für Hunde ist wichtig, wo jemand steht, nicht was jemand tut

(27.08.2020) Können Hunde schlussfolgern, wer ihnen helfen wird, indem sie zwei Menschen bei ihren Handlungen beobachten?  "Eavesdropping" - also das Belauschen oder Beobachten anderer zum eigenen Vorteil - scheint für uns Menschen selbstverständlich.

Für Hunde hat es aber offenbar weniger Relevanz als bisher angenommen. Eine neue Studie der Veterinärmedizinische Universität Wien zieht die Eavesdropping-Hypothese nun in Zweifel.

Die neuen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich Hunde stattdessen die Position einzelner Personen merken und sich auf Basis dieser Information entscheiden.

Frühere Studien hatten Belege dafür gefunden, dass Hunde (Canis lupus familiaris) sich Informationen zu ihrem Vorteil beschaffen, indem sie beispielsweise beobachten, wie eine Bezugsperson mit einem anderen Menschen oder Hund interagiert. Einige dieser Studien kontrollierten dabei jedoch nicht die jeweilige räumliche Position der Personen.

Es war deshalb bisher nicht klar, ob Hunde nun tatsächlich Eavesdropping betreiben, oder sie sich einfach die Position der einzelnen Personen merken.

Neue Studie widerlegt Fähigkeit von Hunden aus Eavesdropping die richtigen Schlüsse zu ziehen

Die nun soeben veröffentlichte Studie der Vetmeduni Vienna untersuchte deshalb, ob Hunde aus der Beobachtung von Interaktionen unbekannter Menschen Schlussfolgerungen ableiten. Am Experiment nahmen 42 Hunde teil, die vom „Clever Dog Lab“ des Messerli Forschungsinstituts der Vetmeduni Vienna ausgewählt wurden.

In der Beobachtungsphase sahen die Tiere einen Menschen mit einer Schachtel Futter, der zwei Personen um Hilfe bat, diese zu öffnen – eine dieser Personen half, die andere nicht. Für die anschließende Testphase gab es zwei Varianten: entweder wechselte die hilfsbereite mit der nicht hilfsbereiten Person den Standort, oder beide blieben an ihrem ursprünglichen Platz.

Die meisten von uns Menschen würden sich vermutlich an die hilfsbereite Person wenden, egal wo sie sich befindet. Hunde hingegen blickten die hilfsbereite Person nur dann als Erste an, wenn diese auf der gleichen Seite blieb wie in der Beobachtungsphase. „Aufgrund unserer Studie lässt sich die bisherige Hypothese des Eavesdroppings von Hunden nicht halten.

Unsere Experimente deuten darauf hin, dass die Position von Personen der für die Entscheidungen von Hunden relevante Faktor ist“, so Erstautorin Hoi-Lam Jim vom Wolf Science Centre des Konrad-Lorenz-Instituts der Vetmeduni Vienna.

Eavesdropping als möglicher Faktor zur Kooperation von Hunden mit Menschen

Eavesdropping, was sich am ehesten mit "Belauschen" übersetzen lässt, bedeutet im vorliegenden Kontext allgemein die Erfassung von Informationen durch Beobachtung von Interaktionen mit Dritten.

Angesichts der Abhängigkeit von Hunden vom Menschen wäre es für sie von Vorteil, menschliche Interaktionen zu "belauschen", um so einen geeigneten Partner für die Zusammenarbeit zu finden.

Frühere Studien haben gezeigt, dass Hunde einen Menschen, der großzügig oder kooperativ gegenüber einem anderen Menschen handelt, einem Menschen vorziehen, der selbstsüchtig oder nicht kooperativ agiert. Nicht geprüft wurde von diesen Studien jedoch, ob die Position der einzelnen handelnden Personen einen möglichen Einfluss auf das Testergebnis hat.

Indem die nun präsentierte Studie der Vetmeduni Vienna den Faktor „Standort“ in das experimentelle Setting einbezog, konnte weiterer Nachweis erbracht werden, dass Hunde ihre Entscheidungen nicht auf der Grundlage von Eavesdropping treffen.

Der Artikel „Do dogs eavesdrop on human interactions in a helping situation?“ von Hoi-Lam Jim, Sarah Marshall-Pescini, Friederike Range wurde in PLOS One veröffentlicht.



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