Internationaler interdisziplinärer Workshop zu Bedeutung und Geschichte des Kamels
Nutztier, Touristenattraktion oder "Ferrari der Wüste" - Internationale Expert(inn)en diskutieren in Wien die vielseitige Bedeutung und verzweigte Geschichte des Kamels
Das Kamel hat wie kaum ein anderes Tier die Menschheitsgeschichte geprägt. Florierende Handelsbeziehungen zwischen Orient und Okzident wurden erst durch das Kamel über die Seiden- und Weihrauchstraße ermöglicht. Heute ist es in Tiergärten, im Wüstentourismus, als Fleischlieferant oder als Opfertier bei der Pilgerfahrt nach Mekka nicht wegzudenken.
Eine internationale Konferenz in Wien widmet sich nun diesem erstaunlichen Nutztier und führt die neuesten lebens- und kulturwissenschaftlichen Erkenntnisse rund um das Kamel zusammen. Erwartet werden 90 Teilnehmer(innen) aus fünf Kontinenten und unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen.
"Camels in Asia and North Africa: An interdisciplinary workshop on their significance in past and present" wird im Hauptgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am 5. und 6. Oktober 2010 stattfinden.
Die Themenfelder dieser bislang einzigartigen Veranstaltung erstrecken sich von Domestizierung, Zucht und Handel von Kamelen über Aspekte veterinärmedizinischer Volksmedizin bis hin zu Kunst und Symbolismus.
Die Grenzen der Disziplinen überwinden
Die Veranstaltung entstand auf Initiative der Sozialanthropologin Eva-Maria Knoll (Institut für Sozialanthropologie der ÖAW) und der Veterinärmedizinerin Pamela Burger (Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien), die es sich zum Ziel gesetzt haben, den bisherigen Erkenntnisstand zum Themenkomplex "Kamel" quer über die Fächergrenzen hinweg zusammenzutragen, um im Austausch von Erfahrungen und Expertisen neue Erkenntnisse und Fragestellungen zu gewinnen.
"Indem wir das Kamel durch ein interdisziplinäres Nadelöhr schicken, soll das viel beklagte Kommunikationsdefizit zwischen den 'zwei Wissenschaftskulturen' der Natur- und Sozialwissenschaften in diesem Forschungsfeld überwunden werden", betonen die Organisatorinnen.
Dieser interdisziplinäre Ansatz ist insofern vielversprechend, zumal über die Verbreitungs- und Domestizierungsgeschichte der beiden Altwelt-Kamelarten (einhöckriges oder Dromedar und zweihöckriges oder Baktrisches Kamel) noch vieles im Unklaren liegt.
Ein sonst kaum geführter Dialog zwischen Genetik, Veterinärmedizin, Zoologie, Archäologie, Sozialanthropologie, Arabistik, Wildtierkunde und Sinologie soll hier neue Einblicke verschaffen. Jüngste archäologische Grabungsfunde aus Saudi Arabien, die Rückschlüsse auf die Domestizierungsgeschichte des Kamels zulassen, werden mit weltweit vergleichenden populationsgenetischen Analysen und mit aktuellen Theorien zur Verbreitungsgeschichte der unterschiedlichen Kamelarten kontrastiert.
Über die Verbreitungs-, Domestizierungs- und -haltungsgeschichte hinaus werden auch aktuelle Themen diskutiert: etwa der touristische Einsatz dieser Spezies im Kamel-Trekking in der Sahara; formelle und informelle Vermarktungs-strategien von Kamelmilch in Kenia, Somalia und Pakistan; Hybridzüchtungen in Syrien und Zentralasien, welche die Ausdauer und hohe Milchproduktion des Dromedars mit der hohen Widerstandsfähigkeit des Baktrischen Kamels vereinen soll; die Problematik des Dopings bei Kamelrennen; die anhaltend hohe symbolische Bedeutung des "Ferrari der Wüste"; und die engagierte Arbeit zur Habitat- und Arterhaltung der letzten Wildtierpopulationen in China und der Mongolei.
Zurück zu den Wurzeln - Warum das Kamel schon immer interdisziplinär war
Dass der Workshop an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien stattfindet, ist kein Zufall, wie Eva-Maria Knoll erklärt: "Die Forschung zu Regionen, in denen der Mensch ohne Kamel kaum überlebensfähig ist, hat an der ÖAW eine lange Tradition.
Bereits vor mehr als 150 Jahren veröffentlichte der erste Präsident der damaligen 'Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften', Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall, ein Buch mit dem Titel 'Das Kamel', das arabische Quellen zur Zucht, Haltung und zum Handel von Kamelen behandelt.
Hammer-Purgstall erkannte bereits damals den besonderen Wert interdisziplinärer Kooperationen und ermöglichte durch die Aufarbeitung der reichhaltigen arabischen Literatur, dass auch Naturforscher und Reisende seiner Zeit das Wissen des Orients trotz mangelnder Sprachkenntnisse nutzen konnten."
Für Hammer-Purgstall sollte sein Werk, wie er in der Einleitung schrieb, "ein bisher noch nicht dagewesenes Beispiel aufstellen, wie durch die Wörterkunde und Philologie die Naturgeschichte und Physiologie gefördert werden können."
Der Workshop zum Kamel in Asien und Nordafrika ist aber nicht nur interdisziplinär - also verschiedene Wissenschaftssparten übergreifend - angelegt, sondern auch transdisziplinär, da die Veranstaltung auch Kooperationen mit Institutionen jenseits des Wissenschaftsbetriebes sucht:
So hat die Inhaberin der ersten Österreichische Kamelreitschule ihr Kommen zugesagt, die Firma "Manner", die in Österreich u.a. Rohschokolade aus Kamelmilch erzeugt und zur Fertigverarbeitung in die Vereinigten Arabischen Emirate liefert, wurde um Beteiligung angefragt und das Abendbuffet kann mit Produkten vom "Schwarzen Kameel" aufwarten. Zum Abschluss der Konferenz steht eine Führung durch den Tiergarten Schönbrunn, dem ältesten Zoo der Welt, auf dem Programm.
Termin
:
05.10.2010 - 06.10.2010
09:00 - 18:00
Ort
:
Hauptgebäude der ÖAW
Dr. Ignaz Seipel-Platz 2
1010 Wien