Linda-Virus: Neues neurotropes Pestivirus in österreichischen Schweinen entdeckt
Wenn neugeborene Ferkel trotz ausreichender Wärmezufuhr ungewöhnlich stark zittern, leiden sie am sogenannten „Ferkelzittern“.
Die Symptome der Erkrankung, bei der das Hirn und Rückenmark schwer geschädigt ist, ähneln dem Krankheitsbild der klassischen Schweinepest. Ein viraler Hintergrund der Erkrankung konnte kürzlich mit einem in Europa und den USA identifizierten atypischen porzinen Pestivirus bestätigt werden.
In Zitterferkeln mit einem besonders ausgeprägten Tremor wurde nun ein neues Pestivirus, das Linda-Virus, entdeckt. (Video: Institut für Virologie/Vetmeduni Vienna)
Forschende der Vetmeduni Vienna entdeckten nun ein weiteres, bislang unbekanntes Virus in „Zitterferkeln“ eines österreichischen Betriebs. Der Erreger ist mit dem australischen Bungowannah Virus und entfernt mit Virus der klassischen Schweinepest verwandt.
Aufgrund der Symptome wird das Virus vorläufig „LINDA-Virus“ genannt (Lateral shaking Inducing NeuroDegenerative Agent). Seine Entdeckung wurde vor kurzem im Journal „Emerging infectious diseases“ veröffentlicht.
In einem österreichischen Zuchtbetrieb kam es im Jahr 2015 bei neugeborenen Schweinen zu einem Ausbruch einer besonderen Form des „Ferkelzitterns“. Bei dieser Erkrankung, die zu massiven Verlusten führen kann, lösen schwere Schädigungen in Hirn und Rückenmark einen ungewöhnlich starken Tremor bei den Ferkeln aus.
Als mögliche Ursache für dieses Krankheitsbild gilt ein vor kurzem in Europa und den USA gefundenes atypisches porzines Pestivirus. Dieses wurde von Forschenden der Vetmeduni Vienna mittlerweile auch in Österreich nachgewiesen.
Aufgrund der ausgeprägten Symptome bei den Ferkeln dieses Betriebs untersuchten Experten der Universitätsklinik für Schweine die Tiere auf dieses erst kürzlich beschriebene atypische Porzine Pestivirus (APPV).
Trotz umfassender und spezifischer Analysen konnte weder dieser noch ein anderer bekannter Krankheitserreger als Ursache nachgewiesen werden.
Da alle Symptome und Untersuchungsergebnisse jedoch auf die Beteiligung eines Pestivirus hindeuteten, wurde ein neuartiger, diagnostischer Test entwickelt, der schließlich zur Entdeckungen des neuen Pestivirus führte.
Unbekanntes Pestivirus in österreichischen Zitterferkeln gefunden
„Der von unserem Team neuentwickelte Nachweis erfasste alle bekannten Pestiviren“, erklärt Benjamin Lamp vom Institut für Virologie. „Und ermöglichte so den Nachweis eines bislang unbekannten Virus.“
Die vollständige Analyse der Genomorganisation, also des Aufbau des Erbgutes, sowie charakteristische Proteine kennzeichneten den neuentdeckten Erreger eindeutig als ein bislang unbekanntes Pestivirus aus der übergeordneten Familie der Flaviviridae.
Dieses wurde aufgrund des seitwärts gerichteten Tremors und der Läsionen im Nervengewebe von betroffenen Ferkeln „LINDA“ (Lateral shaking Inducing NeuroDegenerative Agent) genannt.
„Pestiviren haben die besondere Eigenschaft, Feten von Schwein, Schaf und Rind zu infizieren, wobei auch das zentrale Nervensystem betroffen ist. Pestivirusinfektionen sind aber nur bei Klauentieren verbreitet und stellen keine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar“, so Lamp.
Gleichzeitig mit der Entwicklung des Nachweisverfahrens gelang dem Team mit Hilfe klassischer Zellkulturmethoden auch die Anzucht des neuartigen Pestivirus aus Organproben. „Das ist ein wichtiger Schritt um das neuentdeckte Virus weiter erforschen zu können“, so der Virologe.
Gefährliche Viren in der nahen Verwandtschaft des Linda-Virus
Bislang ist nicht bekannt, wie weit das neue Linda-Virus in der Schweinepopulation verbreitet ist. „Wir arbeiten gerade an einem neuen serologischen Test, um mehr über die Prävalenz, also die Häufigkeit an Krankheitsfällen durch das Linda-Virus, in Österreich zu erfahren“, sagt Lamp.
Der Test ist auch insofern wichtig, da die Verwandtschaftsanalyse zu anderen Erregern das Virus der Klassischen Schweinepest (KSP) als entfernten Verwandten aufzeigte.
Überschneidungen mit der amtlichen KSP-Diagnostik sind damit nicht auszuschließen.“ Es ist außerdem noch unklar, wie gefährlich das neuentdeckte Linda-Virus für die Schweinehaltung ist.
„Da es jedoch auch die Gebärmutter von trächtigen Säuen infiziert, könnte es zu schweren Störungen bei der Hirnrinden-Reifung von Ferkeln führen, ähnlich wie bei einer Infektion mit dem Zikavirus“, so Institutsleiter Till Rümenapf. Genetisch gesehen, ist der nächste Verwandte jedoch ein „Australier“.
Die Phylogenetische Untersuchungen zeigten nämlich auch das 2006 in Australien beschriebene „Bungowannah Virus“ als Verwandten des Linda-Virus auf.
Dieser Erreger wurde bislang ausschließlich in zwei benachbarten Schweinefarmen in Australien gefunden, führte dort aber zum Tod von über 50.000 Tieren.
Dank umfangreicher Maßnahmen gelang es zwar die weitere Verbreitung des Erregers zu unterbinden. Die Betriebe erholten sich jedoch nicht vom Ausbruch des Erregers.
Der Erreger verbleibt in einmal infizierten Schweinen. Diese können das Virus somit lange weiter ausscheiden und sind hochgradig ansteckend für andere Schweine.
Die Infektion mit Bungowannah Viren in der Gebärmutter führt zu Aborten und einer hohen Ferkelsterblichkeit, deren Ursache meist eine viral bedingte Herzmuskelentzündung ist. Neurologische Schäden oder „Zitterferkel“ konnten jedoch nicht beobachtet werden.
Entwicklung von Bekämpfungsstrategien
Jedes Jahr werden neue Zoonoseerreger gefunden, die vom Tier auf den Menschen überspringen können. Gleichzeitig gibt es eine stetig zunehmende Zahl neuer Viren, die ausschließlich bei unseren Nutztieren auftreten.
Früher bekämpfte man Krankheitsausbrüche erst, wenn die Erreger sich längst weit verbreitet hatten. „Heute versucht man, Infektionsgeschehen so früh wie möglich aufzudecken und frühzeitig Bekämpfungsstrategien zu entwickeln“, so Letztautor Till Rümenapf.
Mit dem dafür notwendigen Forschungsaufwand beschäftigt sich eine ExpertInnengruppe für Schweinemedizin der Vetmeduni Vienna, die durch die enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Einrichtungen am Campus das Infektionsgeschehen in der Schweinehaltung in Österreich verringern will.
Publikation
Der Artikel „Novel Pestivirus Species in Pigs, Austria, 2015“ von Benjamin Lamp, Lukas Schwarz, Sandra Högler, Christiane Riedel, Leonie Sinn, Barbara Rebel-Bauder, Herbert Weissenböck, Andrea Ladinig und Till Rümenapf wurde in Emerging Infectious Diseases veröffentlicht.
https://wwwnc.cdc.gov/eid/article/23/7/17-0163_article
Weitere Meldungen
Neuigkeiten aus der Wissenschaft
Neue Verordnung zu MKS: Importverbot für tierische Produkte aus Ungarn gezielt angepasst
Importverbot gilt ab 14. April 2025 nur mehr für Regionen mit Schutz- oder Sperrzonen - Maßnahmen zum Schutz der Tiergesundheit bleiben aufrecht
Hardenberg Institute vermittelt Veterinär-Studienplätze
Das Hardenberg Institute vermittelt Studieninteressierte aus Österreich und Deutschland an akkreditierte Veterinär-Fakultäten im EU-Ausland
Neues Artenschutzhaus für geschmuggelte Tiere im Tiergarten Schönbrunn eröffnet
Im Tiergarten Schönbrunn wurde am 11. April 2025 das neue Artenschutzhaus eröffnet
ÖTT-Tagung 2025: 20 Jahre Tierschutzgesetz – wo stehen wir?
Die 15. Tagung der Plattform Österreichische Tierärztinnen und Tierärzte für Tierschutz (ÖTT) findet am 8. Mai 2025 online statt.
Maßnahmen gegen Maul- und Klauenseuche: Grenzübergänge vorübergehend geschlossen
Erhöhte Biosicherheitsmaßnahmen für Betriebe, Importstopp für pflanzliche Futtermittel aus betroffenen Regionen, Abstimmung zwischen Behörden läuft gut
KATZENMEDIZIN #23
Die aktuelle Ausgabe des Fachmagazins für Tierärzt:innen, KATZENMEDIZIN #23, ist soeben erscheinen
Vetmeduni Vienna verschiebt den Tag der offenen Tür
Als Vorsichtsmaßnahme wegen der in der Slowakei und in Ungarn ausgebrochenen Maul- und Klauenseuche (MKS) wird der Tag der offenen Tür in den September 2025 verschoben
Tierärztekammer fordert dringende Maßnahmen zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche (MKS)
MKS-Ausbrüche in der Slowakei und Ungarn weiterhin nicht unter Kontrolle
Fünf Erfolge der Präparator*innen für das NHM Wien
Im Februar 2025 fand zum 14. Mal die "European Taxidermy Championships", die Europameisterschaft der Präparator*innen, in Salzburg statt
Teile diesen Bericht auf:
Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Das stille Sterben der Natur
(17. Apr 2025) Wie wir die Artenvielfalt und uns selbst retten…Es war einmal das Huhn
(9. Apr 2025) Eine Forschungsreise durch die bewegte Geschichte von Mensch…Das Pferd und sein Wert –…
(1. Apr 2025) Das Buch Das Pferd und sein Wert richtet…Bewegungsapparat Hund
(26. Mär 2025) Funktionelle Anatomie, Biomechanik und Pathophysiologie - von Mima…Röntgen Hund und Katze: Thorax und…
(21. Mär 2025) Röntgenbilder sicher befunden Gebundene Ausgabe - herausgegeben von…Queer: Sex und Geschlecht in der…
(13. Mär 2025) Josh L. Davis ist ist Mitarbeiter des Natural…Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

SIVEMAP 2025
(31. Mär 2025) Die SASAP (Serbian Association of Small Animal Practitioners)…EVECC-Kongress 2025
(1. Mär 2025) Der 22. European Veterinary Emergency and Critical Care…FECAVA EuroCongress 2025 in Antwerpen
(17. Feb 2025) FECAVA lädt Sie vom 3. bis 6. September…Yaboumba Weltkongress 2025
(17. Feb 2025) Der XV. Internationale Kongress für Medizin und Chirurgie…Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien
