Moderne Dromedare sind ein Spiegelbild alter Karawanenrouten

(17.08.2020) Die genetische Vielfalt und die globalen Migrationsmuster von Dromedaren – eine Tierart, die vor dem Hintergrund des Klimawandels immer wichtiger wird – folgen alten Karawanenrouten, so lautet die zentrale Botschaft einer aktuellen von einem internationalen Forschungsteam unter Leitung der Vetmeduni Vienna (FIWI) in „Nature Communications Biology“ veröffentlichten Studie.

Die WissenschafterInnen analysierten dazu einen globalen Datensatz, der mehr als 22.000 Genom-weite Markern von Dromedaren auf drei Kontinenten umfasst.

Dromedare waren für den Wohlstand von Zivilisationen in trockenen Regionen und die Verbreitung von Menschen, Gütern und Kulturen entlang alter, kontinentalübergreifender Handelswege von wesentlicher Bedeutung.


Moderne Dromedare sind ein Spiegelbild alter Karawanenrouten

Mit zunehmender Wüstenbildung nimmt ihre Bedeutung als Tierart weiter zu, über ihre genomweite Vielfalt und demografische Geschichte war bisher jedoch wenig bekannt.

Genetische Vielfalt als Folge der letzten Eiszeit und der Expansion des Osmanischen Reiches

Das von der Vetmeduni Vienna geleitete Forschungsteam konnte nun durch einen genombasierten Ansatz eine deutliche Populationsdifferenzierung von Dromedaren in Asien und Afrika nachweisen. Zudem konnten die WissenschafterInnen die Ausbreitung der Paarhufer nach ihrer Domestizierung auf historischen Karawanenrouten wie der Seiden- und Weihrauchstraße nachzeichnen.

Das ist aber nicht alles, wie Pamela Burger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) erklärt: „Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass der Rückgang der Population während der letzten Eiszeit und Expansionsbewegungen im Mittelalter während des Aufstiegs des Osmanischen Reiches die genetische Vielfalt moderner Dromedare geprägt haben.

Dieses neu gewonnene Verständnis der Populationsstruktur unterstreicht auch den Wert kleiner, lokal angepasster Populationen. Wir appellieren deshalb für die Sicherung der genetischen Vielfalt und die nachhaltige Nutzung dieser für Wüsten und Trockengebiete so wichtigen Tierart.“

Neue Erkenntnisse der Evolutionsgeschichte durch Genom-Analyse

Die vorliegende Studie belegt, dass die Bewertung der Evolutionsgeschichte von Arten mithilfe genombasierter Ansätze detaillierte Rückschlüsse auf die Populationsstruktur, Migrations- und Ausbreitungsbewegungen sowie mögliche Signale für die Anpassung an die Umwelt ermöglicht. Da die Bewegungen der Dromedare denen des Menschen entsprechen, wirft das Wissen über räumliche genetische Signaturen der Dromedare auch ein neues Licht auf die Vergangenheit der Menschheit. Entsprechende genetische Belege stellten die WissenschafterInnen in kontinentalen Populationen (Asien und Afrika) fest, was den starken anthropogenen Einfluss auf diese Tierart unterstreicht.

„Die genetische Vielfalt, die wir in der vorliegenden Studie herausarbeiten konnten, ist ein Ergebnis einer beständigen genetischen Vermischung aufgrund historischer und jüngster Bewegungen entlang der Handelswege. Dies könnte zu einem einzigartigen Erbgut geführt haben, das Kamele widerstandsfähiger gegenüber globalen Umweltveränderungen machen könnte und deshalb erhalten bleiben muss“, so Erstautorin Sara Lado.

Dromedare und Kamele – wichtige Tierart vor dem Hintergrund des Klimawandels

Als eines der letzten domestizierten Tiere – sie erfolgte erst vor etwa 3.000 bis 4.000 Jahren – nimmt das Dromedar (Camelus dromedarius) eine besondere Stellung in der menschlichen Migration und im Handel ein.

Seine physiologischen Anpassungen an raue und trockene Umgebungen ermöglichten es dem Menschen, lebensfeindliche Regionen wie Wüsten zu durchqueren und ermöglichten die Expansion von Zivilisationen.

Ihre überlegenen und einzigartigen Eigenschaften prädestinierten Dromedare für den Einsatz als Militärtiere und für den internationalen Handel entlang historischer Karawanenrouten wie der Seidenstraße und der Weihrauchroute.

Die Hybridisierung zwischen Dromedaren und den eng verwandten zweihöckrigen baktrischen Kamelen (Camelus bactrianus) brachte noch robustere und beständigere Tiere hervor, die für die extremen klimatischen Bedingungen der Seidenstraße geeignet sind. Heute sind Dromedare und baktrische Kamele die wichtigsten Tierarten in Wüstengebieten.

Ihre Auswirkungen auf die Land- und Wasserressourcen für die Lebensmittelproduktion sind geringer als bei jeder anderen Nutztierart. Mit zunehmender Wüstenbildung und dem globalen Klimawandel wird ihre Bedeutung deshalb laut den ForscherInnen noch weiter zunehmen.

Publikation

Der Artikel „Genome-wide diversity and global migration patterns in dromedaries follow ancient caravan routes“ von Sara Lado, Jean Pierre Elbers, Angela Doskocil, Davide Scaglione, Emiliano Trucchi, Mohammad Hossein Banabazi, Faisal Almathen, Naruya Saitou, Elena Ciani und Pamela Anna Burger wurde in Nature Communications Biology veröffentlicht.



Weitere Meldungen

Cover der aktuellen Ausgabe von 'Genes'

Temperaturschwankungen beeinflussen Verbreitung der Balkan-Springnatter

Die Anpassung an sich verändernde Umgebungen ist im Zeitalter des „Anthropozäns“ eine wachsende Herausforderung und Tierarten- und populationen die sich rasch an neuartige Formen von Selektionsdruck anpassen können, überleben mit größerer Wahrscheinlichkeit
Weiterlesen

Dromedare in Indien; Bildquelle: Pamela Burger/Vetmeduni Vienna

Genom von Haus- und Nutztieren: Was Kamele so besonders macht

Bei der Domestizierung von Kamelen wurde ein Sonderweg beschritten: Wie die meisten anderen Haus- und Nutztierarten wurden zwar auch die Kamele der Alten Welt in Richtung Zahmheit gezüchtet
Weiterlesen

Kamele wurden seit jeher als Transportmittel genutzt; Bildquelle: Raziq Kakar

Ursprung der heutigen Dromedare entdeckt

Einhöckrige Dromedare wurden über 3.000 Jahre als Transportmittel genutzt. Bisher war unbekannt, in welcher Region der Mensch Dromedare domestizierte und welches Erbgut sich dabei durchsetzte
Weiterlesen

Kamel 'Mozart' (Camelus bactrianus); Bildquelle: Thomas Lipp

Genom des Kamels entschlüsselt

Die Blutprobe eines einzelnen Kamels mit dem klingenden Namen „Mozart“ lieferte das genetische Ausgangsmaterial für die Forschung von Pamela Burger vom Institut für Populationsgenetik der Vetmeduni Vienna
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen