Clubzwang für springende Gene

(25.09.2017) Springende Gene, Transposons, sind Teil des Erbgutes der meisten Lebewesen und werden in Familien zusammengefasst. Durch das Springen verändern sie ihren Platz im Erbgut und können Schaden im Genom anrichten.

Um das Springen zu unterdrücken, haben die Wirte der Transposons Strategien entwickelt, die sehr gut untersucht sind. Bisher war aber kaum verstanden, warum Transposons dennoch springen können.

Das wurde nun von Forschenden der Vetmeduni Vienna zum ersten Mal für alle Transposons im Wirtsorganismus untersucht wurde.

Bei unterschiedlichen Fruchtfliegenpopulationen hat sich gezeigt, dass springende Gene im Familienverband und durch Wirtsfaktoren den Platz wechseln.; Bildquelle: Martin Kapun
Bei unterschiedlichen Fruchtfliegenpopulationen hat sich gezeigt, dass springende Gene im Familienverband und durch Wirtsfaktoren den Platz wechseln.

Die in Molecular Ecology veröffentlichte Studie beweist, dass die Familienzugehörigkeit von Transposons viel wichtiger ist als ihre Lage im Chromosom des Wirtes.

Das Erbgut eines typischen Organismus besteht aus vielen Genen, die wie an einer Perlenschnur hintereinander gereiht sind. Diese Anordnung ist auch über sehr lange evolutionäre Zeiträume erstaunlich stabil.

Zusätzlich zu diesen Genen findet man auch viele als parasitär bezeichnete mobile Elemente, die über das gesamte Genom verteilt sind und je nach Verwandtschaft in verschiedene Familien unterteilt werden.

Diese springenden Gene, die Transposons, können ihren Platz beliebig ändern, daher ist ihre Position nicht evolutionär konserviert. Bei einem Positionswechsel können sie etwa direkt in funktionelle Gene springen, was deren Funktion verändert oder sie auch komplett stillgelegt. Die Wirtsorganismen haben daher gelernt, das Springen zu kontrollieren und zu reduzieren.

Trotz aller Schutzmaßnahmen kann es in Stresssituationen zu einer massiven Mobilisierung von Transposonfamilien kommen. Dazu müssen sie spezifische Werkzeuge bereitstellen (RNAs).

Doch auf welcher Information beruht die Entscheidung, diese Werkzeuge herzustellen? Forschende vom Institut für Populationsgenetik der Vetmeduni Vienna zeigten nun erstmals, dass jede Transposonfamilie die Signale in der Zelle anders interpretiert und verschiedene Strategien benutzt, um zu entscheiden, wann die Werkzeuge zum Springen im Genom aktiviert werden.

Springende Gene sind Parasiten

Auch wenn der Anteil an Transposonsequenzen im Erbgut von Organismen mitunter hoch ist – beim Menschen immerhin etwa 45 Prozent –, haben sie einen schlechten Ruf. Ihr sprunghaftes Verhalten schädigt zumeist die Genomstruktur.

Die unkontrollierte Verbreitung würde zum Absterben von Zellen führen. Der Forschungsfokus lag deshalb auf den Strategien, mit denen Organismen dieses Springen unterbinden.

Trotz dieser Schutzmechanismen springen Transposons unter bestimmten Umwelteinflüssen oder Stressfaktoren.

Diese Beobachtung zeigt, dass die Transposons über Mechanismen verfügen müssen, um diese Kontrolle zu umgehen. Für das Springen benötigen Transposons passende Werkzeuge.

Die Regulierung der Herstellung dieser Werkzeuge ist aber noch nicht verstanden und wurde bisher noch nicht für alle Transposonfamilien untersucht.

Die Studie von Ana Marija Jakšić untersuchte deshalb mit einer genomweiten Analyse, wie sich Transposons auf das Springen vorbereiten. Dazu setzten die Forscher zwei unterschiedliche Fruchtfliegenpopulationen verschiedenen Temperaturen aus.

Dann entschlüsselten sie mit der „Next Generation“-Sequenziermethode die Sequenzen der springenden Gene. Sie konnten zeigen, dass nahezu alle Familien Werkzeuge produzieren, die das Springen ermöglichen, doch das Ausmaß ist von zwei unterschiedlichen Faktoren abhängig.

„Unsere Studie zeigte, dass die Aktivität der Transposons nicht nur von ihnen selbst abhängt, sondern auch von Faktoren, die die Wirtszellen produzieren“, erklärt Jakšić.

In der Gensequenz der Transposons befindet sich eine Bindungsstelle für wirtsspezifische Faktoren, die in den Zellen das Ablesen von Genen positiv regulieren.

Somit wirken zwei Faktoren zusammen – die familienspezifische Bindungssequenz und die Wirtsfaktoren, die über die Umwelt gesteuert werden. „Da alle Mitglieder einer Familie dieselben Bindungssequenzen haben, reagieren alle über das Genom verstreute Kopien der Familienmitglieder in gleicher Weise auf Umwelteinflüsse“, so die Erstautorin.

Klubzwang für verwandte transponierbare Elemente

„Wichtig war für uns zu sehen, dass die Lage im Genom die Aktivität eines Transposons nicht stark beeinflusst“, so Letztautor Christian Schlötterer. „Da die Mitglieder einer Transposonfamilie sehr ähnlich zueinander sind, teilen sie auch die meisten Bindungsstellen.

Das bedeutet: Wenn das Signal zum Springen gegeben wird, betrifft das die ganze Familie – gewissermaßen Klubzwang.“

Die Vorbereitung auf das Springen kann wertvolle Informationen liefern, nicht nur über die Transposons selbst, sondern über die Auswirkungen eines Positionswechsels. Nicht immer ist der Einbau der springenden Gene schlecht für die Genomstruktur.

„Auch wenn Transposons aufgrund ihrer hauptsächlich mutagenen Wirkung einen schlechten Ruf haben, kann es sein, dass die neue Lage benachbarte Gene vorteilhaft beeinflusst.

So können sehr schnell funktionelle Innovationen entstehen ein sehr schönes Beispiel ist die Resistenz gegen Insektengifte in Fruchtfliegen: Durch das Springen eines Transposons wurden diese resistent gegen DDT“, so Jakšić.

Publikation

Der Artikel „Regulation of transposable elements: Interplay between TE-encoded regulatory sequences and host-specific trans-acting factors in Drosophila melanogaster“ von Ana Marija Jakšić, Robert Kofler und Christian Schlötterer wurde in Molecular Ecology veröffentlicht.
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/mec.14259/abstract



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