Streicheln und sanftes Sprechen wirken sich günstig auf das Wohlbefinden von Kühen aus

(29.10.2020) Für das Wohlbefinden von Kühen ist der richtige Umgang des Menschen mit den Tieren ein wichtiger Faktor. Streicheln und sanftes Sprechen wirken sich günstig auf die Paarhufer aus.

Wird die Sprache jedoch von einem Aufnahmegerät wiedergegeben, ist der positive Effekt geringer – das zeigt eine aktuelle Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

In Zeiten der Corona-Pandemie hat sich die zwischenmenschliche Kommunikation radikal verändert und ist stark von digitalen Tools geprägt. Viele Menschen leiden unter dem damit verbundenen Verlust von direkten Kontakten.

Die teilweise Entkopplung von Sprache und Bild bzw. Körpersprache macht diese Form der Kommunikation oft besonders anstrengend. Bei Kühen scheint es ähnlich zu sein. Aus früheren Studien ist bekannt, dass Rinder Streicheln in Kombination mit sanftem Sprechen schätzen.


Auf aufgenommene und elektronisch wiedergegebene Sprache reagieren sie jedoch weniger positiv, wie Studienerstautorin Annika Lange vom Institut für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung der Vetmeduni Vienna erklärt: „Die Ergebnisse unserer Studie deuten darauf hin, dass Streicheln in Kombination mit Live-Sprechen für Rinder entspannender ist, als ein per Lautsprecher wiedergegebener Stimmreiz.“

Dabei handelt es sich um einen Effekt, der über die Situation hinaus wirksam ist: „Die Änderungen der Herzparameter deuten auf länger anhaltende Entspannungseffekte aufgrund des Live-Sprechens hin“, so Lange.

Darüber hinaus ist auch an Verhaltensindikatoren abzulesen, ob eine Kuh entspannt ist: Gefällt ihnen das Streicheln, strecken die Kühe oft den Hals, genau wie beim gegenseitigen Lecken. Darüber hinaus gibt es laut Lange Hinweise darauf, dass die Position der Ohren eine Rolle spielt: Besonders hängende Ohren und niedrige Ohrpositionen deuten auf Entspannung hin.

Allerdings ist noch nicht eindeutig klar, wie die subtilen Unterschiede der Ohrpositionen bei Rindern genau zu interpretieren sind.

Streicheln und sanftes Reden wirken eindeutig positiv

Motiviert wurde die soeben in der renommierten Fachzeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlichte Studie durch den wissenschaftlichen Wunsch, bestehende experimentelle Verfahren zu verfeinern.

Konkret wollte das Forschungsteam um Projektleiterin Stephanie Lürzel herausfinden, ob die Standardisierung – ein Schlüsselprinzip in wissenschaftlichen Experimenten – auch für sprachliche Reize während menschlicher Interaktionen mit Tieren geeignet ist, die positive Emotionen hervorrufen sollen.

Dabei zeigte sich, dass die Interaktionen weniger positiv wirken, wenn zur Erzielung eines höheren Grades an Standardisierung ein künstliches Element eingeführt wird, wie im vorliegenden Fall die Wiedergabe eines sprachlichen Reizes durch einen Lautsprecher anstelle von Live-Sprechen.

Über den grundsätzlichen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn hinaus sind die Studienergebnisse auch für die Praxis der Tierhaltung von Relevanz. Dazu Lange: „Kurze Streicheleinheiten und freundliche Ansprache lassen sich auch in den Arbeitsalltag am Betrieb einbauen, zum Beispiel beim Melken.

Für Landwirte unterstreicht unser Experiment erneut, dass es keine Zeitverschwendung ist, wenn Rinder gestreichelt werden und mit ihnen auf sanfte Art und Weise gesprochen wird. Denn die Daten unserer Studie belegen eindeutig, dass dies einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere hat.

Die Wahrnehmung positiver Reize während der Interaktion mit Menschen spielt wahrscheinlich eine Schlüsselrolle für die emotionale Erfahrung der Tiere in der Mensch-Tier-Beziehung. Wir wissen auch, dass sich der sanfte freundliche Umgang auch positiv auf die Milchleistung und Gesundheit der Tiere auswirkt.“

Auf die Erregung folgt die Entspannung

Im Rahmen ihres Experiments verglichen die ForscherInnen die Reaktionen von 28 Färsen – das sind weibliche Rinder, die noch nicht gekalbt haben – auf das Streicheln, während ein Experimentator beruhigend sprach („Live“) oder während eine Sprachaufzeichnung des Experimentators abgespielt wurde („Wiedergabe“).

Jedes Tier wurde jeweils dreimal in der „Live“- und in der „Wiedergabe“-Situation getestet, wobei jeder Versuch drei Phasen umfasste: Vor-Stimulus, Stimulus (Streicheln und Sprechen) und Nach-Stimulus.

Interessanterweise wurde die von den WissenschaftlerInnen vorhergesagte Abnahme der Herzfrequenz während des Streichelns nicht bestätigt. Dazu Lange: „Stattdessen stieg die Herzfrequenz während des Streichelns minimal an, sank aber anschließend wieder ab, nach dem Live-Sprechen sogar unter der Ausgangswert.

In Kombination mit Unterschieden in den Herzfrequenzvariabilitäts-Parametern deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass Live-Sprechen für die Tiere angenehmer ist und eine stärkere entspannende Wirkung hat als wiedergegebene Sprachreize.“

Publikation

Der Artikel „Talking to Cows: Reactions to Different Auditory Stimuli During Gentle Human-Animal Interactions“ von Annika Lange, Lisa Bauer, Andreas Futschik, Susanne Waiblinger und Stephanie Lürzel wurde in Frontiers in Psychology veröffentlicht.


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