Tierwelt ungenügend vorbereitet auf Extremtemperaturen

(25.05.2020) Welche Folgen für das spätere Leben hat die Temperatur während des Heranwachsens von Vögeln und Säugetieren? Eine Frage, die angesichts des Klimawandels auch für uns Menschen von großer Bedeutung ist.

Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni Vienna hat nun untersucht, ob sich durch frühe klimatische Herausforderungen später im Leben Vorteile ergeben oder nicht.


Blaumeisen
Bei allen Unterschieden von Vögeln und Säugetieren – auf schwankende Temperaturen während ihrer Entwicklung im Ei oder Mutterleib bzw. bis zum Erreichen des Erwachsenenalters reagieren beide Arten ähnlich empfindlich. Denn die thermische Umgebung während des Heranwachsens kann Änderungen der thermoregulatorischen Kontrolle auslösen.

Ob dies positiv oder negativ ist, untersuchten Sylvain Giroud vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie am Department für Interdisziplinäre Lebenswissenschaften der Vetmeduni Vienna und Andreas Nord von der Lund Universität (Schweden) und nahmen dazu bereits erschienene Forschungsarbeiten unter die Lupe.

Fähigkeit zur Temperaturanpassung kann sich verbessern, aber auch verschlechtern

Bevor sich eine kompetente Endothermie entwickelt, reagieren Säugetiere und Vögel empfindlich auf Temperaturschwankungen. Auf ökologischer Ebene ist bisher nur unvollständig erforscht, wie sich solche Reaktionen später im Leben auf die Temperaturtoleranz auswirken.

Laut Giroud sind aufgrund der derzeit vorliegenden Studien keine eindeutigen Schlussfolgerungen möglich: „In einigen Fällen führen Änderungen der Temperatur vor und nach der Geburt dazu, dass Organismen in der Lage sind, sich im Erwachsenenalter besser an die thermische Umgebung anzupassen. In anderen Fällen scheint die Entwicklungstemperatur jedoch die Temperaturtoleranz später im Leben zu beschränken.“

Thermoregulation von Tieren nur unzureichend auf Extremwetter vorbereitet

Einige Studien deuten darauf hin, dass niedrige Temperaturen während der Entwicklungszeit den Einsatz energiesparender Strategien wie Hypometabolismus erhöhen und die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Normaltemperatur verbessern. Analog dazu scheint durch hohe Temperaturen während der Entwicklungszeit die Toleranz gegenüber warmen Umweltbedingungen zu steigen.

Immer häufiger auftretende extreme Wetterereignisse könnten diesem Mechanismus laut den Forschern aber einen Strich durch die Rechnung machen, da sich die Tiere im Laufe der Evolution – aufgrund mangelnder Notwendigkeit – an häufig stark schwankende Wetterbedingungen nicht oder nur unzureichend angepasst haben.

Derzeit viele Fragen offen, neue Studien dringend nötig

Laut den beiden Forschern entscheiden der Zeitpunkt, die Dauer und die Höhe der Temperatur während des Heranwachsens darüber, wann eine thermische Belastung statt zu einer verbesserten zu einer eingeschränkten Adaptionsfähigkeit an Extremtemperaturen führt.

Genaue Daten sind jedoch insbesondere für Säugetiere und für die postnatale Periode bisher kaum vorhanden. Giroud betont, dass deshalb neue Studien dringend erforderlich sind: „Das richtige Verständnis der Ontogenese und Akklimatisierungskapazität sowie der Temperaturtoleranz ist der Schlüssel zur Vorhersage, wie Individuen und Populationen auf die Herausforderung des Klimawandels und der damit verbundenen zunehmend extremen Wetterbedingungen reagieren werden.“

Publikation

Der Artikel „Lifelong effects of thermal challenges during development in birds and mammals“ von Andreas Nord und Sylvain Giroud wurde in Frontiers in Physiology veröffentlicht.



Weitere Meldungen

Wildschwein; Bildquelle: Armatus1995, CC BY-SA 4.0

Wildschweine trotzen durch Thermoregulierung dem Klimawandel

Im Laufe der Evolution haben sich Wildschweine weltweit verbreitet und werden in dieser Hinsicht nur vom Menschen und dessen Dauerbegleitern Maus und Ratte übertroffen
Weiterlesen

Gartenschläfer ; Bildquelle: Thomas Suchanek/Vetmeduni

Klimawandel und Winterschlaf: Gartenschläfer reagieren flexibel

Wie wirkt sich der Klimawandel auf Tiere aus, die Winterschlaf halten? In einer experimentellen Versuchsanordnung ging ein Forschungsteam der Veterinärmedizinischen Universität Wien dieser Frage nach
Weiterlesen

Hamster während des Torpors; Bildquelle: Arjen Strijkstra/University of Groningen

Klimawandel: Anpassungsstrategien der Tierwelt nur teilweise ausreichend

Die Welt steckt mitten im Klimawandel. Doch wie genau wirkt sich dieser auf die Tierwelt in ihren aktuellen Verbreitungsgebieten aus?
Weiterlesen

Cover der aktuellen Ausgabe von 'Genes'

Temperaturschwankungen beeinflussen Verbreitung der Balkan-Springnatter

Die Anpassung an sich verändernde Umgebungen ist im Zeitalter des „Anthropozäns“ eine wachsende Herausforderung und Tierarten- und populationen die sich rasch an neuartige Formen von Selektionsdruck anpassen können, überleben mit größerer Wahrscheinlichkeit
Weiterlesen

Regenbogenfische (Melanotaenia duboulayi); Bildquelle: KLIVV/Vetmeduni Vienna

Anpassung an den Klimawandel in Randzonen besonders schwierig

Eine soeben in der renommierten Fachzeitschrift „Molecular Ecology“ erschienene und von der Vetmeduni Vienna geleitete Studie zeigt: Tiere sind in den Randzonen ihres Verbreitungsgebiets besonders anfällig für den Klimawandel
Weiterlesen

Drosophila; Bildquelle: Markus Riedl/Vetmeduni Vienna

Klimawandel begünstigt Insektizidresistenzen

Einem Forschungsteam der Vetmeduni Vienna gelang nun der erstmalige Nachweis, dass das Auftreten von Ace-Insektizidresistenzen durch die Umgebungstemperatur signifikant beeinflusst wird
Weiterlesen

Fruchtfliegen können als Reaktion auf eine heißere Umgebung ihren Stoffwechsel komplett und evolutionär gesehen schnell umstellen; Bildquelle: PopGen/Vetmeduni Vienna

Fruchtfliegen kontern Klimawandel durch Stoffwechselumstellung

Evolutionäre Auswirkungen einer durch den Klimawandel bedingten Temperaturerhöhung sind derzeit ein „hot topic“ der Evolutionsforschung
Weiterlesen

Erdwärmetauscher schützen Nutztiere in Stallhaltung am besten vor Hitzestress; Bildquelle: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

Erdwärmetauscher schützt Nutztiere im Stall vor Klimawandel am besten

Der Klimawandel wirkt sich ohne Maßnahmen negativ auf die Schweine- und Geflügelhaltung aus. Neben dem Wohlbefinden und der Gesundheit sind auch die tierische Leistungsfähigkeit und damit die Wirtschaftlichkeit betroffen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen