Invasion der genetischen Egoisten - Transposon erobert neuen Fliegenstamm

(11.05.2015) Transposons sind sogenannte „springende Gene“. Sie können von einer Position im Genom an eine andere „springen“. Warum es Transposons überhaupt gibt, wird kontrovers diskutiert.

Forschende der Vetmeduni Vienna fanden nun heraus, dass eines der wichtigsten Transposons, das P-Element, erst kürzlich in die Fliege Drosophila simulans eingewandert ist.

In der nahe verwandten Art Drosophila melanogaster gibt es das P-Element bereits seit den 1950er-Jahren. Die Entdeckung ermöglicht nun, die Verbreitungsmechanismen der Transposons genau zu erforschen. Die Resultate wurden im Fachmagazin PNAS veröffentlicht.


Dasselbe Transposon, das seit mehr als 60 Jahren in D. melanogaster vorhanden ist, fanden Forschende nun auch in D. simulans

Transposons sind DNA-Abschnitte, die sich mit Hilfe des Enzyms Transposase aus dem Genom herausschneiden oder kopieren und an anderer Stelle wieder einbauen können.

Mit dieser Fähigkeit können sie ihrem Wirt schaden, in dem sie funktionsfähige Gene zerstören, aber auch Vorteile bringen. Evolutionsbiologisch betrachtet, bringen Transposons Abwechslung ins Genom und somit Möglichkeiten für Anpassung.

DNA mit Eigennutz

Transposons werden auch als eigennützige DNA-Parasiten bezeichnet, weil sie sich über ihre Wirte, wie etwa Menschen, Tiere, Pflanzen, aber auch Bakterien, verbreiten und so für ihr eigenes Vorankommen sorgen.

Robert Kofler vom Institut für Populationsgenetik an der Vetmeduni Vienna analysierte Fliegen aus aller Welt. Er stieß dabei auf ein Phänomen, das bisher als extrem selten galt. Kofler wies in der Fliegenart Drosophila simulans ein Transposon nach, das sogenannte P-Element. Bis vor wenigen Jahren gab es das P-Element in D. simulans noch nicht.

„Das Transposon verbreitete sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre rapide in D.simulans und ist höchstwahrscheinlich über horizontalen Gentransfer in die Fliegenart  gelangt. Zu welchem Zeitpunkt der Transfer stattgefunden hat, können wir nicht genau sagen.“, erklärt der Erstautor Kofler.

Der DNA-Abschnitt wurde also nicht vererbt sondern direkt von einem Organismus auf einen anderen übertragen. „In Drosophila melanogaster ist das vor mehr als 60 Jahren geschehen.

In 100 Jahren ist das P-Element also zweimal neu in einer anderen Art aufgetaucht. Das lässt vermuten, dass sich die Verbreitung der Transposons über die Artgrenzen hinweg schneller vollzieht, als bisher gedacht.“

Ein Transposon erobert die Welt

Obwohl die Forschenden das P-Element sowohl in südafrikanischen als auch in US-amerikanischen D. simulans-Fliegen fanden, gehen sie von einem einzigen Übertragungsereignis aus. Die südafrikanischen Fliegen wiesen im Schnitt deutlich mehr P-Elemente im Genom auf als die aus Florida stammenden.

"Dies deutet darauf hin, dass sich die 2010 in Florida gesammelten Fliegen in einer frühen Phase nach dem Übertragungsevent befanden. Die Proben aus Südafrika stammen aus dem Jahr 2012. Das P-Element hat sich innerhalb dieser zwei Jahre deutlich vervielfacht“, so Kofler.

Kreativer Faktor im Genom

Institutsleiter Christian Schlötterer und sein Team betreiben in ihrem Labor Evolution in Höchstgeschwindigkeit. Sie setzen Fruchtfliegen extremen Bedingungen aus wie etwa starker Hitze, Kälte oder UV-Strahlung und sequenzieren vor und nach der Reizeinwirkung die Genome der Fliegen.

Dieser Evolve&Resequence-Ansatz erlaubt es, Gene herauszufiltern, die sich verändert haben. Unter diesen Bedingungen wollen die Forschenden nun untersuchen, wie sich das P-Element über viele Generationen hinweg verhält.

„Die Entdeckung des P-Elements in Drosophila simulans bietet uns die einzigartige Möglichkeit zu untersuchen, wie und wovon Transposons eigentlich reguliert werden und wie sie überleben. Wir können die Evolution im Labor beschleunigen und so diese und andere Fragen beantworten“, erklärt Institutsleiter Christian Schlötterer.



Weitere Meldungen

Veterinärmedizinische Universität Wien

Mütterliche Fürsorge ist unabhängig vom genetischen Profil des Partners

Die Gene beeinflussen die Partnerwahl vor der Paarung entscheidend. Allerdings beeinflussen diese nicht, wie viel ein Weibchen nach der Befruchtung in ihre Nachkommen investiert
Weiterlesen

Vetmeduni Vienna

Schnelle geschlechtsspezifische Anpassung an hohe Temperaturen bei Drosophila

Männer und Frauen unterscheiden sich in vielen Merkmalen – so auch bei Fruchtfliegen. Ein Team der Vetmeduni Vienna hat gezeigt, dass diese Unterschiede wichtig für Anpassungen an neue Umweltbedingungen sein können
Weiterlesen

Fast alle modernen, europäischen Hengste haben einen orientalischen Stammvater; Bildquelle: Spanische Hofreitschule

Orientalische Vorfahren:Genetischer Stammbaum europäischer Zuchthengste entschlüsselt

Männliche Tiere vererben ihr Y-Chromosom beinahe unverändert an ihre Söhne weiter. Das ermöglicht die Rekonstruktion der männlichen Abstammungslinie
Weiterlesen

Genetik der Stute beeinflusst Trächtigkeit und Geschlecht der Nachkommen

Genetik der Stute beeinflusst Trächtigkeit und Geschlecht der Nachkommen

Üblicherweise sind es in der Pferdezucht die Hengste, die eine Zuchtlinie begründen. In manchen Fällen sind es aber auch die Stutenlinien, die bei der Zucht die übergeordnete Rolle spielen
Weiterlesen

Im Labor leben die Fruchtfliegen in kleinen Glasgefäßen; Bildquelle: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

Umwelteinflüsse steuern Genexpression

Das Erscheinungsbild von Organismen wird durch das Zusammenspiel von Umweltfaktoren und Genetik geprägt. PopulationsgenetikerInnen an der Vetmeduni Vienna zeigen in einer aktuellen Studie, dass sich Fruchtfliegen bei einer bestimmten Temperatur in einer Art genetischer Komfortzone befinden
Weiterlesen

Christian Schlötterer ; Bildquelle: Michael Bernkopf / Vetmeduni Vienna

Highspeed-Evolution im Labor – GenetikerInnen evaluieren kostengünstige Genomanalyse

Christian Schlötterer und sein Team vom Institut für Populationsgenetik an der Vetmeduni Vienna erforschen die Genome gesamter Populationen. Die Forschenden wollen wissen, warum sich Individuen voneinander unterscheiden und was diese Unterschiede bewirken
Weiterlesen

Weißbüscheläffchen ; Bildquelle: Hans Novak/Haus des Meeres

Erforschung des Kleinwuchses und von Zwillingsgeburten: Genom der Weißbüschelaffen sequenziert

In einer aktuellen Studie im renommierten Journal Nature Genetics sequenzierte und analysierte ein internationales Forschungsteam, darunter die Bioinformatikerin Carolin Kosiol von der Vetmeduni Vienna, das gesamte Genom des Weißbüschelaffen
Weiterlesen

Die Fruchtfliege Drosophila diente den Forschenden als genetisches Studienobjekt; Bildquelle: Markus Riedl/Vetmeduni Vienna

Spontanes Entstehen und Verschwinden von Genen

Gene werden nicht nur von Generation zu Generation vererbt, es entstehen auch regelmäßig neue Gene. Ihre Anzahl im Organismus müsste also stetig ansteigen. Das ist jedoch nicht der Fall
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen