Theorien über Ursprung der Pferde auf den Kopf gestellt

(22.02.2018) Bislang galten die vor über 5000 Jahren von der Botai-Kultur gehaltenen Pferde als Ursprung unserer heutigen, domestizierten Tiere und das Przewalski-Pferd als die einzige Unterart des Wildpferdes, die in der Wildform bis heute überlebt hat.

Eine in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Analyse fossiler DNA der Botai-Pferde stellt nun beide Aussagen auf den Kopf. Botai-Pferde sind nicht die Vorfahren der modernen, domestizierten Pferde, sondern der Przewalski-Pferde.

Diese sind laut der Ergebnisse auch die einzigen Nachfahren der ersten vom Menschen domestizierten Pferde. Damit muss auch für die Erforschung der Herkunft moderner Pferde ein neuer Ansatz gefunden werden.


Die ersten domestizierten Pferde sind nicht die Vorfahren der modernen, sondern der Przewalski-Pferde

Die Domestikation, sprich die Nutzbarmachung und Haltung der Pferde war ein Schlüsselmoment in der menschlichen Geschichte. Sie brachte die für die Expansion des Menschen notwendige Mobilität.

Das Wissen über die Frühphase der Pferde-Domestikation basiert auf archäologischen Funden in Zentralasien. Diese datieren etwa 5500 Jahre zurück und zeigen eindeutig, dass die Menschen der sogenannten Botai-Kultur Pferde als Reit- und Lastentiere sowie Nahrungsressource hielten.

Die Botai-Pferde galten in Fachkreisen bislang nicht alleine als erste, sondern als der Ursprung aller bis heute domestizierten Pferde.

Eine internationale Forschungsgemeinschaft, zu der auch Barbara Wallner und Gottfired Brem vom Institut für Tierzucht und Genetik der Vetmeduni Vienna zählten, überprüfte diese Annahme nun mittels Genomsequenzierung fossiler DNA-Proben und kam zu einem unerwarteten, aber sensationellen Ergebnis.

Statt neuer Erkenntnisse oder der Bestätigung dieser Theorie muss sich nun nicht nur die wissenschaftliche Sichtweise in diesem Punkt, sondern auch bei dem als letzten Wildpferd bekannten Przewalski-Pferd grundlegend ändern.

Analyse fossiler Pferde-DNA widerlegt fachlich anerkannte Theorien

„Man wird im Genom moderner Pferde keine Hinweise auf den Verlauf der Domestikation finden, da sich das Erbgut durch unterschiedliche Zuchtstrategien zu stark verändert hat“, erklärt Studienleiter Ludovic Orlando.

Rückschlüsse müssen daher aus den DNA-Spuren fossiler Pferdefunde gezogen werden.

Die Sequenzierung dieser Spuren kommt einer genetischen Zeitreise gleich um die biologischen Veränderungen, die die Domestikation verursacht hat, vom Startpunkt weg zu verstehen.

Da bei den Botai-Pferden der Ursprung der Domestikation gesehen wird, war es naheliegend ihre Genomsequenz für diese Fragestellung zu charakterisieren.

Wären die Ergebnisse dieser Zeitreise schon an sich eine wertvolle und spektakuläre Erkenntnis, so war das letztendliche Resultat eine wissenschaftliche Sensation.

Entgegen aller bisherigen Modelle und Theorien, zeigte die Sequenzierergebnisse, dass die Pferde der Botai-Kultur nicht die „Ahntiere“ der modernen domestizierten Pferde sind.

Dafür sind sie die Vorfahren der letzten, lebenden Wildpferdeart der Erde, der Przewalski Pferde. Das Ergebnis stellt somit alle Annahmen rund um die Domestikation und des Pferdes auf den Kopf.

Nicht die heutigen, sondern Przewalski-Pferde sind Nachkommen der Botai-Pferde

„Laut unseren Ergebnissen scheinen die Przewalski Pferde wilde Abkömmlinge der ersten domestizierten Pferde zu sein. Das stellt natürlich ihre bisherige Bezeichnung als die letzten lebenden Wildpferde in Frage.

Die Tiere müssen stattdessen dem Druck der Menschen entkommen und über die Jahrtausende verwildert sein“, so Orlando. Auf die Schutzmaßnahmen für diese Tiere sollte sich das jedoch nicht auswirken. „Bislang haben wir sie als die letzten Wildpferde der Erde geschützt. Nun gilt es sie als die nahesten Verwandten der ersten, domestizierten Pferde zu schützen“, sagt Orlando.

Dass die Botai-Pferde auch die Vorfahren der heutigen domestizierten Pferde sein könnten, ist laut den Sequenzierdaten und Analysen des Forschungsteams unmöglich.

Keine einzige der Eurasischen Pferderassen der letzten vier- oder fünftausend Jahre ist mit den Botaipferden nahe verwandt. Muster in der mitochondrialen DNA der Pferdeproben lassen jedoch darauf schließen, dass es vor 4000 Jahren zu einer Expansion der Pferdepopulationen kam. Damit könnten die Menschen damals auf andere Pferdtypen gestoßen sein, die vielleicht besser geeignet waren, um sie für ihren Nutzen weiter zu entwickeln.

Ursprung der Domestikation zukünftig an anderen Orten erforschen

Für die Forschenden stellt sich dadurch die Frage, ob man bei der Suche nach den ersten Vorfahren der heutigen Pferde nicht auf einen Gebietswechsel setzen sollte. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Domestikationsfrage mit den archäologischen Funden im Zentralasiatischen nicht gelöst werden konnte.

Daher richtet das Team nun sein Augenmerk auf andere, geeignete Orte, auch im Eurasischen und Zentraleuropäischen Raum, an denen sich vor etwa 3000 Jahren der Mensch im größeren Rahmen ausgebreitet hat.

Erste weiterführende Sequenzierungen des Erbgutes des in der menschlichen Expansion möglicherweise bevorzugten Pferdetyps stammen dazu aus Ungarn und Rumänien. Das nun veröffentlichte Ergebnis der Analyse fossiler DNA-Spuren unterstreicht wiederum, wie man mit fossilen Daten wichtige evolutionäre Fragen beantworten kann.

Publikation

Der Artikel Ancient genomes revisit the ancestry of domestic and Przewalski’s horses von Charleen Gaunitz et al. wurde am 22.2.2018 in Science veröffentlicht.


Weitere Meldungen

Przewalski-Pferde im Hustai Nationalpark.; Bildquelle: Dorj Usukhjargal

Bestand der Przewalski-Pferde nicht durch Inzucht gefährdet

Senckenberg-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der Bestand des Przewalski-Pferds nicht durch Inzucht gefährdet ist. Genetische Untersuchungen zeigen, dass die seit 1992 ausgewilderten Wildpferde trotz des kleinen Zuchtbestandes keine verringerte genetische Variabilität aufweisen
Weiterlesen

Deutsche Wildtier Stiftung; Bildquelle: Martina Burnik Sturm/Vetmeduni Vienna

Ernährungs-Shift bei wieder angesiedelten Przewalski-Pferden hat gesellschaftliche Ursachen

Pferde fressen am liebsten Gras. Das gilt für Hauspferde genauso wie für Wildpferde in der Wüste Gobi
Weiterlesen

Przewalski-Stute im Zoo Salzburg; Bildquelle: Zoo Salzburg

Przewalski-Stuten aus dem Zoo Salzburg übersiedeln nach Belgien

Am 2. März 2017 traten die Salzburger Przewalski-Pferde ihre Reise in den belgischen Wildtierpark Domäne der Grotten von Han an
Weiterlesen

Die ausgewilderten Przewalski-Pferde in der Wüste Gobi fressen genauso wie die mit ihnen verwandten Hauspferde das ganze Jahr über Gras; Bildquelle: Martina Burnik Šturm/Vetmeduni Vienna

Schweifhaare geben Auskunft über Nahrungswahl von drei Pferdearten in der Wüste Gobi

Das erfolgreich in der Wüste Gobi ausgewilderte Przewalski-Wildpferd teilt sich seine Weidegründe mit Wildeseln und freilaufenden Hauspferden
Weiterlesen

Przewalski-Pferde; Bildquelle: Ludovic Orlando

After 100 Years in Captivity, a Look at the World’s Last Truly Wild Horses

For the first time, an international team of researchers has sequenced the complete genomes of eleven Przewalski’s horses, including all of the founding lineages and five historical, museum specimens dating back more than a century
Weiterlesen

Przewalski-Pferde werden in ihrer neuen Heimat, der Wüste Gobi, freigelassen; Bildquelle: Vetmeduni Vienna/Petra Kaczensky

20 Jahre Wiederansiedlung der Przewalski-Pferde

Zum Jubiläum findet vom 18. bis 22. September 2012 die "1. International Wild Equid Conference" an der Vetmeduni Vienna statt
Weiterlesen

Przewalski-Pferde; Bildquelle: Chris Walzer

Wenn der Winter über die Stränge schlägt: Lokales Sterben von mongolischen Wildpferden

In der Wüste Gobi sind die Winter in der Regel lang und sehr kalt, aber der Winter 2009/2010 war besonders hart. Auf eine Sommerdürre folgte ein extrem kalter und schneereicher Winter, ein Phänomen dass von den Mongolen gefürchtet und als Dzud bezeichnet wird
Weiterlesen

Wundertier Wildpferd: erstaunliche Fähigkeiten der Ahnen unserer Hauspferde; Bildquelle: VUW/Arnold

Wundertier Wildpferd: erstaunliche Fähigkeiten der Ahnen unserer Hauspferde

Strenge Winter und kaum Futter? Przewalski-Wildpferde lösen dieses existentielle Problem durch eine erhebliche Reduktion ihres Energiebedarfes in der kalten Jahreszeit
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen