Anwendung der Kaskadenregelung in der Tiermedizin: Rückblick auf das EMA/FVE-Webinar
Am 16. Jänner 2025 fand das von der European Medicines Agency (EMA) und der Federation of Veterinarians of Europe (FVE) organisierte Webinar zum Thema „Veterinary Prescription: Conditions for Using Certain Antimicrobials Under the Cascade“ statt.
Hierbei wurde die komplexe Kaskadenregelung sowie ihre Anwendung und Einschränkungen im veterinärmedizinischen Alltag beleuchtet.
FVE-Präsident Piotr Kwiencinski führte in das Thema ein, indem er auf die Herausforderungen bei der Zulassung veterinärmedizinischer Arzneimittel hinwies.
Aufgrund der Vielzahl von Tierarten und der geringen wirtschaftlichen Rentabilität entwickeln Pharmaunternehmen häufig keine spezifischen Präparate für kleinere oder seltene Tierarten wie Enten, Kaninchen oder Fische. Dies führt dazu, dass Tierärzte oft auf nicht speziell zugelassene Medikamente zurückgreifen müssen.
Die Kaskadenregelung schafft hier Abhilfe, indem sie unter bestimmten Bedingungen die Anwendung von Alternativen erlaubt. Während die neue EU-Arzneimittelgesetzgebung mehr Flexibilität bietet, erhöht sie zugleich die Komplexität bei der praktischen Umsetzung.
Die Verordnung (EU) 2024/1973, die am 8. August 2026 in Kraft tritt, wird die Rahmenbedingungen weiter spezifizieren.
Was ist die Kaskade?
Professor Rory Breathnach erklärte die rechtlichen Grundlagen der Kaskadenregelung, die in der Verordnung (EU) 2019/6 verankert sind. Diese regelt, wie Tierärzte vorgehen können, wenn für eine bestimmte Indikation oder Tierart kein zugelassenes Arzneimittel verfügbar ist.
Die Kaskade sieht eine schrittweise Vorgehensweise vor:
- EU-zugelassene Tierarzneimittel : Vorrangig sind Arzneimittel zu verwenden, die für dieselbe oder eine andere Tierart bzw. Indikation in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen sind.
- Humanarzneimittel : Wenn keine geeigneten Tierarzneimittel verfügbar sind, dürfen Humanarzneimittel verwendet werden, auch wenn sie nicht speziell für die Tierart zugelassen sind.
- Extemporane Zubereitungen : Falls keine Alternativen verfügbar sind, können extemporane Arzneimittel angefertigt werden.
- Arzneimittel aus Drittländern : Als letzte Option können Tierarzneimittel aus Nicht-EU-Ländern eingesetzt werden. Länder wie Norwegen, Island und Liechtenstein gelten hierbei nicht als Drittländer.
Diese Flexibilität ist jedoch strikt geregelt. Wenn ein zugelassenes Präparat existiert, darf nicht auf eine Alternative ausgewichen werden, nur weil das Präparat beispielsweise schwer erhältlich oder weniger bevorzugt ist.

Anpassungen von Dosierung und Behandlungsdauer sind nur dann zulässig, wenn keine zugelassene Indikation vorliegt und alle Voraussetzungen der Kaskade erfüllt werden.
Spezielle Anforderungen bei lebensmittelliefernden Tieren
Ein besonderer Fokus des Webinars lag auf den zusätzlichen Anforderungen bei der Behandlung lebensmittelliefernder Tiere.

Hier gelten strengere Auflagen, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten:
- Reservierte antimikrobielle Substanzen : Laut Verordnung (EU) 2022/1255 dürfen bestimmte für die Humanmedizin reservierte antimikrobielle Wirkstoffe nicht verwendet werden.
- Rückstandshöchstgehalte (MRL) : Arzneimittel ohne festgelegten MRL dürfen bei lebensmittelliefernden Tieren nicht angewendet werden. Tierärzte sind dazu verpflichtet, den MRL-Status eines Wirkstoffs vor der Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren zu prüfen.
- Absetzfristen : Bei der Verschreibung eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels gilt die Absetzfrist aus der Packungsbeilage. Falls keine angegeben ist, muss der Tierarzt eine Frist festlegen, die mindestens 50 % über der gesetzlichen Mindestdauer liegt.
Umgang mit antimikrobiellen Resistenzen (AMR)
Die potenzielle Entwicklung antimikrobieller Resistenzen (AMR) war ein zentraler Aspekt des Vortrags. Professor Breathnach erläuterte die umfangreichen wissenschaftlichen und regulatorischen Kriterien, die bei der Entwicklung der Kaskadenregelung berücksichtigt wurden. Zu diesen Kriterien gehören:
- Risiken für Tier- und öffentliche Gesundheit : Einschließlich der potenziellen Entwicklung von Resistenzen.
- Verfügbarkeit alternativer Behandlungen : Sowohl für Tiere als auch für Menschen.
- Auswirkungen auf Landwirtschaft und Aquakultur : Besonders im Falle von unbehandelten Erkrankungen.
Die Entwicklung der Kaskadenregelung war ein zeitintensiver Prozess, der auf breiter Datenbasis erfolgte. Berücksichtigt wurden unter anderem wissenschaftliche Studien, Empfehlungen von Experten, Umfragen unter Tierärzten sowie Überwachungsdaten.
Ein besonderes Augenmerk lag auf Pathogenidentifikation und Empfindlichkeitstests, die essenziell sind, um die Entwicklung von Resistenzen zu minimieren.
Professor Breathnach betonte, dass die aktuellen Empfehlungen auf dem neuesten Stand der Wissenschaft basieren, jedoch bei neuen Erkenntnissen überarbeitet werden können. Tierärzte tragen die Verantwortung, die Vorgaben der Kaskadenregelung korrekt anzuwenden, um die Sicherheit von Tieren, Menschen und Lebensmitteln zu gewährleisten.
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