Bienen zählen mit KI – Wie hängen Populationsgröße und Umwelteinflüsse zusammen?

(24.06.2022) Bienen sind wichtige Bestäuber für Nutz- und Wildpflanzen. Imker und Forschende konnten ihre Populationsgröße im Stock bisher jedoch nur schätzen.

Um Bienen mit möglichst hoher Genauigkeit zu zählen und die Daten mit Umwelteinflüssen abzugleichen, entwickelten HM-Forschende ein kamerabasiertes KI-System zum Bienenzählen, das sie am Stock des privaten Imkers Matthias Wick in Baldham erproben.

Wie viele Bienen verlassen täglich den Stock und wie viele Insekten kehren nach Erkundungs- oder Sammeltätigkeit wieder zurück? Die Aktivitäten oder Verluste in Bienenvölkern mit bis zu 50.000 Bienen konnten Imker bisher nur qualitativ schätzen.

Bienen zählen mit KI: HM-Masterand Lorin Arndt montiert den Vorbau am Bienenstock von Matthias Wick, Hobbyimker in Baldham; Bildquelle: Johannes Lesser
Bienen zählen mit KI: HM-Masterand Lorin Arndt montiert den Vorbau am Bienenstock von Matthias Wick, Hobbyimker in Baldham

Belastbare Daten zu den Populationen ihrer Bienenstöcke wären für die Imker jedoch essenziell. Bisher mangelt es an Methoden, die belastbare Ergebnisse liefern könnten, um Bienenaktivitäten oder -verluste mit Umweltdaten wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Windgeschwindigkeiten in Korrelation zu setzen.

Qualitative Einschätzungen mit Messungen abgleichen

Matthias Wick, privater Imker in Baldham bei München, initiierte deshalb mit der Hochschule München (HM) das Projekt „Environment and Bee Monitor“ (EnBeeMo).

Gemeinsam entwickelten sie einen Vorbau für Bienenstöcke, der die Bienen mithilfe KI zählt, ohne sie in ihrem natürlichen Verhalten zu beeinflussen.

„Es ist extrem spannend, subjektive Wahrnehmungen mit Ergebnissen modernster Messtechnik abzugleichen. Fragen, die nach persönlichen Beobachtungen offenblieben, können nun im Idealfall geklärt werden. Ich hoffe, durch das Projekt die unterschiedlichen Standortbedingungen meiner Bienenvölker noch besser einschätzen zu lernen, um gezielter auf deren Bedürfnisse eingehen zu können“, sagt Imker Wick.

Projekt EnBeeMo: Bienenzählen mit KI

Wissenschaftlich treibt Prof. Dr. Herbert Palm, Leiter des Masterstudiengangs Systems Engineering sowie des gleichnamigen Labors, das Projekt EnBeeMo voran. Ziel ist es, die Volkszählung von Bienen gemeinsam mit den beiden Masteranden Lorin Arndt und Benjamin Eibl auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen.

Das setzt interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus, denn bisher entwickelte Systeme scheiterten vorrangig an zwei Aspekten: Entweder waren sie nicht hinreichend genau, oder sie selbst beeinflussten das natürliche Verhalten der Bienen.

„In EnBeeMo wollen wir statistisch belastbare Korrelationen von Bienenpopulationen und ihren Umwelteinflüssen herstellen – in einem ersten Schritt den natürlichen und in einem späteren Forschungsstadium den von Menschen gemachten“, sagt HM-Professor Palm.

Prototyp-Entwicklung: Kamera-Vorsatz, der Bienen mit KI zählt

In der Erprobungsphase 2021 wurde mit dem Vorsatz „EnBeeMo v1“ Bildmaterial von Bienen gesammelt und darauf die Bienen mittels sogenannter “Labels” markiert.

Mit diesem Material trainierte Arndt im Anschluss den Algorithmus, sodass das System nun automatisiert Bienen erkennen kann. Im Verlauf des Projekts wurde von dem HM-Masteranden neben der Hardware auch die Effektivität der KI verbessert.

Im Anschluss entwickelte HM-Masterand Benjamin Eibl inzwischen den zweiten Prototyp „EnBeeMo v2“, welcher zusätzlich autark – ohne Anbindung an das lokale Stromnetz – funktioniert.

Der Vorbau wird vor dem Bienenstock angebracht und erfasst ein- und ausfliegende Bienen mithilfe einer Kamera und zählt diese wieder mit einem lernenden System. Eine zusätzliche Infrarotbeleuchtung trägt zu einem homogen ausgeleuchteten und scharfen Kamerabild bei. Im Vergleich zu ähnlichen kamerabasierten Systemen beeinflusst das Licht im Infrarotbereich das natürliche Verhalten der Bienen nicht, da sie dieses nicht wahrnehmen.

Korrelationen zwischen Bienenverhalten und Umweltdaten herstellen

Bereits seit dem Frühjahr 2021 beobachten die beiden Prototypen, der zweite seit April 2022, jeweils ein Bienenvolk von Imker Wick in Baldham. In der Zusammenschau der Ergebnisse mit den konkreten Umweltdaten vor Ort wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind- und Böengeschwindigkeit soll überprüft werden, ob sich Zusammenhänge zwischen Bienenzahl und Umweltfaktoren ergeben.

Künftig soll es auf diese Weise möglich sein, fundiert Zählungen vorzunehmen, die Standortfaktoren konkreter Bienenstöcke zu bewerten und Zusammenhänge zwischen beiden zu erkennen.



Weitere Meldungen

Dr. Vincent Doublet, Biologe und Erstautor der Studie; Bildquelle: Daniela Stang

Varroamilben schaden Honigbienen doppelt: parasitische Milben begünstigen die Verbreitung opportunistischer Viren

Die Varroamilbe schädigt Honigbienen nicht nur durch ihr Parasitentum, sondern auch, weil Varroa-infizierte Bienenvölker eine höhere Belastung mit schädlichen Viren aufweisen als nicht-infizierte Völker
Weiterlesen

Die Interaktion von Hummeln mit Blüten wird deutlich effizienter, wenn die Blüten gemustert sind. Links ein Männchen der hellen Erdhummel, rechts eine Arbeiterin der dunklen Erdhummel.; Bildquelle: Anna Stöckl und Johannes Spaethe/Universität Würzburg

Blütenmuster machen Hummeln effizienter

Die Suche nach Nektar kostet Insekten viel Energie, sie müssen also möglichst effizient vorgehen. Bunte Muster auf den Blütenblättern helfen dabei kräftig mit
Weiterlesen

Bienen

FASTest Bee 3T: Wiener Forscher:innen entwickeln ersten Schnelltest zum Nachweis von Bienenviren

Forscher:innen des Instituts für Virologie an der Vetmeduni Vienna entwickelten in Kooperation mit der Firma Megacor einen Schnelltest für den Nachweis von drei wichtigen Viruserkrankungen von Honigbienen
Weiterlesen

Querschnitt eines Nestes der Apis mellifera (Europäische Honigbiene / Westliche Honigbiene).; Bildquelle: Michael L Smith

Architektonische Meisterwerke von Honigbienen und Wespen

Obwohl die Evolution Honigbienen und soziale Wespen vor 179 Millionen Jahren getrennt hat, entwickelten beide Arten eine ähnliche Lösung für den Nestbau.
Weiterlesen

Platterbsen-Mörtelbiene; Bildquelle: Björn von Reumont

Erbgutanalyse beleuchtet Herkunft des Bienengifts

Bienen, Wespen und Ameisen gehören zur Gruppe der Hautflügler und injizieren bei einem Stich einen ganzen Cocktail an Giftkomponenten. Trotz ihrer immensen ökologischen und ökonomischen Bedeutung war bislang wenig über die Herkunft ihres Gifts bekannt
Weiterlesen

Varroamilbe in einer offene Brutzelle; Bildquelle: Lina Sprau/Universität Hohenheim

Ungewöhnlich hohe Population von Varroa-Milben in Baden-Württemberg

Bienenkundler warnen: Hohes Risiko von Winterverlusten bei Honigbienenvölkern
Weiterlesen

Honigbienen

Ganz und gar nicht faul: männliche Honigbienen (Drohnen)

In einer kürzlich in der Zeitschrift Animal Behaviour veröffentlichten Studie zeigten Forschenden, dass männliche Honigbienen (Drohnen) zeitweise die aktivsten Mitglieder des Bienenvolkes sind
Weiterlesen

Bienen

Wie das Geschlecht der Bienen festgelegt wird

Ein Forschungsteam der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) aus Biologen und Chemikern hat nun ein Schlüsselgen gefunden und den molekularen Mechanismus, der mit dem Gen verbunden ist
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen