Ausgestorbene Riesenschildkröte hatte fast 3 Meter langen Panzer mit Hörnern

(25.02.2020) Paläobiologen der Universität Zürich haben in Venezuela und Kolumbien Überreste einer ausgestorbenen Süsswasser-Schildkröte entdeckt. Das Reptil namens Stupendemys geographicus ist die grösste bekannte Schildkrötenart.

Ihr Panzer ist 2,4 bis fast 3 Meter lang. Zudem hatte die Panzerschale der Männchen Hörner – eine Seltenheit bei Schildkröten.

Der tropische Norden Südamerikas ist einer der weltweiten Artenvielfalt-Hotspots. Wie Fossilien von Riesennagetieren und Krokodyliern – dazu zählen Krokodile, Alligatoren, Kaimane und Gaviale – belegen, waren die ausgestorbenen Tierarten einzigartig für die Region.


Der venezolanische Paläontologe Rodolfo Sánchez neben dem Panzer eines Stupendemys geographicus Männchens, gefunden in 8 Millionen Jahre alten Ablagerungen in Venezuela.

Das heutige Wüstengebiet Venezuelas war vor 5–10 Millionen Jahren ein feuchtes, sumpfiges Gebiet voller Leben. Einer der damaligen Bewohner war die Schildkrötenart Stupendemys geographicus, die erstmals Mitte der 70er-Jahre beschrieben wurde.

100 Mal schwerer als ihr nächster Verwandter

Forschende der Universität Zürich (UZH) und aus Kolumbien, Venezuela und Brasilien berichten nun von aussergewöhnlichen Fossilienfunden der ausgestorbenen Schildkröte, die sie an neuen Orten in Venezuela und Kolumbien gefunden haben. «Der Panzer der Stupendemys erreichte bei einigen Individuen eine Länge von fast 3 Metern.

Sie ist damit eine der grössten, wenn nicht sogar die grösste Schildkröte, die es je gab», sagt Marcelo Sánchez, Direktor des Paläontologischen Instituts und Museums der UZH. Die Schildkröte hatte ein geschätztes Körpergewicht von mehr als einer Tonne – fast das Hundertfache von jenem ihrer nächsten lebenden Verwandten: die im Amazonas lebende Grosskopf-Schienenschildkröte.

Männchen trugen Hörner am Panzer

Bei einigen Individuen zeigte der komplette Panzer ein eigenartiges und unerwartetes Merkmal: Hörner. «Die beiden Panzertypen zeigen, dass es bei Stupendemys zwei Geschlechter gab: Männchen mit gehörnten und Weibchen mit hornlosen Panzern», sagt Sánchez.

Es handelt sich um das erste Beispiel bei den sogenannten Halswender-Schildkröten, bei dem sich männliche und weibliche Individuen anhand der Hörner am Panzer unterscheiden. Halswender-Schildkröten sind eine der beiden grossen Gruppen von Schildkröten. Sie ziehen ihren Kopf nicht in den Panzer zurück, sondern legen ihn seitlich darunter.

Trotz ihrer gewaltigen Grösse hatte die Riesenschildkröte einen natürlichen Feind: den Riesenkaiman Purussaurus. Die meisten Fundorte von Stupendemys stimmen mit jenen des grössten südamerikanischen Alligatorenverwandten überein. Nicht nur dessen Grösse und Ernährungsvorlieben, sondern auch Bissspuren und durchbohrte Knochen bei Stupendemys-Fossilien deuten darauf hin, dass Riesenkaimane Jagd auf die Riesenschildkröten machten.

Schildkröten-Stammbaum grundlegend überarbeitet

Neben Panzerbruchstücken entdeckten die Wissenschaftler auch Kiefer und andere Skelettteile von Stupendemys.

«Nach der Analyse der Proben mussten wir die evolutionären Beziehungen dieser Art innerhalb des Schildkröten-Stammbaums grundlegend revidieren. Wir wissen nun, dass einige lebende Schildkrötenarten im Amazonasgebiet die nächsten lebenden Verwandten von Stupendemys sind», so Sánchez.

Zudem zeigen die Fossilien aus Brasilien, Kolumbien und Venezuela, dass die geografische Verbreitung der Riesenschildkröte viel breiter war als bisher angenommen: Sie lebte im gesamten nördlichen Teil des südamerikanischen Kontinents.

Publikation

E-A. Cadena, T. M. Scheyer, J. D. Carrillo-Briceño, R. Sánchez, O. A Aguilera-Socorro, A. Vanegas, M. Pardo, D. M. Hansen, M. R. Sánchez-Villagra. The anatomy, paleobiology and evolutionary relationships of the largest side-necked extinct turtle. Science Advances. 12 February 2020. DOI: 10.1126/sciadv.aay4593


Weitere Meldungen

Riesenschildkröte Peltocephalus maturin; Bildquelle: Júlia d‘Oliveira

Neu entdeckte fossile Riesenschildkröte nach Stephen King-Romanfigur benannt

Ein internationales Forschungsteam rund um Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat eine neue Riesenschildkröten-Art aus dem späten Pleistozän beschrieben
Weiterlesen

Dr. Michela Johnson vor dem Fossil eines Macrospondylus bollensis in den Sammlungen des Naturkundemuseums Stuttgart; Bildquelle: SMNS, Meike Rech

Studie zum Größenwachstum von Meereskrokodilen in der Jurazeit

Das Naturkundemuseum Stuttgart verfügt über eine weltweit bedeutende Sammlung von Meeresreptilen mit zahlreichen Exemplaren aus der Zeit des sogenannten Posidonienschiefers
Weiterlesen

Fotos und Nachzeichnungen Originalfossils; Bildquelle: Jason Dunlop

Die älteste Spinne Deutschlands

In einem kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift Paläontologische Zeitschrift veröffentlichten Artikel beschrieb Dr. Jason Dunlop vom Museum für Naturkunde Berlin die älteste jemals in Deutschland entdeckte Spinne
Weiterlesen

Uppsala University

Ältestes Meeresreptil aus der Zeit der Dinosaurier auf arktischer Insel gefunden

Seit fast 190 Jahren suchen Wissenschaftler nach den Ursprüngen der alten Meeresreptilien aus dem Zeitalter der Dinosaurier
Weiterlesen

Durch gut erhaltene Knorpelringe ist die Luftröhre des Reptils sehr gut erkennbar.; Bildquelle: Senckenberg/Behr

Messelfund: Schlangenfossil mit Luftröhrenerhaltung

Das Senckenberg-Grabungsteam hat innerhalb von vier Wochen im Juni und Juli über 800 Funde aus den 47 Millionen Jahre alten Ölschiefern der Grube Messel geborgen
Weiterlesen

Perfekt erhaltenes Schildkrötenfossil von Solnhofia parsonsi, ca. 150 Millionen Jahre alt.; Bildquelle: Felix Augustin/Universität Tübingen

Perfekt erhaltenes Schildkröten-Fossil ermöglicht Rückschlüsse auf Lebensraum vor 150 Millionen Jahren

Forscherteam der Universität Tübingen beschreibt Meeresschildkröte aus dem Oberjura - über Süddeutschland erstreckte sich damals tropisches Archipel
Weiterlesen

Lebendrekonstruktion zweier Keichousaurier; Bildquelle: @Takumi

Einblicke in die sexuelle Entwicklung eines im Meer lebenden Reptils

Fossile Skelette faszinieren Wissenschaftler seit langem als Fenster zur Urzeit. Aber bislang ist wenig über Details zur sexuellen Entwicklung ausgestorbener Lebewesen bekannt
Weiterlesen

Gut erhaltenes Skelett eines fossilen Frosches aus der Geiseltalsammlung. Der Frosch starb wahrscheinlich während der Paarung in einem Sumpfgebiet und das Fossil zerbrach aufgrund der Strömungen auf dem Seegrund in zwei Teile.; Bildquelle: Danile Falk

Beim Sex gestorben: Rätsel zu Froschfossilien der Geiseltalsammlung geklärt

Es waren nicht die äußeren Umstände, die dazu führten, dass Hunderte Frösche vor 45 Millionen Jahren in einem Sumpf des Geiseltals in Mitteldeutschland starben
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen