Echsen mögen keine Klimaerwärmung

(11.10.2019) Als wechselwarme Tiere sind Eidechsen eine Tiergruppe, die als „heliotherm“ (zur Wärmeproduktion von der Sonne abhängig) gilt. Sie brauchen Wärme und Sonneneinstrahlung, um die Körpertemperatur zu erreichen, die sie mögen. Also werden Eidechsen wohl vom Klimawandel profitieren. Wirklich?

Es ist offensichtlich, dass der Klimawandel die Ökosysteme unseres Planeten in verschiedenster Weise aus dem Gleichgewicht bringt, häufig mit dramatischen Konsequenzen. Wie dies aber genau abläuft, und warum sich für verschiedene Tier- und Pflanzenarten unterschiedliche Konsequenzen ergeben – negativ oder manchmal auch positiv? – ist bislang überraschend wenig erforscht.

Ein Team bestehend aus 45 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 17 Ländern ist der Beantwortung dieser Fragen nun einen Schritt näher gekommen.


Die Waldeidechse, Zootoca vivipara, ist in Deutschland und Mitteleuropa weit verbreitet. Ihre südlichsten Populationen sind aufgrund erhöhter Temperatur und Trockenheit ausgestorben.

Ihre in „Nature Communications“ erschienene Studie untersuchte die Halsbandeidechsen (die sogenannten Lacertiden), einer in Europa, Asien und Afrika weitverbreiteten Echsengruppe. Halsbandeidechsen beinhalten sowohl Arten, welche die Hitze und Trockenheit in Wüsten wie der afrikanischen Namib aushalten, als auch solche mit begrenzten Vorkommen in den kühlen Höhenlagen europäischer Bergregionen oberhalb 2000 Metern.

Das Verbreitungsgebiet einer der Arten, der auch in Deutschland vorkommenden Waldeidechse, erstreckt sich sogar nördlich des Polarkreises, was die Art zur nördlichsten Echse der Welt macht.

In Europa sind die Halsbandeidechsen sicherlich die am besten bekannten Reptilien. Sie huschen auf Steinmauern im Mittelmeergebiet ebenso herum wie auf Sanddünen oder Holzhaufen in Mitteleuropa. „Seit mehr als 20 Millionen Jahren gehören diese Eidechsen zu den häufigsten Reptilen Europas“, sagt Johannes Müller, Professor für Paläozoologie am Museum für Naturkunde Berlin, „aber mittlerweile sind sie zunehmend gefährdet“.

„Die von unserer Studie belegten und präzisen Anpassungen an die Umgebungsbedingungen entwickelten sich über Jahrmillionen. Die ersten beobachteten Aussterbeereignisse zum Beispiel der Waldeidechse sind ein Beleg dafür, dass die Arten mit dem gegenwärtigen Tempo der Klimaveränderungen offenbar nicht mithalten können“, fügt Sebastian Kirchhof von der New York Universität Abu Dhabi und Gastwissenschaftler am Museum für Naturkunde Berlin hinzu.

Miguel Vences, Professor für Evolutionsbiologie an der Technischen Universität Braunschweig und Koordinator der Studie, erläutert ihren Hintergrund: "Wir sehen, wie die Mauereidechse in Deutschland mit der Klimaerwärmung beinahe jährlich weiter nach Norden vordringt, aber gleichzeitig verschwinden andere Eidechsenarten in den Bergregionen Spaniens. Um zu verstehen, warum einige Arten vom Klimawandel profitieren und andere aussterben, müssen wir ihre Physiologie verstehen – aber auch ihre Evolutionsgeschichte."

Die Biologie der Halsbandeidechsen wird von klimatischen Bedingungen beeinflusst

Die Studie in „Nature Communications“ vergleicht experimentell ermittelte Vorzugstemperaturen und Wasserverlust-Raten der Halsbandeidechsen in ihren verschiedenen Lebensräumen vor dem Hintergrund ihrer evolutionären Verwandtschaftsverhältnisse (ihrem Stammbaum).

Wie auch bei anderen Reptilien fand die Studie, dass Echsenarten in tropischen Wäldern häufig mit Körpertemperaturen nahe an der Umgebungstemperatur operieren – diese Arten werden möglicherweise nicht fortbestehen können, wenn der Klimawandel zu erhöhten Umgebungstemperaturen führt.

„Wir finden einen starken Zusammenhang zwischen der Physiologie der Halsbandeidechsen und der vorherrschenden Umgebungstemperatur in ihren Lebensräumen. Dieser Umstand macht diese Tiere höchstwahrscheinlich sehr empfindlich gegenüber der Klimaerwärmung“, sagt Joan Garcia-Porta, Wissenschaftler am Centre for Research on Ecology and Forestry Applications, CREAF, Spanien, gegenwärtig an der Washington Universität in St Louis, USA, der Erstautor der Studie.

Aber was ist mit Halsbandeidechsen der gemäßigten Zone? Basierend auf neu ermittelten Physiologiedaten von über 50 Arten fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass ähnlich der tropischen auch die Biologie der gemäßigten Arten überwiegend vom Klima bestimmt ist.

Miguel Vences, kommentiert: „Es war beeindruckend zu entdecken, wie akkurat diese Arten an ihre Umgebung angepasst sind. Ihre Physiologie, die Größe ihrer Verbreitungsgebiete, Artenvielfalt und Mutationsraten – alles korreliert stark mit den Temperaturen in ihren natürlichen Lebensräumen.“

Das Klima in der Vergangenheit beeinflusste die Evolution der Halsbandeidechsen

Das Team nutzte modernste DNS-Sequenzierungsmethoden und Analysen fossiler Arten zur Rekonstruktion der Verwandtschaftsbeziehungen von 262 Arten von Halsbandeidechsen. Iker Irissari, ein Wissenschaftler am Spanish Research Council CSIC in Madrid und Mitarbeiter an den Analysen, sagt: „Die Halsbandeidechsen Europas waren schon der Fokus Hunderter Studien in den letzten Jahren. Unsere neuen genomischen Analysen haben nun endlich auch ihre Verwandtschaftsverhältnisse und den Zeitrahmen ihrer Evolution aufgeklärt.“

Ein Rückblick in die Vergangenheit der Halsbandeidechsen-Evolution zeigt, dass viele dieser Arten während warmer Klimabedingungen entstanden, sich dann an über sehr lange Zeiträume an langsam abkühlende Verhältnisse auf der Erde anpassten. „Die Geschichte der nicht-tropischen Halsbandeidechsen ist vor allem von ihrer Beständigkeit gegen Kälte geprägt. Für Millionen von Jahren haben sie keine Erfahrungen mit extremer Hitze oder Trockenheit gemacht“, sagt Katharina Valero, Dozentin an der University of Hull, England.

Gebirgsspezialisten werden von der Klimaerwärmung bedroht

Die jüngsten Bestandsrückgänge betreffen vor allem Halsbandeidechsen in Gebirgen oder in dichten Wäldern. Eine Bestätigung dieser Hypothese der Studie liefert die wahrscheinlich am stärksten kälte- und feuchtigkeitsliebende Art, die Waldeidechse.

„In Teilen der Pyrenäen, wo die Umgebungstemperaturen besonders hoch sind, sind diese Tiere schon ausgestorben – eine Ankündigung dessen, was anderen Arten droht“ sagt Barry Sinervo, Professor an der University of California in Santa Cruz (USA), der seit über zehn Jahren Aussterbevorgänge bei Eidechsen untersucht.

Miguel-Angel Carretero, ein Eidechsen Spezialist am CIBIO Institut, Portugal, fügt hinzu: „Die Mechanismen des Rückgangs dieser Eidechsen sind komplex, aber wir beginnen, sie besser zu verstehen. Wärmere Temperaturen gehen Hand in Hand mit verringerter Feuchtigkeit, und dadurch sind diese Arten gezwungen, unter trockeneren Bedingungen aktiv zu sein als sie vertragen.“


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