Nach drei Jahrzehnten bestätigt: neue äthiopische Giftschlangenart aus Puffottern-Verwandtschaft

(11.05.2016) Nach 30 Jahren klärte sich jetzt endlich der Status einer neuen, spektakulären Giftschlangenart, die 1986 das erste Mal mit nur einem Exemplar bekannt wurde.

Da seinerzeit eine gewisse Unsicherheit herrschte, ob dieses eine Tier tatsächlich zu einer neuen Spezies gehören würde, beschloss man, mit der Beschreibung zu warten, bis ein weiteres Exemplar zur Verfügung stünde.


Aufnahme eines lebenden Exemplars der Art Bitis harenna sp. nov. In den Harenna Wäldern des Bale Mountains National Park im Oktober 2013. Die Schlange ist etwa 1 Meter lang
Fast 30 Jahre musste die Wissenschaft warten. Prof. Dr. Wolfgang Böhme, Senior-Herpetologe am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK) in Bonn, gab nun in Kooperation mit einem internationalen Wissenschaftlerteam der Art den wissenschaftlichen Namen Bitis harenna.

Nach 1976 wurde erst 2013 wieder ein Tier gefunden, anhand dessen gezeigt wurde, dass eine weitere Neubeschreibung auch der oben genannten Art gerechtfertigt war.

1976 erhielt das ZFMK eine große, plumpe Giftschlange aus dem Hochland im Südwesten Äthiopiens. Diese erwies sich als eine für die Wissenschaft neue Art und wurde 1977 von dem damaligen Herpetologen des Museums, Prof. Dr. Wolfgang Böhme, beschrieben.

Wegen ihrer vergleichsweise kleineren Augen benannte er das Tier mit dem wissenschaftlichen Namen Bitis parviocula (aus dem Lateinischen: parvus – klein, oculus - Auge).

Es sollte allerdings ein Jahrzehnt dauern, bis ein zweites Exemplar dieser großen, auffälligen und bunt gemusterten Viper bekannt wurde, gefunden von einem dänischen Forschungsreisenden an einem anderen Fundort in Äthiopien, auf der anderen Seite des afrikanischen Grabenbruchs.

Es wurde aus Kopenhagen nach Bonn geschickt, hier mit dem zuerst gefundenen Exemplar abgeglichen und für identisch befunden.

Der dänische Kollege konnte 1986 neben dem zweiten Exemplar der 1977 beschriebenen Art gleichzeitig eine weitere Viper finden, die weder auf die neu entdeckte noch auf die vier bereits bekannten Großvipern dieser Verwandtschaftsgruppe in Afrika passte.

War es schon wieder eine neue, der Wissenschaft bislang entgangene Art? Oder vielleicht doch nur ein aberrantes Einzelexemplar? Man zog es diesmal vor, das Auftauchen eines weiteren Exemplars abzuwarten.

Es war daher für Böhme, inzwischen ehrenamtlicher Senior-Herpetologe am Museum, eine große Genugtuung, als im Oktober 2013 auch von dieser zweiten damals gefundenen Viper wieder ein Exemplar in Äthiopien gesichtet und dokumentiert werden konnte, und zwar in den für ihre eigenständige Tierwelt bekannten Bale Mountains, unweit des ersten Fundortes.

Durch diesen neuen Fund wurde es nun möglich, in einem internationalen Team aus Großbritannien, den USA, Äthiopien und dem ZFMK in Bonn die schon vor 30 Jahren gefundene große zweite Viper endgültig als eine weitere neue Art zu verifizieren.

Sie wurde kürzlich in der international renommierten Fachzeitschrift „Zootaxa“ beschrieben und mit dem wissenschaftlichen Namen Bitis harenna belegt.

Während die Entdeckung neuer Tierarten für Zoologen prinzipiell nahezu an der Tagesordnung ist, so sind neu entdeckte Arten bei Wirbeltieren schon etwas seltener.

Richtig selten sind sie aber bei größeren Wirbeltieren wie z.B. Waranen oder großwüchsigen Schlangen, und auch hier wurde das ZFMK schon mehrfach fündig.

Wenn es sich nun aber – wie in diesem Fall – sogar noch um eine Giftschlange handelt, so ergibt sich außer der wissenschaftlichen Entdeckung auch noch ein praktischer Zusatz-Aspekt, nämlich, auch die Herstellung eines Antiserums anzustreben, um die lokale Bevölkerung mittelfristig vor Giftbissen schützen zu können.

Publikation

Gower, David J., Edward Wade, Stephen Spawls, Wolfgang Böhme, Evan R. Buechley, Daniel Sykes & Timothy J. Colston. 2016. A New Large Species of Bitis Gray, 1842 (Serpentes: Viperidae) from the Bale Mountains of Ethiopia. Zootaxa. 4093(1): 41–63. (Erschienen: 21. März 2016)
DOI: 10.11646/zootaxa.4093.1.3



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