Invasive Rotwangenschmuck-Schildkröte macht sich breit

(25.01.2016) Wissenschaftler des Senckenberg-Forschungsinstitutes in Dresden haben mit genetischen Methoden herausgefunden, dass sich die in Europa eingeschleppte Rotwangenschmuck-Schildkröte auch außerhalb des Mittelmeerraumes vermehrt.

Die ursprünglich aus Nordamerika stammende Schildkröte stellt eine massive Bedrohung für die heimische Schildkrötenfauna dar und sollte laut den Autoren der kürzlich im Fachjournal „Conservation Genetics“ veröffentlichten Studie in Europa abgefangen werden.


Kann sich auch außerhalb des Mittelmeerraumes vermehren: Trachemys scripta.

Die Rotwangenschmuck-Schildkröte (Trachemys scripta) ist die am weitesten über ihren natürlichen Lebensraum verbreitete Art weltweit. Ursprünglich stammen die bis zu 30 Zentimeter langen Panzerträger aus den südöstlichen USA – heute kann man die Tiere aber auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis und einiger ozeanischen Inseln antreffen.

„Man findet die Schildkröten praktisch in allen europäischen Ländern in der freien Natur“, erklärt Dr. Melita Vamberger von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Die Reptilien wurden durch den Tierhandel so weit verbreitet.“

Die Art gilt als Gefahr für einheimische Schildkröten, weil sie mit diesen in direkter Konkurrenz bezüglich Nahrung, Nist- und Sonnenplätze stehen. Zudem sind die eingeschleppten Reptilien potentielle Überträger von Parasiten und anderen Krankheitserregern.

Seit den 1990er Jahren ist der Import der beliebten Haustiere mit den kräftig orangenen bis roten Schläfenstreifen nach Europa verboten.

„In einigen Ländern, besonders in den Balkanstaaten und im südlichen Europa blüht der illegale Handel aber weiterhin“, ergänzt Vamberger und fährt fort: „Ob die Art innerhalb Europas invasiv werden kann war aber lange ungeklärt.“ Bisher wurde die erfolgreiche Fortpflanzung und Etablierung der Tiere nämlich nur im Mittelmeerraum nachgewiesen.

Das slowenisch-deutsche Wissenschaftlerteam rund um Dr. Vamberger und den Dresdener Senckenberg-Direktor Prof. Dr. Uwe Fritz hat nun anhand genetischer Untersuchungen gezeigt, dass sich die Schildkröten auch in Slowenien vermehren.


Die invasiven Rotwangenschmuck-Schildkröten beim Sonnenbad.

Die Biologen haben Proben von 77 Schildkröten an drei Standorten genommen und konnten zeigen, dass sich die Reptilien in allen untersuchten slowenischen Gebieten fortpflanzten.

„Wir haben die Standorte nach ihren klimatischen Unterschieden ausgesucht“, erklärt Fritz und ergänzt: „Leider können sich die Rotwangenschmuck-Schildkröten auch nahe Ljubljana verbreiten – in einem gemäßigten, kontinentalen Klima.“

Die Forschenden konnten so zum ersten Mal genetisch nachweisen, dass sich Trachemys scripta auch außerhalb des Mittelmeergebiets mit seinem mediterranen Klima vermehren kann. Rund um Ljubljana wurden zwar weniger miteinander verwandte Tiere gefunden als in den wärmeren Regionen, was darauf hindeutet, dass die Schildkröten sich hier seltener fortpflanzen. „Wahrscheinlich werden in Stadtnähe aber auch mehr Tiere mit neuem Genmaterial ausgesetzt. Dies führt dann zwangsläufig zu weniger verwandten Tieren“, gibt Vamberger zu bedenken.

Aufgrund des Ausbreitungspotentials über den Mittelmeerraum hinaus und der potentiellen Bedrohung heimischer Arten sollten die Schildkröten laut den Dresdner Biologen als invasiv eingestuft werden. „Wir empfehlen zudem die Rotwangenschmuck-Schildkröte mindestens in Lebensräumen mit heimischen Arten abzufangen und so eine Verbreitung der invasiven Art und einer Verdrängung der ursprünglichen Arten zu vermeiden“, schließt Fritz.



Weitere Meldungen

Riesenschildkröte Peltocephalus maturin; Bildquelle: Júlia d‘Oliveira

Neu entdeckte fossile Riesenschildkröte nach Stephen King-Romanfigur benannt

Ein internationales Forschungsteam rund um Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat eine neue Riesenschildkröten-Art aus dem späten Pleistozän beschrieben
Weiterlesen

Gefleckte Weichschildkröte (Pelodiscus variegatus) ; Bildquelle: T. Ziegler

Studie zur Verbreitung der Gefleckten Weichschildkröte liefert Basis für Schutzprogramm

Erhaltungszuchtprogramme sollen den Schutz der vom Aussterben bedrohten Gefleckten Weichschildkröte unterstützen
Weiterlesen

Lederschildkröte aus der Nordsee; Bildquelle: ITAW

TiHo-Forschende in Büsum obduzieren Lederschildkröte aus der Nordsee

Am Montag, 4. September 2023, entdeckte die Besatzung des Schiffs Triton der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung Tönnies in der Mündung der Elbe eine treibende tote Meeresschildkröte
Weiterlesen

Die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) kann bis zu zwei Meter groß werden.; Bildquelle: National Seashore, WikimediaCommons

Panzergröße: Wie sich Schildkröten in den letzten 200 Millionen Jahren entwickelten

Internationale Forschende haben die bisher umfänglichste Datensammlung zu Körpergrößen von rezenten und fossilen Schildkröten zusammengestellt
Weiterlesen

Perfekt erhaltenes Schildkrötenfossil von Solnhofia parsonsi, ca. 150 Millionen Jahre alt.; Bildquelle: Felix Augustin/Universität Tübingen

Perfekt erhaltenes Schildkröten-Fossil ermöglicht Rückschlüsse auf Lebensraum vor 150 Millionen Jahren

Forscherteam der Universität Tübingen beschreibt Meeresschildkröte aus dem Oberjura - über Süddeutschland erstreckte sich damals tropisches Archipel
Weiterlesen

Projektleiterin Maria Schindler mit Europäischer Sumpfschildkröte; Bildquelle: Daniel Zupanc

Nachwuch bei den Europäischen Sumpfschildkröten in den Donau-Auen

Die einzige heimische Schildkrötenart ist in Österreich von der Ausrottung bedroht. Denn es gibt nur noch eine intakte, sich fortpflanzende Population im Nationalpark Donau-Auen
Weiterlesen

Doris Preininger bei der Wiederansiedelung der Batagur-Flussschildkröte in Bangladesch; Bildquelle: Rupert Kainradl

Schönbrunner Artenschutzprojekt sichert Überleben der Batagur-Flussschildkröte

Am 21. Oktober ist „Reptile Awareness Day” – weltweit ist jede fünfte Reptilienart von der Ausrottung bedroht, mehr als die Hälfte davon sind Schildkrötenarten
Weiterlesen
Bauchpanzer (links) und Rückenpanzer (rechts) der neu beschriebenen Schildkrötenart; Bildquelle: Zoltan Csiki-Sava

Schildkröten in Osteuropa überlebten das Massensterben der Dinosaurier

Forschungsteam der Universität Tübingen untersucht 70 Millionen Jahre alte Fossilien aus dem heutigen Rumänien
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen