Meerechsen zählen auf den Galápagos-Inseln

(17.02.2020) Ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Sebastian Steinfartz von der Universität Leipzig untersucht ab kommender Woche die Nahrungsökologie sowie die Populationsgrößen von Meerechsen auf den Galápagos-Inseln.

Die Erkenntnisse sollen Aufschluss darüber geben, wie sich die weltweit einzigartigen Echsen an neue Umweltbedingungen und klimatische Schwankungen anpassen. Mit der Expedition möchten die Forscher zudem herausfinden, wie die Meerechsen angesichts aktueller Bedrohungen besser geschützt werden können. Unter anderem setzen sie Drohnen ein, um die Tiere zu zählen.

Prof. Dr. Sebastian Steinfartz ist Professor für Molekulare Evolution und der Systematik für Tiere an der Universität Leipzig.; Bildquelle: Universität Leipzig/Swen Reichhold
Prof. Dr. Sebastian Steinfartz ist Professor für Molekulare Evolution und der Systematik für Tiere an der Universität Leipzig.

Gleich zwei Projekte widmen sich für mehrere Wochen vor Ort den auf den Galápagos-Inseln vorkommenden Meerechsen. Sie sind die einzigen Echsen weltweit, die sich während ihrer Millionen Jahre währenden Evolutionsgeschichte an einen marinen Lebensraum angepasst haben und ihre Nahrung – marine Makroalgen - aus dem Meer beziehen.

Sie sind endemisch, das heißt, sie kommen ausschließlich auf den Galápagos-Inseln vor. Die Inseln sind ein Archipel im Pazifischen Ozean, über 1.000 Kilometer westlich von Südamerika. Sie gehören zu Ecuador und gelten als „natürliche Labore der Evolution“.

Im ersten Projekt untersuchen die Leipziger Biologen in Kooperation mit der TU Braunschweig die Nahrung der Meerechsen. „Die wichtigen Nahrungsgrundlagen und das Futterspektrum sind für Arten ganz entscheidend“, sagt Prof. Dr. Sebastian Steinfartz.

Seit April 2019 ist er Professor für Molekulare Evolution und der Systematik für Tiere an der Universität Leipzig. „Durch Klimaveränderungen kann sich die Zusammensetzung der Nahrung ändern. Dann nehmen die Populationen ab und man weiß nicht genau, warum. Daher wollen wir erstmals die Nahrungsökologie der Meerechsen detailliert untersuchen.

Zunächst sind natürlich nur Rückschlüsse auf kurze Zeiträume möglich.“ Um einen Einblick in den Menüplan der Echsen zu bekommen, sammeln und untersuchen die Biologen das, was davon übrig bleibt: Proben des Kots der Tiere.

Bei der Analyse der Proben nutzen die Forscher nach ihrer Rückkehr nach Deutschland unterschiedliche Methoden: Anhand eines sogenannten DNA-Metabarcoding der in den Proben noch nachweisbaren Nahrungsbestandteile können sie feststellen, welche verschiedenen Arten von Algen die Echsen verzehrt haben. Eine stabile Isotopenanalyse offenbart zudem, wo genau die Nahrung der Echsen geographisch herkam und wo sie sie gefressen haben.

Die Doktorandin Denisse Dalgo, die selbst aus Ecuador stammt, promoviert über die Nahrungsökologie der Echsen an der Universität Leipzig und ist bereits auf Galápagos. Von der TU Braunschweig begleitet Dr. Sten Anslan die Expedition.

Vor Ort arbeitet das Expeditionsteam eng mit Biologen der Universidad San Francisco de Quito zusammen, deren Infrastruktur und Logistik sie beispielsweise nutzen.

Die ersten Ergebnisse der Auswertungen erwarten die Wissenschaftler im Sommer.

Im zweiten Projekt zählen die Forscher die Tiere, die sie auf den Inseln vorfinden. Hierzu setzen sie erstmalig Kameradrohnen ein, um die Echsen aus der Luft auf dem Land zu lokalisieren. Diese Gruppe wird von Dr. Amy MacLeod geleitet – einer ehemaligen Doktorandin von Sebastian Steinfartz, die mit der Arbeitsgruppe in Leipzig assoziiert ist. Sie hat das Projekt konzeptioniert.

Zunächst wird das Echsen-Monitoring exemplarisch für eine Insel gemacht: Santa Fé, eine Insel, die relativ klein ist.

„Das verstehen wir als Pilotprojekt. Wir möchten zeigen, dass das überhaupt möglich ist – hinsichtlich der Technik und der Durchführbarkeit“, erläutert Evolutionsbiologe Steinfartz. In Zukunft sollen weitere Inseln des Archipels folgen.

Langfristig möchten die Biologen einen Meerechsen-Zensus erstellen. Sie brauchen einen Gesamtüberblick über die Anzahl der Tiere, deren elf Unterarten sich auf unterschiedliche Inseln verteilen.

Nur so lässt sich feststellen, wie stark die einzelnen Unterarten vertreten sind, von denen fünf erstmalig 2017 von Sebastian Steinfartz und seinem damaligen Team an der TU Braunschweig beschrieben wurden.

Die genaue Kenntnis um die Größen der Populationen ist die Grundlage für die realistische Einschätzung des Gefährdungszustands der gesamten Art.

Denn nur wenn die gesamte genetische Diversität der Meerechse in Form ihrer einzelnen Unterarten erhalten bleibt, kann diese Art auf Dauer überleben. Diese Einstufung wird durch die International Union for Conservation of Nature (IUCN) vorgenommen.

Dieses Gremium erstellt rote Listen von bedrohten Arten. Dabei greifen sie auch auf Forschungsergebnisse der Leipziger und Braunschweiger Echsenforscher zurück.

Birgit Pfeiffer



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