Das Nano-Chamäleon: Ein neuer Super-Winzling unter den Reptilien

(01.02.2021) Ein internationales Team unter Leitung der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) hat eine winzige neue Chamäleonart entdeckt.

Das einzige bekannte, offensichtlich erwachsene Männchen hat eine Körperlänge von nur 13,5 mm und ist damit das kleinste bekannte Männchen unter den fast 11.500 bekannten Reptilienarten.

Ein Vergleich mit 51 anderen Chamäleonarten ergab, dass die kleinsten Spezies relativ zur Körpergröße die größten Genitalien aufweisen.

Die Arbeit erschien in dem wissenschaftlichen Fachjournal Scientific Reports.


Mit einer Körperlänge von 13,5 mm ist dieses Nano-Chamäleon (Brookesia nana) das kleinste bekannte Männchen unter den fast 11.500 bekannten Reptilienarten.

Bei einer Expedition im Norden Madagaskars hat ein deutsch-madagassisches Expeditionsteam rekordverdächtig kleine Reptilien entdeckt, die nun als neue Art (Brookesia nana) beschrieben wurden.

"Mit einer Körperlänge von nur 13,5 mm und einer Gesamtlänge von knapp 22 mm ist das Männchen des Nano-Chamäleons das kleinste bekannte Männchen unter allen höheren Wirbeltieren", sagt Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) und Erstautor der Studie.

Das Weibchen ist mit 19 mm Körperlänge und 29 mm Gesamtlänge deutlich größer. Trotz großer Mühe gelang es nicht, weitere Exemplare der neuen Art zu finden.

"Mit Hilfe von Mikro-CT-Scans fanden wir zwei Eier im Körper des Weibchens und konnten so zeigen, dass es erwachsen ist", sagt Mark D. Scherz von der Universität Potsdam.

Um herauszufinden, ob auch das Männchen geschlechtsreif ist, untersuchte das Team die gut entwickelten Genitalien des Tieres, die sogenannten Hemipenes, die bei allen Echsen und Schlangen doppelt vorhanden sind und oft wichtige Merkmale aufweisen, um verwandte Arten zu unterscheiden.

Dabei verglichen die Forscher auch die Länge seiner Genitalien mit 51 anderen Chamäleonarten aus Madagaskar und entdeckten die Tendenz, dass die kleinsten Chamäleonspezies im Verhältnis zur Körpergröße die größten männlichen Genitalien hatten.

Beim Nano-Chamäleon betrug deren Länge 18,5% der Körperlänge und damit den fünfthöchsten Wert von allen untersuchten Chamäleonarten, bei der ebenfalls sehr kleinen Art B. tuberculata machten die Genitalien sogar fast ein Drittel der Körperlänge aus.

Eine plausible Erklärung für dieses Phänomen könnte darin bestehen, dass der Größenunterschied zwischen den Geschlechtern, der sogenannte Geschlechtsdimorphismus, bei Chamäleons sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Bei den größten Chamäleonarten sind die Männchen meist deutlich größer als die Weibchen, bei den kleinsten Arten ist es hingegen genau umgekehrt.

"Demnach bräuchten die extrem miniaturisierten Männchen verhältnismäßig größere Genitalien, um eine erfolgreiche Paarung mit ihren deutlich größeren Weibchen zu ermöglichen", erklärt Miguel Vences von der Technischen Universität Braunschweig.

"Auf Madagaskar leben auffällig viele extrem miniaturisierte Tiere, darunter die kleinsten Primaten und winzige Zwergfrösche, die mehrfach unabhängig voneinander entstanden sind" sagt Andolalao Rakotoarison, von der Universität Antananarivo in Madagaskar. Aber warum das Nano-Chamäleon so winzig ist, bleibt rätselhaft.

"Der Inseleffekt, wonach Arten auf kleinen Inseln kleiner werden, ist jedenfalls keine überzeugende Erklärung für diesen Gebirgsbewohner" ergänzt ihre Kollegin Fanomezana Ratsoavina, ebenfalls von der Universität Antananarivo.

"Der nächste Verwandte des neuen Zwergchamäleons ist auch nicht das nur wenig größere Brookesia micra, sondern die fast doppelt so große Art B. karchei, die im selben Gebirge vorkommt. Das zeigt, dass die extreme Miniaturisierung konvergent entstanden ist", meint Jörn Köhler vom Hessischen Landesmuseum in Darmstadt.

Die Verbreitungsgebiete der meisten Zwergchamäleons sind erstaunlich klein und umfassen in Extremfällen eine Fläche von nur wenigen Quadratkilometern. Ein kleines Verbreitungsareal ist daher auch für Brookesia nana anzunehmen.

"Der Lebensraum des Nano-Chamäleons ist leider stark von Abholzung betroffen, aber das Gebiet wurde kürzlich unter Schutz gestellt, so dass die Art hoffentlich überleben wird", meint Oliver Hawlitschek, vom Centrum für Naturkunde in Hamburg, der an den Felduntersuchungen beteiligt war.


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