Neues Evolutionsmuster für lang gestreckte Fische

(07.10.2013) Der längliche, aalförmige Körper einiger heutiger Fische hat sich auf verschiedene Arten ausgebildet. Eine neue Variante zur Streckung der Körperachse entdeckten Paläontologen der Universität Zürich an einem urtümlichen Fisch aus dem Südtessin.

Beim Saurichthys curionii, einem der frühen Strahlenflosser, haben sich die vom Achsenskelett wegführenden Wirbelbögen verdoppelt, was zu einer Verlängerung seines Körpers und einer aalförmigen Erscheinung führte.


240 Millionen Jahre altes Fossil des urtümlichen Fisches Saurichtys curionii aus dem UNESCO Welterbe Monte San Giorgio im Tessin

Der 240 Millionen Jahre alte Fossilfund aus der Schweiz zeigte zudem, dass dieser urtümliche Fisch nicht so beweglich war und deshalb weniger schnell und ausdauernd schwimmen konnte als heutige Aale.

Der Körper von Schlangen und Aalen ist lang gestreckt, schmal und in allen drei Dimensionen beweglich. Dieses auffällige Körperschema taucht im Lauf der Evolution mehrfach auf. Gemäss heutigem Kenntnisstand erfolgte die starke Streckung der Körperachse jeweils auf zwei verschiedene Arten: Entweder, in dem die einzelnen Wirbel der Wirbelsäule gestreckt und dadurch länger wurden oder aber, indem sich zusätzliche Wirbel und Muskelsegmente ausbildeten.

Langer Körper dank Verdoppelung der Wirbelbögen

Unter der Leitung von Prof. Marcelo Sánchez-Villagra weisen jetzt Paläontologen der Universität Zürich nach, dass sich bei der ausgestorbenen Fischgattung Saurichthys eine dritte, bisher unbekannte Variante zur Verlängerung der Körperachse entwickelt hatte.

Im Unterschied zu den sonst bekannten Fischen mit aalförmigem Körper besitzt Saurichthys curionii von den vom Achsenskelett wegführenden Wirbelbögen auf der Rücken- und Bauchseite pro Muskelsegment nicht bloss einen Wirbelbogen, sondern deren zwei – was einzigartig ist.

Dies führte zu einer Längsstreckung des Körpers und zu einer aalförmigen Gesamterscheinung. Dazu Erin Maxwell, Postdoktorandin in der Gruppe von Sánchez-Villagra: «Dieses Evolutionsmuster zur Körperverlängerung ist neu. Bisher kannte man lediglich eine Erhöhung von Wirbelzahl und Muskelsegmenten oder eine Längsstreckung der einzelnen Wirbel.»

Die untersuchten Fossilien stammen aus der Tessiner Fundstelle Monte San Giorgio, die 2003 von der UNESCO zum Welterbe erklärt worden ist. Die Forschenden verdanken ihre Erkenntnisse dem glücklichen Umstand, dass nicht nur Skelettteile, sondern auch Sehnen und Sehnenansätze des urtümlichen Raubfisches erhalten geblieben sind.

Aufgrund von Form und Anordnung der erhaltenen Sehnen ziehen die Wissenschaftler auch Rückschlüsse auf die Beweglichkeit und Schwimmfähigkeit der fossilen Fischgattung. Gemäss Maxwell war Saurichthys curionii mit Sicherheit nicht so beweglich wie heutige Aale und konnte im Gegensatz zu diesen wohl auch keine lange Distanzen mit hoher Geschwindigkeit schwimmen.

Der rund einen halben Meter lange Fisch lässt sich von seiner Erscheinung und Lebensweise her am besten mit den heute lebenden Hornhechten oder Nadelfischen vergleichen.

Literatur

Erin E. Maxwell, Heinz Furrer, Marcelo R. Sánchez-Villagra. Exceptional fossil preservation demonstrates a new mode of axial skeleton elongation in early ray-finned fishes. Nature Communications, October 7, 2013. doi: 10.1038/ncomms3570



Weitere Meldungen

Größenvergleich von Zähnen eines heutigen ca. 2,7m langen Weißen Hais Carcharodon carcharias (A) und eines ca. 9m langen Otodus megalodon aus dem Miozän von South Carolina, U.S.A. (B).; Bildquelle: J. Kriwet

Anders als gedacht: Urzeithai Megalodon unterscheidet sich in Körperform und Lebensweise vom Weißen Hai

Forschungsteam liefert neue und tiefere Einblicke in die Biologie eines der größten jemals existierenden marinen Fleischfressers
Weiterlesen

Maul der Art Panaqolus cf. Changae; Bildquelle: Konn-Vetterlein

Die große Vielfalt der Fischmäuler: Welse haften anders als gedacht

Welse kennen einige aus dem heimischen Aquarium als „Fensterputzer“ – denn sie verfügen über ein Mundwerkzeug, mit dem sie sich an ganz unterschiedlichen Oberflächen festsaugen können
Weiterlesen

Buntbarsch; Bildquelle: Joost Woltering

Wie Fische zu ihren Stacheln kamen

Konstanzer Forschende entschlüsseln die genetischen Mechanismen der Bildung von Flossenstacheln bei verschiedenen Fischgruppen
Weiterlesen

Universität Konstanz

Lungenfischflossen zeigen, wie sich Gliedmaßen entwickelten

Neue Untersuchungen zur Flossenentwicklung des Australischen Lungenfischs verdeutlichen, wie sich Flossen zu Gliedmaßen mit Händen und Fingern beziehungsweise Füßen und Zehen entwickelten.
Weiterlesen

Bilder einzelner Scans von Fischgehirnen (blau = Region, die für Verarbeitung visueller Reize zuständig ist). A. Muräne. B. Fasanbutt.; Bildquelle: Iglesias et al. 2018

Nachtaktive Fische haben kleinere Gehirne

Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, dass nachtaktive Fische trotz ihrer größeren Augen kleinere Gehirnareale zur Verarbeitung visueller Reize haben als tagaktive Fische
Weiterlesen

Max-Planck-Gesellschaft

Das Herz der Landwirbeltiere hat sich aus dem Herz urtümlicher Fische entwickelt

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben herausgefunden, dass sich das Herz der Landwirbeltiere aus dem Herz urtümlicher Fische entwickelt hat
Weiterlesen

Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Was die Flunder platt macht

Flundern haben aufgrund ihres unsymmetrischen Körperbaus Wissenschaftler schon immer vor Rätsel gestellt. Jetzt hat der Vergleich des Erbguts zweier verwandter Fischarten den Mechanismus aufgedeckt, der für die ungewöhnliche Asymmetrie verantwortlich ist
Weiterlesen

LMU

Fisch-Taxonomie: Studie zu Gehörsteinchen

Die erste umfassende Studie zu Gehörsteinchen bei afrikanischen Prachtgrundkärpflingen liefert wertvolle Informationen für die Identifikation fossiler Überreste der Fische und hilft, deren Evolutionsgeschichte nachzuvollziehen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen