Fossiler Fisch gibt neue Einsichten in die Evolution

(02.10.2019) "Experiment der Natur" nach Massen-Artensterben der Kreidezeit

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Giuseppe Marramà vom Institut für Paläontologie der Universität Wien entdeckte einen neuen und ausgezeichnet erhaltenen fossilen Stachelrochen mit einer außergewöhnlichen Anatomie, die sich stark von modernen Arten unterscheidet.

Der Fund liefert neue Erkenntnisse über die Evolution des Tieres, aber auch über die Erholung mariner Ökosysteme nach dem großen Massensterben vor 66 Millionen Jahren. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.


Eines der drei Fossilien von Lessiniabatis aenigmatica (MNHN F.Bol.566) aus der berühmten Fossilfundstelle von Monte Bolca (Italien), das als Platte und Gegenplatte erhalten ist. Das Exemplar befindet sich im Museum National d´Histoire Naturelle of Paris

Stachelrochen (Myliobatiformes) sind eine sehr diverse Gruppe von Knorpelfischen, zu denen auch die Haie gehören, die für ihre giftigen und gezähnelten Schwanzstacheln bekannt sind, die sie gegen andere Raubfische, vereinzelt auch gegen Menschen einsetzen.

Die Fische haben eine abgerundete oder flügelartige Brustscheibe und einen langen, peitschenartigen Schwanz, der einen oder mehrere gezackte und giftige Stachel trägt.

Fossile Überreste von Stachelrochen sind sehr häufig, vor allem deren isolierte Zähne. Vollständige Skelette jedoch gibt es nur von wenigen ausgestorbenen Arten an einigen besonderen Fossilfundstellen. Unter diesen ist Monte Bolca im nordöstlichen Italien eine der bekanntesten.

Bisher wurden dort mehr als 230 Arten von Fischen entdeckt, die vor etwa 50 Millionen Jahre im sogenannten Eozän in einer tropisch marinen Küstenumgebung in Verbindung mit Korallenriffen lebten, ähnlich dem heutigen Great Barrier Reef in Australien.

Der dort entdeckte fossile Stachelrochen hat einen flachen Körper und die Brustscheibe mit den Brustflossen ist eiförmig. Auffällig ist der extrem kurze Schwanz, der nicht wie bei den übrigen Stachelrochen verlängert ist und aus der Körperscheibe herausragt.

Dieser Bauplan ist bislang von keinem anderen fossilen oder lebenden Stachelrochen bekannt. Da dieses Tier einzigartig und eigenartig ist, nannten die Forscher den neuen Stachelrochen Lessiniabatis aenigmatica, was "bizarrer Rochen aus Lessinia" (die Region Italiens, in der sich Bolca befindet) bedeutet.

Mehr als 70 Prozent der Organismen auf der Erde wie Dinosaurier, Meeresreptilien, mehrere Säugetiergruppen, zahlreiche Vögel, Fische und Wirbellose verschwanden während des fünftgrößten Aussterbeevents in der Erdgeschichte, das vor etwa 66 Millionen Jahren am Ende der Kreidezeit stattfand.

Die Zeit nach diesem Ereignis ist in den Weltmeeren durch die Entstehung und Diversifizierung neuer Arten und ganzer Gruppen sowohl von Knochen- als auch Knorpelfischen (Haie und Rochen) gekennzeichnet, die die freigewordenen ökologischen Nischen neu besetzten.

Dabei experimentierten die neuen Arten manchmal auch mit eigenwilligen Körperbauplänen und neuen ökologischen Strategien. "Aus dieser Perspektive ist die Entstehung eines neuen Körperbauplans bei einem 50 Millionen Jahre alten Stachelrochen wie Lessiniabatis aenigmatica besonders faszinierend, wenn man ihn im Kontext der zeitgleichen und umfangreichen Diversifizierung sowie Entstehung neuer anatomischer Merkmale innerhalb mehrerer Fischgruppen betrachtet.

Lessiniabatis aenigmatica kann daher als ein kurzfristiges Experiment der Evolution in einer Zeit angesehen werden, als sich das Leben nach dem Aussterbeereignis am Ende der Kreidezeit langsam wieder erholte", so Giuseppe Marramà.

Publikation

Marramà G., Carnevale G., Giusberti L., Naylor G., Kriwet J. 2019
A bizarre Eocene dasyatoid batomorph (Elasmobranchii, Myliobatiformes) from the Bolca Lagerstätte (Italy) reveals a new, extinct body plan for stingrays.
Scientific Reports.
doi: 10.1038/s41598-019-50544-y


Weitere Meldungen

Julia Türtscher; Bildquelle: Patrick L. Jambura

Neue Rochenart aus Bayern entdeckt: Aellopobatis bavarica aus dem späten Jura

In einer neuen Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "Papers in Palaeontology" veröffentlicht wurde, haben internationale Wissenschafter*innen die rätselhafte Welt der vor 150 Millionen Jahren lebenden Rochen erforsch
Weiterlesen

Fossil des spätjurassischen Hais Protospinax annectans aus Solnhofen und Eichstätt, Deutschland; Bildquelle: Sebastian Stumpf

Hai aus der Jurazeit bereits hochentwickelt

Molekularbiologischer Stammbaum liefert neue Einblicke in die Evolution von Knorpelfischen
Weiterlesen

Universitäte Wien

Erwärmung des Ozeans ließ Fische in der Dämmerzone schrumpfen

In einer Zwischeneiszeit im mittleren Pleistozän reduzierten Fische in der mesopelagischen Zone ihre Körpergröße um bis zu 35 Prozent – Wärmere Meere könnten demnach zukünftig weniger CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen
Weiterlesen

Fossiler Tintenfisch: Knorpel und Armhäkchen, Mikro CT; Bildquelle: NHM Wien, A. Lukeneder

Weltweit erste fossile Knorpel von Tintenfischen entdeckt

Ein Forschungsteam des Naturhistorischen Museums Wien und der Universität Wien hat über 10.000 einzigartige Fossilien der alpinen Triaszeit untersucht
Weiterlesen

Laichzähne ; Bildquelle: S. Döring, Senckenberg Weimar

Eine Million Jahre alte Werra-Lachse

Paläontologin Madelaine Böhme hat den ersten Fossilnachweis für Atlantische Lachse erbracht. Die von ihr beschriebenen Fossilfunde von nicht weniger als sechs Lachsen stammen aus der senckenbergischen Forschungsgrabung im thüringischen Untermaßfeld
Weiterlesen

Zahn von 'Cladodus gailensis'; Bildquelle: NHM Wien, Alice Schumacher

Die ältesten Haizähne Österreichs geben Hinweis auf eine globale Klimakrise vor 325 Millionen Jahren

Die stete Drift der Kontinente formt nicht nur Gebirgszüge, sondern hat auch großen Einfluss auf die Tierwelt im Meer.
Weiterlesen

Schädelelemente des neuen hybodontiformen Urzeithaies Durnonovariaodus maiseyi aus der Kimmeridge Clay Formation in England; Bildquelle: Sebastian Stumpf

Neuer ausgestorbener Urzeithai entdeckt

Ein internationales Team um Sebastian Stumpf von der Universität Wien stellt in "PeerJ" das fossile Skelett eines ausgestorbenen Urzeithaies vor, das einer bisher unbekannten Gattung und Art zuzurechnen ist
Weiterlesen

Einige der fossilen Knochen der jungen Seekuh mit den Biss Spuren und beiliegenden Zähnen des Tigerhaies Galeocerdo aduncus; Bildquelle: NHM Wien

Tigerhai-Angriff vor 14.5 Millionen Jahren endete tödlich für steirische Seekuh

Forscher*innen des NHM Wien identifizierten ein einzigartiges fossiles Skelett einer Seekuh. Bei den Untersuchungen wurden neben Biss-Spuren an den Knochen der Seekuh auch Zähne eines Tigerhais entdeckt
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen