Lichtverschmutzung macht Fische mutig

(21.09.2018) Künstliches Licht in der Nacht macht Guppys am Tage risikobereiter, so das Ergebnis eines Verhaltensexperiments von Forschern des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und des Max-Planck Instituts für Bildungsforschung.

Die Fische waren durch die Lichtverschmutzung nachts aktiver, kamen aber auch tagsüber häufiger aus ihrem Versteck – scheinen also unerschrockener auf Fressfeinde zu reagieren. Die nächtliche Beleuchtung beeinflusste jedoch nicht die Schwimmaktivität oder das soziale Verhalten bei Tage.

Lichtverschmutzung kann vielfältige Einflüsse auf Ökosysteme haben. Vor allem nachtaktive Tiere wie Insekten oder Vögel sind betroffen, da sie bei ihren nächtlichen Ausflügen durch künstliche Lichtquellen fehlgeleitet werden können.


Venezuela Guppys

Aber permanente nächtliche Beleuchtung kann auch das Verhalten von Tieren am Tag beeinflussen. So werden Ratten und Mäuse, die unter nächtlichem künstlichem Licht gehalten werden, auch tagsüber aktiver.

Wie sich Lichtverschmutzung auf das Verhalten von Fischen bei Tage auswirkt, erforschte ein Team um Ralf Kurvers vom Max-Planck Institut für Bildungsforschung in Kooperation mit dem IGB an Guppys.

Dieser tropische Süßwasserfisch ist ein Modellorganismus der Verhaltensforschung. Die Wissenschaftler untersuchten drei Gruppen von Tieren, die jeweils für zehn Wochen unterschiedlichen nächtlichen Beleuchtungen ausgesetzt waren. Die erste Gruppe erlebte nachts die völlige Dunkelheit.

Die zweite Gruppe wurde nachts bei schwachem Licht gehalten, vergleichbar mit der nächtlichen Beleuchtungsstärke unter einer Straßenlaterne und nur wenig heller als bei Vollmond.

Die dritte Gruppe wurde auch nachts mit Tageslicht beleuchtet. Das Ergebnis: Die Fische verließen tagsüber ihre Verstecke schneller und schwammen öfter in die Mitte ihres Aquariums, wenn sie zuvor nachts für einige Wochen starkem, aber auch schwachem künstlichem Licht ausgesetzt waren. Sie zeigten also eine erhöhte Risikobereitschaft.

„Die Konsequenzen für die mutigeren Fische lassen sich schwer abschätzen – es ist aber möglich, dass sie häufiger von Vögeln gefressen werden”, sagt IGB-Forscher David Bierbach, Co-Autor der Studie.

Bei anderen Verhaltensweisen wie Schwimmaktivität und Sozialität konnten die Verhaltensforscher jedoch keinen Unterschied zu den Kontrollfischen – mit einem normalen Tag-Nachtrhythmus – finden.

„Wir vermuten, dass das nächtliche Licht ein Stressfaktor für die Tiere darstellt.Fische werden unter Stress generell mutiger”, erklärt Ralf Kurvers, Hauptautor der Studie, die Ergebnisse.

Auch beim Menschen ist bekannt, dass es Auswirkungen auf die verschiedenen Hormonsysteme – auch auf die sogenannte Stressachse – haben kann, wenn man die Nacht zum Tage macht.

Zum Beispiel zeigen Feuerwehrleute die nachts arbeiten müssen häufig erhöhte Cortisol-Level – ein klares Anzeichen für Stress.



Weitere Meldungen

Nachtaufnahme von Paris; Bildquelle: Dennis Kummer, Unsplash

Alle europäischen Fledermausarten reagieren sensibel auf künstliches Licht – mit Varianz zwischen Arten und Habitaten

In einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „BioScience“ gibt ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung einen umfassenden Überblick über die Effekte von künstlichem Licht auf europäische Fledermausarten
Weiterlesen

Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii); Bildquelle: Christian Giese

Künstliches Licht und Baumbestand beeinflussen die Aktivität von Fledermäusen in der Stadt

Künstliches Licht gilt zurecht als bedeutende kulturelle, soziale und wirtschaftliche Errungenschaft. Zugleich wird dem künstlichen Licht ein negativer Einfluss auf die Tierwelt nachgesagt, insbesondere auf nachtaktive Tiere in Großstädten
Weiterlesen

Flussbarsche reagieren empfindlich auf Lichtverschmutzung.; Bildquelle: Michael Feierabend

Schlafen Stadt-Fische schlechter? Lichtverschmutzung unterdrückt Melatoninbildung bei Barschen

Melatonin taktet die innere Uhr, dank eines hohen Melatoninspiegels werden Menschen abends müde. Melatonin ist auch bei Tieren wichtig für den Biorhythmus
Weiterlesen

Die Gebiete der Stadt, die die Fledermäuse für die Jagd präferieren; Bildquelle: Voigt & Gras/Leibniz-IZW

Fledermäuse bevorzugen dunkle Gebiete in der hell erleuchteten Stadt

Für Menschen ist eine Stadt ohne nächtliche Straßenbeleuchtung kaum mehr vorstellbar. Doch wie reagieren nachtaktive Tiere wie Fledermäuse auf die beleuchtete Stadtlandschaft?
Weiterlesen

Illumination von Fledermaushöhlen; Bildquelle: Stefan Greif

Beleuchtung von Höhlen vertreibt Fledermäuse – die Farbe des Lichts spielt nur untergeordnete Rolle

ForscherInnen haben untersucht, wie sich die Beleuchtung von Fledermaushöhlen auf das Verhalten der Tiere auswirkt und ob die Farbe des Lichts dabei eine Rolle spielt
Weiterlesen

Fliegende Rauhautfledermaus; Bildquelle: Christian Giese

Rotes Licht bei Nacht: eine potenziell fatale Attraktion für migrierende Fledermäuse

Weltweit nimmt nachts die Lichtverschmutzung rasant zu. Besonders nachtaktive Tiere sind davon betroffen, ohne dass bekannt ist, wie sie im Einzelnen auf künstliches Licht reagieren
Weiterlesen

Migrierende Fledermäuse werde von künstlichem Licht abgelenkt.; Bildquelle: Oliver Lindecke

Künstliches Licht beeinflusst migrierende Fledermäuse Die Entscheidung liegt auch bei Ihnen!

Migrierende Fledermäuse werden durch künstliches Licht von ihrer nächtlichen Flugroute abgelenkt. Aber nicht, weil sich an der Lichtquelle vermehrt Insekten tummeln – sondern weil das Licht selbst sie anzieht
Weiterlesen

Insekten jagende Fledermaus an einer Straßenlaterne; Bildquelle: Daniel Lewanzik/IZW

LED-Straßenbeleuchtung beeinflusst Fledermaus-Aktivität

Die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende Leuchtdioden (LEDs) hat erheblichen Einfluss auf Fledermäuse, die fliegenden Jäger der Nacht
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen