Altersbedingte Abnahme der Mitochondrienfunktion bei Fischen

(25.06.2011) Der afrikanische Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri) hat eine Lebensspanne von nur wenigen Monaten und zeigt innerhalb dieser kurzen Zeit typische Symptome des Alterns.

Wissenschaftlern des Leibniz-Institutes für Altersforschung in Jena gelang zusammen mit Kollegen der Friedrich-Schiller-Universität und Goethe-Universität (Frankfurt/M.) der Nachweis, dass der Alterungsprozess von N. furzeri eng mit der Funktion der Mitochondrien (Kraftwerke der Zelle) verbunden ist.


Der Alterungsprozess des türkisen Prachtgrundkärpflings; neuer Modellorganismus für die Altersforschung am Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena

Mit dem Alter nahm die Menge an mitochondrialer DNA ab und die Mitochondrienfunktion verringerte sich. In der aktuellen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift “Aging Cell“ (May 31, 2011) wurden diese Ergebnisse publiziert.

Mitochondrien sind kleine Zellorganellen, die auch als "Kraftwerke der Zelle" bezeichnet werden. Für die Bereitstellung von Energie für alle Stoffwechselvorgänge in den Zellen sind sie von essentieller Bedeutung; d.h. ohne die durch sie vermittelte ausreichende Bereitstellung von Adenosintriphosphat (ATP), dem "biochemischen Kraftstoff" der Zellen, ist ein (unser) Leben nicht möglich.

Jedes dieser Zellkraftwerke besitzt ein eigenes Genom, auch als mitochondriale DNA (mtDNA) bezeichnet, und verfügt über einen eigenen Teilungszyklus, mit dem sie sich schnell den Belastungen der Zelle anpassen können. Je größer die Aktivität einer Zelle ist, umso zahlreicher sind die Mitochondrien in der Zelle vertreten.

Wird die Leistungsfähigkeit dieser Kraftwerke gestört, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Zelle selbst und das Organ, dem sie angehört, sondern auch auf das ganze Individuum. Mitochondriale Störungen führen zu Fehlfunktionen und damit zu krank machenden Prozessen in allen Bereichen des Körpers, so dass dem Schutz der Mitochondrien eine besondere Bedeutung zukommt.

Welche Rolle die Mitochondrien beim Alterungsprozess von Nothobranchius furzeri, dem türkisen Prachtgrundkärpfling, spielen und ob womöglich Veränderungen in der mtDNA die Ursache für die Kurzlebigkeit des Fisches (~ 3 Monate) sind, untersuchten jetzt die Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena zusammen mit Kollegen der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Goethe-Universität in Frankfurt/Main.

Der ursprünglich aus Afrika stammende Fisch dient den Wissenschaftlern am FLI als Modellorganismus für die Erforschung des Alterns. Seine Kurzlebigkeit ermöglicht es, die biologischen Veränderungen beim Altern in kürzester Zeit zu beobachten. Im Gegensatz zu anderen kurzlebigen Modellorganismen, wie z.B. der Fruchtfliege Drosophila oder dem Fadenwurm C. elegans, steht er dem Menschen aber evolutionär sehr viel näher.

"Es wird bereits seit langem vermutet, dass Mitochondrien einen entscheidenden Einfluss auf Alterungsprozesse und typische Alterskrankheiten haben, aber auch eine wichtige Rolle bei lebensverlängernden Prozessen spielen könnten", berichtet Prof. Christoph Englert vom Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena. "Da die Mitochondrien als Zellkraftwerke in den Energiemetabolismus der Zellen direkt eingebunden sind, lag es nahe, bei Nothobranchius furzeri nachzuschauen, ob trotz oder gerade wegen seiner sehr kurzen Lebensspanne, Mitochondrien beim Alterungsprozess eine Rolle spielen".

Dazu war es zunächst erforderlich, die mtDNA von N. furzeri vollständig zu sequenzieren. Es zeigte sich, dass N. furzeri mit 19,527 Basenpaaren (bp) ein größeres mitochondriales Genom besitzt als die meisten anderen Wirbeltiere inklusive des Menschen (Größe zwischen 16,000 und 17,000 bp). Während die Anzahl und Anordnung der mitochondrialen Gene auch bei N. furzeri sehr konserviert sind, befinden sich die zusätzlichen DNA-Sequenzen ausschließlich in der sogenannten Kontrollregion.

Beim Menschen ist bekannt, dass bestimmte Abschnitte der mitochondrialen DNA mit dem Alter verloren gehen können und es somit zu Funktionseinbußen der Mitochondrien kommen kann. „Wir haben bei N. furzeri keine Hinweise auf solche altersbedingten Deletionen (Abschnittsverluste) gefunden“, so Dr. Nils Hartmann, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe von Prof. Englert. "Allerdings konnten wir nachweisen, dass die Gesamtmenge an mitochondrialer DNA in verschiedenen Geweben des Fisches mit dem Alter abnimmt", so Dr. Hartmann weiter. "Eine Konsequenz davon könnte die beobachtete altersbedingte Verringerung der Mitochondrienfunktion sein."

"Interessant ist nun die Frage, was passiert, wenn man die Menge an mitochondrialer DNA konstant hält", merkt Prof. Englert an. "Verbessert sich dann auch die Mitochondrienfunktion oder hat das vielleicht sogar einen positiven Effekt auf die Lebensspanne des Fisches?" Erste Ansätze dazu werden derzeit erarbeitet und lassen in Kürze auf weitere spannende Ergebnisse hoffen.



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