Ozeanversauerung schädigt Dorschlarven mehr als bislang vermutet

(18.02.2019) Der Kabeljau, auch bekannt als Atlantischer Dorsch, gehört zu den wichtigsten kommerziell genutzten Fischarten weltweit. Studien der vergangenen Jahre zeigten, dass zunehmende Ozeanversauerung seinen Nachwuchs bedroht.

Doch bisher bestand die Hoffnung, dass wenigstens die Larven, die überleben, widerstandfähiger sind und somit langfristig der Population eine Anpassung ermöglichen.

Eine neue Studie, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel jetzt im Fachjournal Global Change Biology veröffentlicht haben, weist jedoch in eine andere Richtung.


Dorschlarven kommen mit veränderten pH-Werten im Meerwasser nur schlecht zurecht.

Ozeanversauerung ist neben steigenden Temperaturen und sinkenden Sauerstoffgehalten eine der Hauptbelastungen für den Lebensraum Meer in Zeiten des Klimawandels. Steigende Kohlenstoffdioxid (CO2)-Konzentrationen in der Atmosphäre führen dazu, dass auch das Meerwasser immer größere Mengen an CO2 aufnimmt.

Durch die Reaktion des CO2 mit dem Wasser entsteht Kohlensäure. Der pH-Wert sinkt – das Meer wird saurer.

Der genaue Einfluss der Versauerung auf die Gesamtheit der marinen Ökosysteme ist weiterhin schwer vorherzusagen. Allerdings gibt es vermehrt Hinweise darauf, dass einige Arten sehr unter den Veränderungen leiden werden.

Eine dieser Arten ist der Atlantische Dorsch, auch Kabeljau genannt. Eine neue Studie, die Forscherinnen und Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zusammen mit Kollegen aus Frankreich und Norwegen jetzt im internationalen Fachjournal Global Change Biology veröffentlicht haben, belegt zusammen mit vorherigen Arbeiten, dass hohe CO2-Konzentrationen im Meer ausgerechnet den Nachwuchs der Art bedrohen.

Bereits in einer früheren Studie haben die Forschenden gezeigt, dass auf Grund von Ozeanversauerung deutlich weniger Dorschlarven überleben. Damit erreichen weniger Exemplare die Geschlechtsreife und können sich fortpflanzen.

„Bisher wurde aber angenommen, dass zumindest die überlebenden Larven besser mit der Ozeanversauerung umgehen können“, sagt Dr. Martina Stiasny vom GEOMAR, Erstautorin der aktuellen Studie, „das könnte über Folge-Generationen zu einer Anpassung der Art führen“. Doch dieser Hoffnung widersprechen die Ergebnisse der jetzt veröffentlichten Untersuchung.

Sie zeigen, dass auch diese überlebenden Larven erhebliche Organschäden und Entwicklungsverzögerungen aufweisen. „Besonders die im Verhältnis zur Körpergröße unterentwickelten Kiemen der Larven sind ein sehr schlechtes Zeichen“, erklärt Dr. Catriona Clemmesen, Leiterin der Gruppe „Fischlarvenökologie“ am GEOMAR.

Kiemen sind, wie die Lungen beim Menschen, eines der wichtigsten Organe und regeln neben der Aufnahme von Sauerstoff auch den Ausgleich des verringerten pH-Wertes. Eine Unterentwicklung der Kiemen kann daher weitreichende Folgen für die Larven in den folgenden Lebensstadien haben.

Eine weitere Veröffentlichung aus dem vergangenen Jahr zeigte bereits, dass auch die Elterngeneration sich nur in erhöhten CO2-Werten akklimatisieren und gesünderen Nachwuchs produzieren kann, wenn das Angebot an Nahrung größer wurde.

„Diese Idealbedingungen werden in der Natur vermutlich nicht vorzufinden sein“, sagt Dr. Clemmesen. Unter realistischeren Nahrungsbedingungen für die Larven führt die Hälterung der Elterngeneration unter Ozeanversauerungsbedingungen zu einem noch schlechteren Gesundheitszustand bei den Larven.

„Unsere Ergebnisse sind von besonderer Bedeutung, da der Dorsch eine der wichtigsten kommerziellen Arten weltweit ist und damit eine bedeutende Fischerei-Industrie unterhält. Außerdem ist er für viele Menschen eine wichtige Eiweißquelle“, fasst Dr. Martina Stiasny zusammen.

„Kleiner werdende Dorschbestände haben daher weitreichende Folgen nicht nur für Umwelt und marine Ökosysteme, sondern auch für Fischer, Industrie und die menschliche Ernährung.“

Publikation

Stiasny, M.H., Sswat, M., Mittermayer, F.H., Falk-Petersen, I.B., Schnell, N.K., Puvanendran, V., Mortensen, A., Reusch, T.B.H., Clemmesen, C. (2019): Divergent responses of Atlantic cod to ocean acidification and food limitation. Global Change Biology,
https://doi.org/10.1111/gcb.14554



Weitere Meldungen

Polardorsch; Bildquelle: Alfred-Wegener-Institut

Klimawandel bedroht Polardorschbestände in der Arktis

Der Polardorsch ist der am häufigsten vorkommende Fisch im Arktischen Ozean. Er ist wichtige Nahrungsgrundlage für arktische Meeressäuger und spielt bei der Selbstversorgung der Inuit eine wichtige Rolle
Weiterlesen

Dorsche ; Bildquelle: Jan Dierking, GEOMAR

Was der Fischer davon hat, die Evolution des Kabeljaus zurückzudrehen

Überfischung und Übernutzung der Meere haben bei Fischbeständen wie dem Kabeljau zu evolutionären Veränderungen geführt
Weiterlesen

Dorsch; Bildquelle: I. Oelrichs

Kein Nachwuchs bei Dorsch und Hering: Fischbeständen in der westlichen Ostsee droht Kollaps

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung in Kiel haben zusammen mit mehreren Berufsfischern in der Kieler Förde Untersuchungen zum Zustand und Laicherfolg von Dorsch und Hering im Frühjahr 2020 durchgeführt
Weiterlesen

Karte von Grönland mit Wanderungsbewegungen des Kabeljaus. Rot: Unterwasserbänke an der Ostküste; Bildquelle: Thünen-Institut

Heimatverbundener Kabeljau

Bei der Abwägung zwischen gutem Futterangebot und sicherem Umfeld entscheidet sich der Grönland-Kabeljau eher für Sicherheit
Weiterlesen

Dorschlarven; Bildquelle: Flemming Dahlke

Klimaflüchtling Kabeljau

Hohe Wahrscheinlichkeit für Verlust von Laichgebieten bei mehr als 1,5 Grad Erwärmung
Weiterlesen

Arktische Schlüsselart: der Polardorsch (Boreogadus saida); Bildquelle: Alfred-Wegener-Institut / H. Flores

Wo das Meereis schmilzt, finden junge Polardorsche kein Futter mehr

Im arktischen Nahrungsnetz nimmt der Polardorsch eine Schlüsselrolle ein: Von ihm ernähren sich Wale, Robben und Seevögel gleichermaßen
Weiterlesen

Entwicklung des Elternbestandes des Dorsches in der westlichen Ostsee.; Bildquelle: ICES 2016, Grafik Future Ocean

Kieler Forschende warnen vor Zusammenbruch des Dorschbestandes in der westlichen Ostsee

Neues Positionspapier kritisiert fischereipolitische Maßnahmen von EU und Bundesregierung als nicht ausreichend
Weiterlesen

Die Dorsche werden mit einer gelben Kunststoffmarke versehen. Wer solche Fische in seinem Fang hat wird gebeten, sie beim Thünen-Institut Rostock abzugeben; Bildquelle: Thünen-Institut/C. Waitkus, A. Schütz

Forschungsprojekt zur Altersbestimmung von Dorschen

„Wie alt ist der Dorsch?“ Diese Frage stellen sich Fischer, Angler und Touristen an der Ostseeküste immer wieder, aber genau beantworten kann sie zurzeit niemand
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen