Schwimmroboter gibt wertvolle Einblicke in die Fortbewegung von Fischen

(09.06.2020) Immer mehr Forscher entwickeln Robotermodelle, die der morphologischen Intelligenz von Tieren entsprechen.

Robotiker des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme und der Harvard University bauen einen schwimmenden Soft-Roboter – und untersuchen, wie er sich in Wasser wellenartig fortbewegt.

Aus den Erkenntnissen über die Parameter, die die Schubkraft des Roboters beeinflussen, ziehen sie dann Rückschlüsse auf die komplexe Fortbewegung von echten Fischen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS), die dem Forschungskonsortium Cyber Valley angehören, haben zusammen mit Forschern der Harvard University einen schwimmenden Soft-Roboter entwickelt und seine wellenartige Fortbewegung im Wasser untersucht. Das weiche „Modelltier“ soll helfen, das komplexe, in der Natur oft beobachtete Fortbewegungsverhalten zu entschlüsseln.


Ardian Jusufi und der weiche robophysikalische Modellfisch

Das Forschungsteam extrahiert die Konstruktionsprinzipien und Fortbewegungsfähigkeiten der Tiere, um bessere Roboter zu bauen – und um wiederum wertvolle Erkenntnisse über die morphologische Intelligenz der Tiere zu gewinnen.

Ihre Forschungsarbeit „Fish-like aquatic propulsion studied using a pneumatically-actuated soft-robotic model“ wurde am 9. Juni 2020 im Fachjournal Bioinspiration & Biomimetics veröffentlicht.

Wenn ein Fisch im Wasser schwimmt, fließen elektrische Impulse in Wellen durch seine Muskeln. Vom Kopf bis zum Schwanz biegt sich das Tier von einer Seite zur anderen und erzeugt so Antrieb nach vorne.

Das Forschungsteam hat untersucht, welche Parameter die Schwimmbewegung beeinflussen: Steifigkeit und Beweglichkeit des Fischkörpers bzw. die Geschwindigkeit der Bewegungen von rechts nach links. Bei lebenden Fischen sind solche Parameter schwer zu isolieren und einzeln zu messen – deshalb baute das Team einen Fischroboter.

Die Gruppe entwickelte ein pneumatisch betätigtes, fischähnliches Modell aus weichem Silikon und untersuchte damit, welche Schubkräfte durch verschiedene Parameter ausgelöst werden und wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

Sie maßen den Vorwärtsschub sowie die beim Schwimmen erzeugten Seitenkräfte und das Drehmoment mit einem statistischen linearen Modell.

„Wir haben herausgefunden, dass sowohl die Steifigkeit als auch die Frequenz die Schwimmkinematik wesentlich beeinflussen und dass es komplexe interaktive Auswirkungen dieser beiden Parameter auf den Schub gibt“, sagt Ardian Jusufi, der die unabhängige Cyber Valley Forschungsgruppe „Locomotion in Biorobotic and Somatic Systems“ am MPI-IS leitet.

„Je steifer das Rückgrat unseres fischähnlichen Roboters, desto wichtiger ist eine höhere Schwingfrequenz, um Schub zu erzeugen.“ Bei steiferen Robotermodellen führe die höhere Frequenz zu höheren Werten, sowohl was den Schub als auch was die Seitenkräfte anbelangt, fügt Jusufi hinzu. Große Seitenkräfte jedoch reduzierten wiederum die Schwimmeffizienz.

Jusufi und dessen Mitstreiter waren in der Lage, diesen Effekt durch kleinere Wellenbewegungen abzuschwächen. Durch eine angemessene Abstimmung der Bewegungen des linken und rechten Körpers verringerten sie die Amplituden der Seitenkräfte.

„Diese Forschungskooperation zielt auf das Verständnis des Muskel-Skelett-Systems bei Tieren ab, das ist unsere Priorität“, sagt Jusufi. „Während wir die einzigartigen Manöver und Strategien beobachten, die Tiere anwenden, ist es unser Ziel, die einprogrammierte morphologische Intelligenz zu entschlüsseln, um unser Roboterdesign zu verbessern.

Die von Robotik inspirierte Biologie kann uns helfen, die spektakulären und anmutigen Bewegungen, die in natürlichen Systemen beobachtet werden, besser zu verstehen und daraus Rückschlüsse zu ziehen, warum die Biologie ein bestimmtes Design hervorgebracht hat.“ Es handelt sich um einen Lernzyklus, bei dem die Biologie dazu beiträgt, die Fortbewegung des Roboters besser zu gestalten, und bei der der Roboter Einblicke in die Biologie eröffnet, die sonst nicht möglich wären.

Am Ende gewinnen Forscher wie Jusufi ein tieferes Verständnis für beides. In diesem Sinne hat sich Jusufis Labor auch in einer demnächst erscheinenden Publikation in Wiley Advanced Intelligent Systems für eine stärkere Nutzung der Soft-Robotik (inkl. Soft-Sensoren) eingesetzt, um neuromechanische Erkenntnisse aufzudecken.



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