200 Jahre Thierarzneykunst in Jena – von Goethe bis zur modernen Tiermedizin

(25.08.2016) Am 2. September 2016 wird in Jena ein besonderes Jubiläum gefeiert: Vor genau 200 Jahren wurde hier die Thierarzneyschule gegründet, die zahlreiche Impulse für die Tiermedizin setzte.

Hierzu gehören noch heute gültige Strategien zur Bekämpfung der Rindertuberkulose in Deutschland, die Thüringer Tierseuchenkasse mit ihren Tiergesundheitsdiensten oder die hier angesiedelte veterinärmedizinische Diagnostik und Forschung.


Die historische Thierarzneyschule in Jena, 1823. Der Mann im Zylinder soll Renner sein

Zur Feier des Jubiläums findet am 2. September ab 14 Uhr eine akademische Festveranstaltung in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität Jena statt. Im Anschluss eröffnet im Phyletischen Museum der Universität die Sonderausstellung „200 Jahre Thierarzneykunst in Jena“.

Öffentliche Vortrags- und Diskussionsabende in monatlicher Folge geben Einblicke in aktuelle Fragen des Zusammenlebens von Mensch und Tier, zur Tiergesundheit sowie zu ernährungsphysiologischen und gesundheitlichen Eigenschaften von Lebensmitteln tierischer Herkunft.

Einen Blick in ihre alltägliche Arbeit gewähren verschiedene Tierarztpraxen der Stadt. Organisatoren des Jubiläumsprogramms sind das Friedrich-Loeffler-Institut – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI), die Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU), die Landestierärztekammer Thüringen (LTKT), die Thüringer Tierseuchenkasse und die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG).

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gefährdeten Tierseuchen die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung und kriegerische Auseinandersetzungen forderten den Einsatz gesunder Pferde für die Heere. Deswegen entstanden in vielen europäischen Ländern Tierarzneischulen.

Nicht so in Jena! Hier waren die Präsenz von Johann Wolfgang von Goethe und seine Stellung im Großherzogtum Weimar-Sachsen-Eisenach entscheidend für die Etablierung einer Ausbildungsstätte für Landwirte und Tierärzte.


Knochenpräparat aus der Goethezeit, Sammlung Phyletisches Museum; Jena, Doppelköpfiges Kalb
Goethes Interesse an der Landwirtschaft, aber insbesondere an der vergleichenden („comparirten“) Anatomie bewog ihn dazu, die Gründung einer Tierarzneischule voranzutreiben.

Mit der Aufnahme der ersten Vorlesungen des Tiermediziners Theobald Renner in den Lehrkatalog der Universität für das Wintersemester 1816/17 am 3. September 1816 begann die Geschichte der tiermedizinischen Ausbildung und Forschung in Jena.

Nach Theobald Renner, der die Tierarzneischule am Heinrichsberg in Jena aufbaute und ihr zu wissenschaftlichem Ansehen innerhalb der Universität verhalf, prägten Karl Hobstetter und Victor Goerttler in ihren jeweiligen Amtsperioden die Entwicklung.

Während Hobstetter Anfang des 20. Jahrhunderts den neuen Standort der universitären Veterinäranstalt in der Dornburger Straße zu einer der fortschrittlichsten veterinärmedizinischen Lehr- und Forschungsanstalten seiner Zeit ausbaute, setzte sich Goerttler für die Gründung des Instituts für bakterielle Tierseuchenforschung (ITSF) der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin ein.

Dieses nahm am 1. Juli 1954 seine Arbeit auf und zog in den 1960er Jahren, gemeinsam mit dem damaligen Veterinäruntersuchungs- und Tiergesundheitsamt (VUTGA), in den Norden Jenas nach Zwätzen. Bis zu seiner Emeritierung leitete Goerttler drei tierärztliche Institutionen in Jena: die Veterinäranstalt der Universität sowie ITSF und VUTGA.

Aus dem ITSF wurde zwischenzeitlich ein Standort des Friedrich-Loeffler-Instituts, in dem weiterhin auf modernstem Stand veterinärmedizinische Forschung betrieben wird. Das ehemalige VUTGA arbeitete zunächst als Bezirksinstitut für Veterinärwesen (BIV); heute führt das Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz in Bad Langensalza dessen Aufgaben fort.

Die ehemals im VUTGA bzw. BIV angesiedelten Tiergesundheitsdienste sind heute ein wichtiges Arbeitsgebiet der Thüringer Tierseuchenkasse mit Sitz in der Victor-Goerttler-Straße in Jena. Die Gebäude und Räume der ehemaligen Veterinäranstalt in der Dornburger Straße beherbergen heute Institute des Universitätsklinikums und der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Im Rahmen der Jubiläumsaktivitäten finden vom 31. August bis 2. September zwei Fachtagungen der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft statt. Im Hörsaal der Zoologie der Friedrich-Schiller-Universität kommen Veterinär-Epidemiologen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zu ihrer Jahrestagung zusammen.

In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf Faktoren, welche die Verbreitung von Infektionskrankheiten der Tiere beeinflussen. Um „Mikrobiologie in der Tiermedizin GESTERN – HEUTE – MORGEN“ geht es auf der Tagung der DVG-Fachgruppe „Bakteriologie und Mykologie“ im Volksbad Jena.

Wissenschaftshistorisch sind die entscheidenden Entwicklungen und die über 200 Jahre handelnden Protagonisten erforscht und im gerade erschienen Buch „Meilensteine aus 200 Jahren Thierarzneykunst in Jena (1816 – 2016)“, herausgegeben von Georgy S. Levit, Uwe Hoßfeld und Petra Reinhold, beschrieben.



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