AGES - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES zu Rinder-Paratuberkulose: Österreich setzt auf Vorbeugung

(31.03.2005) Österreich: Studien liefern klare Daten und geben Sicherheit.
Zusammenhang mit Morbus Crohn wissenschaftlich nicht gesichert

Den Meldungen über eine angeblich neue Rinderseuche, die auch Menschen befalle, begegnet die AGES, die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH., mit Fakten.

Paratuberkulose bei Rindern: Erreger sind Bakterien

Die Paratuberkulose ist eine unheilbare Infektionskrankheit bei Rindern. Infizierte Tiere zeigen lange Zeit keine Krankheitssymptome und sind dadurch nur schwer zu erkennen. Auch die Bekämpfung der Krankheit ist schwierig. Der Erreger der Paratuberkulose ist ein Bakterium mit dem wissenschaftlichen Namen Mycobakterium avium subspecies paratuberculosis, kurz MAP genannt. Eine besondere Eigenschaft dieser Bakteriengruppe ist die lange Zeit zwischen der Ansteckung und dem Auftreten erster Krankheitssymptome. Für die Paratuberkulose variiert diese so genannte Inkubationszeit von einem bis zu 10 Jahren. Die Bakterien nisten sich in der Darmwand des Rindes ein und verursachen eine sehr lang andauernde Darmentzündung. Die Erreger sind von einer festen Wachsschicht umgeben. Deshalb können sie sehr lange (länger als ein Jahr) außerhalb des Tieres überleben, so z.B. in Gülle, Wasser oder Erde. Unter dem Einfluss von UV-Strahlen (z.B. Sonnenlicht) sterben sie schneller ab.

Kälber sind im ersten Lebensjahr für eine Paratuberkulose sehr anfällig. Wenn es gelingt, in diesem Alter eine Infektion zu verhindern, ist die Gefahr einer Ansteckung später nur mehr sehr gering. Eine infizierte Kuh kann ab einem Alter von zwei Jahren Paratuberkulose-Erreger mit dem Kot ausscheiden und damit verbreiten. Daher ist die Untersuchung von Herden wichtig, um festzustellen, ob erkrankte Tiere darin sind, die andere anstecken können.

Bei Anzeichen einer Infektion sollte bei allen Tieren, die älter als 2,5 bis 3 Jahre sind, der Tierarzt eine Blutuntersuchung veranlassen, bei der Abwehrstoffe (Antikörper) gegen die Mycobakterien nachgewiesen werden können. Wenn sich Hinweise auf eine Ansteckung ergeben, kann mit einer Kotuntersuchung aller Tiere älter als zwei Jahre festgestellt werden, welche Tiere der Herde den Erreger ausscheiden. Der Nachweis der Paratuberkulose-Bakterien aus dem Kot ist jedoch sehr zeitaufwändig und ein Ergebnis liegt erst nach frühestens 3 bis 4 Monaten vor. Mit den zur Zeit zur Verfügung stehenden Labormethoden werden mit einer einzelnen Untersuchung aber in der Regel nicht alle infizierten bzw. Paratuberkulose-Bakterien ausscheidenden Tiere erfasst.

Unklare Hinweise auf Verbindung zu Morbus Crohn

Beim Menschen tritt eine ähnliche Erkrankung wie die Paratuberkulose beim Rind auf: Morbus Crohn. Die Erkrankung ist nach ihrem Entdecker, dem amerikanischen Magen- und Darm-Spezialisten Dr. Burrill B. Crohn benannt, der das Krankheitsbild 1932 erstmals in der Fachliteratur beschrieb. Während in Deutschland schätzungsweise 170.000 Menschen an dieser entzündlichen Veränderung des Verdauungstraktes leiden, sind es in den USA zwischen 400.000 und einer Million. Jährlich kommen dort 20.000 Neuerkrankungen hinzu. Eine erbliche Veranlagung wird angenommen, da Morbus Crohn in manchen Familien gehäuft auftritt. Die Erkrankung bricht meist zwischen dem 15. und dem 40. Lebensjahr aus. Als Therapie werden Cortisonpräparate, Entzündungshemmer, krampflösende sowie Medikamente gegen Durchfall eingesetzt. Teilweise kommen auch Antibiotika zum Einsatz.

In der Zeitschrift "The Lancet" wurde eine neue Untersuchung aus Orlando im US-Bundesstaat Florida veröffentlicht. Bei Blutuntersuchungen von 28 Crohn-Patienten und 15 gesunden Menschen konnten Mycobakterien bei 14 Patienten nachgewiesen werden, jedoch bei keinem der Gesunden. Im Begleitkommentar heißt es, die Studie beweise noch nicht, dass MAP eine Ursache für Morbus Crohn sei, sie werfe jedoch wichtige Fragen auf. Mediziner haben derzeit ca. acht bis 10 verschiedene Ursachen für das Auftreten von Morbus Crohn gefunden. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass ein einzelner Umstand allein zum Ausbruch der Krankheit führt. Vielmehr kommen offensichtlich viele verschiedene Faktoren zusammen - angefangen von erblicher Vorbelastung über Immunsystemschwächen bis eben zu Mycobakterien.

Forschen statt behaupten

Sicher ist, dass noch viele Fragen offen sind und weiterer Forschungsbedarf sowohl in der Humanmedizin als auch in der Veterinärmedizin gegeben ist. Es ist also falsch und wissenschaftlich nicht haltbar, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Mycobakterien, die Paratuberkulose beim Rind auslösen und dem Auftreten von Morbus Crohn beim Menschen herzustellen. Daher ist auch die geführte Diskussion über Milch nicht notwendig: Selbst wenn nach der Pasteurisierung der Milch geringste Zahlen von Mycobakterien in der Milch vorkommen sollten, stellen diese keine Gefahr für den gesunden Menschen dar. Die gesundheitlich positiven Aspekte von Milch und Milchprodukten überwiegen bei weitem.

Österreich vorbildlich in Europa: Wissenschaftliche Studie und klare Daten liegen vor

Da in Österreich das heutige Bundesministerium für Gesundheit und Frauen die Bedeutung der Rinder-Paratuberkulose bereits früh erkannt hat, wurden zwei umfangreiche Studien in Auftrag gegeben. Die Veterinärmedizinische Universität Wien untersuchte in einer Studie, veröffentlicht 1999, insgesamt 11.028 Rinder von 2757 Betrieben aus ganz Österreich. Statistische Auswertungen ergaben in Österreich eine Prävalenz von 2 Prozent antikörperpositiver Rinder aus 7 Prozent der Betriebe. Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung im Durchschnitt nur zwei von hundert Rindern erkrankt waren. Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten ist Österreich damit in mehrfacher Hinsicht vorbildlich: Die Zahlen liegen einerseits weit unter den Schätzungen der anderen Mitgliedstaaten und andererseits beruhen diese Zahlen in Österreich auf einer wissenschaftliche Studie, während in anderen Mitgliedstaaten nur Meldungen zu groben Schätzungen hochgerechnet wurden. Eine weitere Feldstudie aus den Jahren 2002-2004 ist derzeit noch in der Auswertungsphase.

Klare Daten als Grundlage für weiteres Vorgehen - Strategie der Vorbeugung

Um den größtmöglichen Schutz der Menschen zu gewährleisten, hat das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen bereits frühzeitig Studien beauftragt. Ein spezieller Ratgeber für Landwirte und Tierärzte sowie Vertreter der Tiergesundheitsdienste ist bereits in Vorbereitung und wird flächendeckend zur Verfügung gestellt werden. Damit soll verstärkt darauf hingewiesen werden, alle Tiere mit unstillbarem Durchfall untersuchen zu lassen. Das Ziel dieser österreichischen Vorbeugungsstrategie ist es, alle möglicherweise erkrankten Rinder in österreichischen Herden zu finden und zu töten. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird derzeit im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen geprüft.

Zusammenfassung

Paratuberkulose-Erkrankungen verursachen hohe wirtschaftliche Schäden einerseits durch die eigentlichen Tierverluste, andererseits aber durch verminderte Milchleistung, höhere Krankheitsanfälligkeit der betroffenen Tiere verbunden mit hohen Tierarztkosten sowie verminderte Schlachterlöse. Einen wissenschaftlich gesicherten Zusammenhang zwischen Paratuberkulose beim Rind und Morbus Crohn beim Menschen gibt es derzeit nicht, da es sich offenbar um eine Mehrfaktoren-Krankheit handelt. Milch ist jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft als Auslöser einer menschlichen Erkrankung nicht nachgewiesen. Auf jeden Fall ist verstärkte wissenschaftliche Forschung zur Paratuberkulose notwendig, um offene Fragen zu klären. Österreich verfolgt weiterhin die Strategie, auf Basis wissenschaftlicher Studien vorzubeugen, indem erkrankte Tiere identifiziert und gekeult werden. Somit werden in Österreich Mycobakterien bereits am Beginn der Lebensmittelkette bekämpft und die Sicherheit für die Menschen erhöht.

www.ages.at


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