VET-MAGAZIN logo
Miteinander, oder nur nebeneinander her? Wie sich Tiere in der Landschaft bewegen
Rick marin via Wikimedia Commons
Wie „Supergene“ bei Fischen helfen, neue Arten zu entwickeln
LIB, Hannes Svardal
Liegespuren mit Hautabdrücken von frühen Säugetierverwandten
Lorenzo Marchetti
Salamander leiden unter steigenden Temperaturen
Daniel Rosengren/Zoologische Gesellschaft Frankfurt
Wo Biber Dämme bauen, steigt die Zahl wasserlebender Tierarten
UDE / Sara Schloemer
Wo Biber Dämme bauen, steigt die…
Waldfledermäuse suchen Zuflucht in Siedlungen
Carolin Scholz/Leibniz-IZW
Neue Einblicke in die antivirale Abwehr bei Fledertieren
Zoharby via Wikimedia Commons
Neue Einblicke in die antivirale Abwehr…
Zauneidechsen fühlen sich an Bahngleisen wohl
Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN
Milchviehhaltung
Allgemein

Forschungsprojekt zu kuhgebundener Kälberaufzucht in Milchviehbetrieben

Die kuhgebundene Kälberaufzucht, bei der das Kalb nach der Geburt einige Zeit bei der Mutter oder einer Amme Milch säugt, trifft auf ein wachsendes Interesse von Milchviehhalter:innen.

. . .

Einige Praxisfragen sind jedoch ungeklärt, beispielsweise wie Landwirt:innen überprüfen können, ob die Kälber ausreichend Milch erhalten. Ein neues Projekt von Technischer Universität München (TUM), Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) und Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) arbeitet an Lösungen.

Im Interview sprechen die Forschenden über Herausforderungen des Verfahrens und wie sie mit ihrem neuen Projekt an Ansätzen für die Praxis forschen. Julia Steinhoff-Wagner ist Professorin für Tierernährung und Metabolismus an der TUM. Dr. Jan Harms koordiniert an der LfL den Arbeitsbereich „Systeme der tierischen Erzeugung“. Prof. Eva Zeiler arbeitet als Tierärztin und leitet den Lehrstuhl für Tierproduktionssysteme in der ökologischen Landwirtschaft an der HSWT.

An welchen Stellen gibt es Forschungsbedarf bei der kuhgebundenen Kälberaufzucht?

Julia Steinhoff-Wagner (TUM): Aus meiner Sicht gibt es einige Grundsatzfragen, die bisher noch nicht geklärt wurden. In mancher Hinsicht, beispielsweise für den Immunstatus, bringt die kuhgebundene Kälberaufzucht Vorteile mit sich. Andererseits: Wird das Kalb erst später von seiner Mutter getrennt, ist damit deutlich mehr emotionaler Stress verbunden als direkt nach der Geburt. 

In unserem Forschungsprojekt ist es uns wichtig, das Tierwohl ganzheitlich zu betrachten. Wir müssen darauf achten, dass sich durch die kuhgebundene Kälberaufzucht das Tierwohl und die Tiergesundheit verbessern oder, wenn diese bereits auf einem guten Niveau sind, dort erhalten werden.

Unser Plan ist, Landwirt:innen zunächst mit einer Online-Umfrage zu befragen, welche Herausforderungen sie sehen. Dies umfasst Fragen der Tierernährung, zum Beispiel wie Kuh und Kalb entsprechend der Empfehlungen versorgt werden können, genauso wie den Bereich Landtechnik, etwa wie Fressgitter aussehen müssen, dass die Kuh jederzeit Zugang zu Futter hat und trotzdem das Kalb nicht hindurchschlüpfen kann.

Eva Zeiler (HSWT): Als Tierärztin finde ich besonders spannend, wie sich kuhgebundene Kälberaufzucht auf die Eutergesundheit und die Inhaltsstoffe auswirkt. Wenn mehrere Kälber an der Kuh saufen, wird das Euter häufiger komplett geleert, was sich positiv auswirkt. Andererseits haben wir beobachtet, dass die Zitzen durch das Saugen und fehlende Pflegemittel stark beansprucht werden und es zu Hyperkeratosen kommen kann.

Frau Prof. Zeiler, Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung intensiv mit Tierhaltung in der ökologischen Landwirtschaft. Dort gibt es Betriebe, die bereits erfolgreich kuhgebundene Kälberaufzucht praktizieren. Welche Erfahrungen mit kuhgebundener Kälberaufzucht konnten Sie bereits in der Praxis beobachten?

Eva Zeiler (HSWT): In der Tierarztpraxis wie auch bei Forschungsprojekten nehme ich wahr, dass immer mehr Betriebe Interesse an kuhgebundener Kälberaufzucht zeigen – aus Gründen der Arbeitswirtschaft, des Tierwohls oder der Tiergesundheit. Wir haben allerdings festgestellt, dass es nicht ein Standardsystem für alle Betriebe gibt. Wie ein Betrieb das Verfahren umsetzt, muss zum Hof, der Herde und den Arbeitsabläufen passen. Außerdem: Nicht für jeden Betrieb passt kuhgebundene Kälberaufzucht. Unsere Erfahrungen aus Forschung und Praxis werden wir in dem neuen Verbundprojekt einbringen.

Was hält Landwirt:innen aktuell noch davon ab, dieses Konzept auf ihren Höfen umzusetzen?

Jan Harms (LfL): Das Interesse von Landwirt:innen an dem Konzept wächst. Häufig spüren wir allerdings eine gewisse Unsicherheit. Sie fragen sich, wie sich das Konzept auf das Tierwohl auswirkt. Das betrifft zum einen die Kälber: Bekommen sie ausreichend Milch? Nehmen sie das Verfahren überhaupt an? Schließlich sieht man nicht mehr, wie viel das Kalb aus Eimer oder Tränkeautomat getrunken hat. 

Manche Landwirt:innen haben die Erfahrung gemacht, dass Kühe nicht immer mütterlich mit den Kälbern umgehen. Bezüglich der Kühe möchten wir die Eutergesundheit untersuchen und wie es sich auf Kuh und Kalb auswirkt, wenn nach einer langen Bindungsphase Kuh und Kalb getrennt werden. Neben Tierwohlfragen ist die Vermarktung noch ungeklärt. Wird der Zusatzaufwand auch am Markt und letztendlich von den Konsument:innen honoriert?

Eine Sorge landwirtschaftlicher Praktiker:innen ist, ob die Kälber genug Milch bekommen. Wie können Landwirt:innen dies sicherstellen?

Julia Steinhoff-Wagner (TUM): Zwei Zeitabschnitte sind besonders kritisch, wenn es um die Milchaufnahme geht: Direkt nach der Geburt und nach der Trennung von der Kuh. In diesen Phasen kommt es häufiger vor, dass die Kälber nicht genug Milch trinken. Daher ist es wichtig, in beiden Fällen die Kälber gut zu beobachten und falls nötig, Hilfestellung zu geben. So müssen die Kälber beispielsweise nach der Geburt lernen, das Euter zu finden oder nach der Trennung von der Mutter mit Eimertränken und Festfutter umzugehen. Damit Landwirt:innen, aber auch Dritte wie Berater:innen oder Tierärzt:innen bewerten können, ob das Kalb ausreichend versorgt ist, entwickeln wir Beurteilungsbögen, die sich vor allem mit den von außen sichtbaren Indikatoren beschäftigen.

Wie unterstützt die LfL aktuell interessierte Landwirt:innen dabei, kuhgebundene Kälberaufzucht auf ihren Betrieben umzusetzen?

Jan Harms (LfL): Mit Forschungsprojekten wie diesem erarbeiten wir wissensbasierte Lösungen für die Fragen der Landwirt:innen. Aus den Ergebnissen erstellen wir Beratungsunterlagen. Außerdem bieten wir mit Infoveranstaltungen eine Plattform, sodass sich Landwirt:innen vernetzen und über Erfahrungen austauschen können. Somit muss nicht jeder erst einmal selbst Erfahrungen sammeln, sondern wir können die Landwirt:innen mit dem gesammelten Wissen unterstützen.

Wie wirkt sich die Kuhgebundene Kälberaufzucht auf die Milchleistungsprüfung aus?

Eva Zeiler (HSWT): Aktuell fallen Kühe aus der Milchleistungsprüfung (MLP), wenn sie drei Mal nicht kontrolliert wurden. Das ist ein großes Problem - schließlich ist die MLP ein wichtiges Tool, um Tiergesundheit und Ernährungsstatus zu bewerten. Zuchtbetrieben fehlt darüber hinaus ohne MLP eine essenzielle Grundlage für die Zuchtwertschätzung. Gemeinsam mit dem LKV Bayern entwickeln wir in unserem Projekt eine Lösung dafür. 

Unsere Idee ist es, auf Basis der vorherigen Leistungen hochzurechnen, wie viel Milch die Kuh in der Phase gibt, in der sie das Kalb säugt. Zusätzlich sichern wir dies über die Tageszunahmen des Kalbes ab. Landwirt:innen müssen sich somit nicht mehr zwischen kuhgebundener Kälberaufzucht und Milchleistungsprüfung entscheiden.

Das Projekt: Kuhgebundene Kälberaufzucht in Milchviehbetrieben in Süddeutschland - Entwicklungen von Indikatoren zur Bewertung von Tierwohl und Milchmengen

Die Forschenden von HSWT, LfL und TUM befragen im Projekt Milchviehbetriebe mittels einer Online-Umfrage. Die Umfrage richtet sich an alle milchviehhaltenden Landwirt:innen unabhängig von der Haltungsform der Kühe und Kälber. Die Beantwortung des Fragebogens nimmt etwa 10-20 Minuten in Anspruch.

. . .

Weitere Meldungen

Neuigkeiten aus der Wissenschaft

Rinderstall
Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN

Neue Verordnung zu MKS: Importverbot für tierische Produkte aus Ungarn gezielt angepasst

Importverbot gilt ab 14. April 2025 nur mehr für Regionen mit Schutz- oder Sperrzonen - Maßnahmen zum Schutz der Tiergesundheit bleiben aufrecht

Schloss Jelgava - Lettische Universität für Biowissenschaften und Technologie
Pudelek (Marcin Szala) via Wikimedia Commons

Hardenberg Institute vermittelt Veterinär-Studienplätze

Das Hardenberg Institute vermittelt Studieninteressierte aus Österreich und Deutschland an akkreditierte Veterinär-Fakultäten im EU-Ausland

Neues Artenschutzhaus für geschmuggelte Tiere im Tiergarten Schönbrunn eröffnet
Daniel Zupanc

Neues Artenschutzhaus für geschmuggelte Tiere im Tiergarten Schönbrunn eröffnet

Im Tiergarten Schönbrunn wurde am 11. April 2025 das neue Artenschutzhaus eröffnet

Vetmeduni Vienna
Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN

ÖTT-Tagung 2025: 20 Jahre Tierschutzgesetz – wo stehen wir?

Die 15. Tagung der Plattform Österreichische Tierärztinnen und Tierärzte für Tierschutz (ÖTT) findet am 8. Mai 2025 online statt.

Grenzübergang Loipersbach – Ágfalva
Steindy via Wikimedia Commons

Maßnahmen gegen Maul- und Klauenseuche: Grenzübergänge vorübergehend geschlossen

Erhöhte Biosicherheitsmaßnahmen für Betriebe, Importstopp für pflanzliche Futtermittel aus betroffenen Regionen, Abstimmung zwischen Behörden läuft gut

KATZENMEDIZIN #23
just4vets

KATZENMEDIZIN #23

Die aktuelle Ausgabe des Fachmagazins für Tierärzt:innen, KATZENMEDIZIN #23, ist soeben erscheinen

Vetmeduni Vienna
Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN

Vetmeduni Vienna verschiebt den Tag der offenen Tür

Als Vorsichtsmaßnahme wegen der in der Slowakei und in Ungarn ausgebrochenen Maul- und Klauenseuche (MKS) wird der Tag der offenen Tür in den September 2025 verschoben

Österreichische Tierärztekammer

Tierärztekammer fordert dringende Maßnahmen zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche (MKS)

MKS-Ausbrüche in der Slowakei und Ungarn weiterhin nicht unter Kontrolle

Präparat von Melina Haring: Kragenechse (Chlamydosaurus kingii), Präparat/Professional, Gewinn: 2. Rang (rote Schleife)
NHM Wien, Wilhelm Bauer

Fünf Erfolge der Präparator*innen für das NHM Wien

Im Februar 2025 fand zum 14. Mal die "European Taxidermy Championships", die Europameisterschaft der Präparator*innen, in Salzburg statt

Teile diesen Bericht auf:

Werbung via Google
Werbung via Google

Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Tierarztpraxis gründen und betreiben
Tierarztpraxis gründen und betreiben
(11. Jun. 2025) Der Leitfaden für die Selbstständigkeit in der Tiermedizin…
Suchterkrankung beim Hund
(3. Jun. 2025) Suchterkrankung beim Hund - gibt es das? Offenbar…
Wildtierfindlinge in der Tierarztpraxis
(27. Mai. 2025) Grundlagen der Wildtierhilfe, praktische Anwendung, tierärztliche Versorgung -…
The Equine Distal Limb
(22. Mai. 2025) An Atlas of Clinical Anatomy and Comparative Imaging-…
Tiergestützte Interventionen in der Psychiatrie
(16. Mai. 2025) Grundlagen, Methoden und Praxis der tiergestützten Interventionen in…
Laser Therapy in Veterinary Medicine: Photobiomodulation
(9. Mai. 2025) A comprehensive, up-to-date reference to the clinical applications…

Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

SIVEMAP 2025
SIVEMAP 2025
(31. Mär. 2025) Die SASAP (Serbian Association of Small Animal Practitioners)…
EVECC-Kongress 2025
(1. Mär. 2025) Der 22. European Veterinary Emergency and Critical Care…
FECAVA EuroCongress 2025 in Antwerpen
(17. Feb. 2025) FECAVA lädt Sie vom 3. bis 6. September…
Yaboumba Weltkongress 2025
(17. Feb. 2025) Der XV. Internationale Kongress für Medizin und Chirurgie…
Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan. 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…
Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt. 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…

Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien

FECAVA-Laboklin-Reisestipendium 2025
FECAVA-Laboklin-Reisestipendium 2025
(19. Mär. 2025) Die Tiermedizin kennt keine Grenzen und FECAVA und…
Bewerbungsfrist für den IGN-Forschungspreis für artgemäße…
(13. Mär. 2025) Der Forschungspreis der Internationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung (IGN)…
Felix Wankel Tierschutz-Forschungspreis geht an Studienteam…
(10. Mär. 2025) Alle zwei Jahre zeichnet die Tierärztliche Fakultät der…
Ausschreibung des Herbert-Stiller-Förderpreis für tierfreie Forschung
(6. Mär. 2025) Ärzte gegen Tierversuche fördert tierversuchsfreie Forschungsvorhaben mit 20.000…
Raubtiere vs. Bauern: Ceva Wildlife Research…
(3. Mär. 2025) Der Ceva Wildlife Research Fund unterstützt ein Projekt…
MSD und die FVE fördern 34…
(7. Feb. 2025) MSD Tiergesundheit und der Europäische Tierärzteverband (FVE) zeichnen…