Schweine als Organspender

(20.03.2023) Beue Erkenntnisse zur Prävention von Infektionen durch Retroviren

Intensiv wird daran geforscht, die Transplantation von Organen speziell gezüchteter Schweine auf den Menschen zu ermöglichen. Im Schweinegenom befinden sich allerdings die Genome verschiedener endogener Retroviren (PERV A, B and C), die möglicherweise Infektionskrankheiten verursachen könnten.

Paul-Ehrlich-Institut Ein Forschungsteam des Paul-Ehrlich-Instituts hat bei der Schweinerasse (Yucatan-Miniaturschwein „Haplotyp SLA D/D“) nachgewiesen, dass das Retrovirus PERV-C vermehrungsfähig und daher infektiös sein könnte.

Die Identifizierung des PERV-C-Genoms ermöglicht es jetzt, durch Gen-Editierung das PERV-C-Retrovirusgenom aus dem Genom dieser Schweine zu entfernen (Journal of Virology, 08.03.2023).

Aktuell stehen in Deutschland mehr als 8.500 Patientinnen und Patienten auf der Warteliste für eine Organspende. Organe für die Transplantation sind so knapp, dass Patientinnen und Patienten häufig sehr lange auf ein geeignetes Organ warten müssen.

Um hier Abhilfe zu schaffen, wird schon lange an der Möglichkeit geforscht, speziell gezüchtete Schweine als Organspender einzusetzen. Im vergangenen Jahr 2022 wurde in den USA die erste Transplantation eines genetisch veränderten Schweineherzens auf einen Patienten vorgenommen, für den keine anderen Therapien mehr zur Verfügung standen und der auch nicht für eine reguläre Organtransplantation in Frage kam.

Nach 49 Tagen kam es zu Komplikationen und nach 60 Tagen verstarb der Patient. Die Ursachen für das Organversagen werden noch untersucht.

Organtransplantation durch Tiere – Risiko durch Retroviren?

Bei der Transplantation eines Organs von einem Schwein auf einen Menschen – der Xenotransplantation – besteht das Risiko, dass endogene Retroviren des Schweins – Viren, deren Genom im Genom der Spendertiere, und zwar im Genom jeder Zelle dieser Schweine, verankert sind, – in Form vermehrungsfähiger Viruspartikel auf den Empfänger bzw. die Empfängerin übertragen werden könnten und Krankheiten hervorrufen könnten.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Betroffenen Medikamente erhalten, die das Immunsystem bremsen (Immunsuppression), um eine Organabstoßung zu verhindern.

Aufgrund der Verankerung der Retrovirusgenome im Genom jeder Zelle des Schweins ist bisher eine Entfernung der Retroviren oder eine Züchtung von Spenderschweinen ohne Retrovirus-Genome nicht möglich.

Die endogenen Retroviren der Schweine werden als PERV (porzine endogene Retroviren) bezeichnet. Sie sind eng verwandt mit Retroviren, die bei Mäusen, Katzen oder Gibbonaffen Leukämien und Immundefizienzerkrankungen auslösen können.

Daher wird vermutet, dass PERV nach Übertragung auf den Menschen diese Krankheiten bei diesen Menschen ebenfalls auslösen könnten.

Endogene Retroviren des Schweins (PERV) und ihr Übertragungsrisiko

Es wurde gezeigt, dass PERV zweier Klassen, PERV-A und -B, in vitro (in Zellkulturversuchen im Labor) nicht nur Schweinezelllinien infizieren können, sondern auch in der Lage sind, Zelllinien verschiedener Spezies, einschließlich des Menschen, zu infizieren und sich dort weiter zu vermehren.

Die Retroviren sind polytrop. Damit könnten PERV-A und PERV-B Speziesbarrieren überwinden und möglicherweise nach Übertragung auch Menschen infizieren.

Dagegen können Retroviren des Typs PERV-C hauptsächlich Schweinezellen, aber nicht menschliche Zellen infizieren. Allerdings ist in Laborversuchen beobachtet worden, dass PERV-C mit PERV-A rekombinieren kann, was zu PERV-A/C führte, welches menschliche Zellen infiziert. Im Vergleich zu den PERV-A und PERV-B vermehrt sich PERV-A/C in Zellkultur im Labor sogar besser.

Ein Schweinestamm, der für die Organspende besonders geeignet erscheint, ist eine Züchtung des Yucatan-Miniaturschweins.

Die Wildtypen (Vorfahren) dieses Schweins wurden vor 60 Jahren von Yucatan, Mexiko, zur Züchtung nach Boston, USA, gebracht.

Dort wurde über einige Jahre im Hinblick auf einen Einsatz der Tiere als Organspender für die Xenotransplantation die Rasse „Haplotyp SLA D/D“ generiert. Diese Züchtung besitzt weder ein voll funktionsfähiges PERV-A-, noch ein voll funktionsfähiges PERV-B-Genom, so dass keine infektiösen oder vemehrungsfähigen Retrovirus-Partikel gebildet werden.

Haplotyp SLA D/D-Schweine können aber PERV-C-Genomträger sein, aber bisher ging man davon aus, dass daraus entstehende PERV-C-Retroviruspartikel nicht replikationskompetent (vermehrungsfähig) und nicht infektiös sind, sofern diese Schweine nicht mit PERV-A infiziert werden.

Ein Forschungsteam des Paul-Ehrlich-Instituts unter Leitung von Prof. Dr. Ralf Tönjes, Arbeitsgruppenleiter im Fachgebiet Transfusionsmedizin, Zelltherapie und Gewebezubereitungen, hat sich mit der Frage befasst, ob nicht doch PERV-C selbst auch selbst replikationskompetent sein könnte.

Bei der Charakterisierung von PERV-C aus Zellen der Schweinerasse Haplotyp SLA D/D stellten sie fest, dass diese PERV-C in vitro durchaus replikationskompetent und infektiös sind, sich also in Zellkultur vermehren können.

Dies würde ein Risiko bei Transplantationen bedeuten. Die gute Nachricht ist: Da die diese PERV-C-Genome im Schweinegenom nur einmal vorkommen, wäre ein Knock-out – ein Ausschalten dieser PERV-C-Loci – durch Genom-Editierung, d.h. die zielgerichtete Veränderung der DNA des Schweins, möglich.

Damit wäre bei Organen von PERV-C-Knock-out-Schweinen des Haplotyps SLA D/D Schweinen kein Risiko der Übertragung von PERV bei der Xenotransplantation gegeben.

Die aktuellen Befunde liefern wertvolle Informationen auf dem Weg zu geeigneten Spendertieren für die Xenotransplantation.

Das Paul-Ehrlich-Institut ist für die wissenschaftliche Beratung zu und die Genehmigung klinischer Prüfungen von xenogenen Arzneimitteln in Deutschland zuständig.




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