Evolution im Zeitraffer: Wie der Mensch durch die Zucht den Schädel von Schweinen veränderte
Kurze Schnauzen und ein flaches Profil: Innerhalb von 100 Jahren hat der Mensch die Schädelform des deutschen Hausschweins stark verändert.
Das ist wahrscheinlich ein Nebeneffekt neuer Zuchtpraktiken zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wie ein Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) im Fachjournal "Royal Society Open Science" schreibt.
Die Forschenden analysierten 3D-Scans von 135 Schädeln von Wild- und Hausschweinen aus dem frühen 20. und dem 21. Jahrhundert. Überraschend ist, dass sich die gleichen Effekte sogar bei getrennt gehaltenen Rassen beobachten lassen.
Der Mensch hält Schweine schon seit mehreren Jahrhunderten als Nutztiere. Seitdem haben sich die Tiere stark verändert: Sie wurden größer und verloren zum Beispiel ihre schwarzbraunen Borsten und ihre eher dunkle Haut.
"Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Schweinefleisch in Deutschland deutlich. Züchter waren angehalten, ihre Tiere zu optimieren: Sie sollten schnell wachsen, gutes Fleisch haben und fruchtbar sein", sagt Dr. Renate Schafberg, Leiterin der Haustierkundlichen Sammlung der MLU.
Für die aktuelle Arbeit analysierte sie gemeinsam mit Dr. Ashleigh Haruda von der Oxford University 135 Schweineschädel von drei Rassen: Deutsches Edelschwein und Deutsches Landschwein sowie Wildschwein als Vergleichsgruppe. Untersucht wurden jeweils Schädel, die entweder aus dem frühen 20. Jahrhundert stammen oder solche, die nur wenige Jahre alt sind.
Dabei zeigten sich bei den beiden Hausschweinen gravierende Veränderungen: Die Schnauzen der Tiere wurden deutlich kürzer und flacher. Auch die einst leicht nach außen gewölbte Stirn verschwand bei den neueren Schädeln.
"Dass sich diese Unterschiede bereits in einem Zeitraum von 100 Jahren so deutlich zeigen, hatten wir nicht erwartet", sagt Schafberg. Bemerkenswert sei zudem, dass sich die gleichen Veränderungen bei beiden Hausschweinrassen manifestierten, obwohl diese getrennt voneinander gehalten wurden.
"Diese Veränderungen traten auf, obwohl Züchter die Tiere nicht speziell nach ihrer Schädelform auswählten. Für die Züchtung waren diese Merkmale unwichtig. Die Veränderungen scheinen vielmehr ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt der Auswahl der gewünschten Eigenschaften zu sein", sagt Schafberg.
Ein weiterer Grund für die Veränderungen liegt womöglich in der veränderten Ernährung der Tiere. Es ist bekannt, dass die Ernährung das Wachstum und die Entwicklung von Tieren beeinflussen kann. Heute erhalten Schweine vor allem proteinreiche Kraftfutter-Pellets. Im Gegensatz dazu wiesen die Schädel freilebender Wildschweine, die weiterhin Allesfresser sind, keine derartigen Veränderungen auf.
Die Ergebnisse zeigen, wie stark der Mensch Einfluss auf die Evolution von Tieren hat. "Charles Darwin ging davon aus, dass große Veränderungen nur über sehr lange Zeiträume ablaufen können - über Millionen von Jahren. Unsere Arbeit ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Mensch diesen Prozess durch gezielte Zucht extrem beschleunigen kann", sagt Co-Autor Dr. Frank Steinheimer, der Leiter des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen an der MLU.
Die Studie wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und vom Europäischen Forschungsrat (ERC).
Publikation
Studie: Haruda A., Evin A., Steinheimer F., Schafberg R. Evolution under intensive industrial breeding: skull size and shape comparison between historic and modern pig lineages . Royal Society Open Science (2025). doi: 10.1098/rsos.241039
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