Bislang älteste Zeugnisse für Milchviehhaltung in der ostasiatischen Steppe

(15.11.2018) Bereits vor etwa 3300 Jahren etablierte sich die Haltung von Rindern, Schafen und Ziegen als Milchvieh in der nördlichen Mongolei

Die Weidewirtschaft mit Milchvieh machte die Hirten der mongolischen Steppe einst so erfolgreich, dass sie den größten Teil Asiens und Europas erobern konnten. Der Ursprung dieser Lebensweise in der ostasiatischen Steppe ist jedoch unklar.

Nun hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Jenaer Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte Belege dafür gefunden, dass die Milchviehhaltung bereits um etwa 1300 vor Christus in die Mongolei gelangte - und das ohne großflächige Migration, sondern durch kulturelle Übertragung.


Das Melken von Tieren wird in der Mongolei seit mehr als 3000 Jahren praktiziert.

Schon zweitausend Jahre vor Dschingis Khan lebte die Bevölkerung in der Mongolei von Weidewirtschaft und Milchproduktion. Ihr Lebensstil ähnelte bereits dem, der es späteren Bevölkerungsgruppen ermöglichte, große Teile Asiens und Europas zu erobern.

Obwohl die Weidewirtschaft seit langem eine wesentliche Grundlage für den Lebensunterhalt der Menschen in der ostasiatischen Steppe bildet, waren die Ursprünge dieser Tradition lange unklar.

Jetzt hat ein internationales Forschungsteam die bislang ältesten direkten Belege für Milchwirtschaft in der Mongolei entdeckt. Sie sind rund 3300 Jahre alt und wurden durch die Analyse von Milchproteinen gewonnen, die in archäologischem Zahnstein konserviert sind.

Die gemolkenen Tiere – Rinder, Schafe und Ziegen – stammen ursprünglich nicht aus der Region und wurden wahrscheinlich von westlichen Steppenhirten eingeführt.

Dennoch fanden sich bei DNA-Analysen bronzezeitlicher Bewohner der Mongolei nur minimale genetische Spuren von westlichen Steppenhirten.

Das deutet darauf hin, dass Milchtierhaltung und Techniken zur Milchverarbeitung – anders als in Europa – nicht durch große Wanderungsbewegungen, sondern durch kulturelle Prozesse übertragen wurden.

Kultur- und Technologietransfer ohne Bevölkerungsaustausch

Das Forschungsteam analysierte menschliche Überreste von sechs Standorten in der nördlichen Mongolei, die mit der Hirschstein-Khirigsuur-Kultur in Verbindung stehen.

"Diese Kultur ist bekannt für ihre monumentale Architektur, darunter aufrechte Steine mit Hirsch- und anderen Motiven, und große Steinhügel, die oft mit einem oder mehreren Gräbern von Menschen zusammenhängen", erklärt Mitautorin Shevan Wilkin vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.

"An manchen Stellen sind diese Strukturen sehr auffällig und aus großer Entfernung sichtbar." Der Hirschstein-Khirigsuur-Komplex ist die früheste Kultur, die archäologisch mit der Weidewirtschaft in der Mongolei verbunden ist, mit Stätten, die bereits im 13. Jahrhundert v. Chr. Knochen von Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden enthielten.

Bislang gab es jedoch keine direkten Nachweise für die Verwendung von Milch in dieser Region.

Das Team führte genomweite Analysen an den Überresten von 22 bronzezeitlichen Individuen durch, die mit Hilfe der Radiokarbonmethode auf etwa 1300 bis 900 vor Christus, also die späte Bronzezeit datiert wurden. Bei zwei dieser Individuen wurde eine vollständige Genomanalyse durchgeführt.

Danach unterschieden sich diese bronzezeitlichen Mongolen genetisch von den Hirten, die zu dieser Zeit in der westlichen Steppe lebten. Das deutet darauf hin, dass das Vorkommen von Milchvieh in der Mongolei nicht das Ergebnis einer Bevölkerungswanderung oder eines Austauschs der Bevölkerung war.

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass benachbarte westliche Steppenhirten die Weidehaltung von Milchvieh vor allem durch einen kulturellen Austausch direkt oder indirekt in die einheimische Bevölkerung eingeführt haben", erklärt Choongwon Jeong, einer der Erstautoren der Studie und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.

"Wir haben keine Belege gefunden, dass die Bevölkerung großflächig durch Hirten der westlichen Steppe ersetzt wurden, wie es im bronzezeitlichen Europa oder in der nahegelegenen Altai-Sayan-Region beobachtet wurde."

Zahnsteinanalyse belegt Konsum von Milchprodukten

Das Forschungsteam analysierte mit Hilfe der Proteomik auch den Zahnstein von neun Individuen. Milchproteine wurden dabei im Zahnstein von sieben Individuen gefunden, was bestätigt, dass Milchprodukte bereits 1300 Jahre vor Christus konsumiert wurden. Es wurden sowohl Molke- als auch Quark-Proteine entdeckt, die Schafen, Ziegen und Rindern zugeordnet werden konnten.

Interessanterweise waren alle Individuen laktoseintolernat, das heißt genetisch nicht in der Lage, Milchzucker zu verdauen. Die meisten Mongolen sind auch heute laktoseintolerant, obwohl sie einen großen Teil ihrer Nahrung in Form von Milchprodukten konsumieren.

"Das 3000 Jahre alte Erbe der Milchviehhaltung und -wirtschaft in der Mongolei fordert unserer bisherige Sicht auf die Anpassung des Menschen und die natürlichen Selektion heraus", erklärt Studienleiterin Christina Warinner vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.

"Die Mongolei mit ihrer reichen Vorgeschichte und mit einer Gesellschaft, die auf Milchwirtschaft basiert, obwohl die Menschen Laktose nicht verdauen können, kann uns als Modell dienen: Sie kann uns helfen zu verstehen, wie Anpassungen, zum Beispiel kulturelle Praktiken oder Veränderungen im Mikrobiom, weltweit dazu führen, dass Küchentraditionen auf Milchbasis entstehen und bestehen bleiben."



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