Ursprung des europäischen Haushundes im Südwesten Deutschlands vermutet

(05.03.2021) Ein Forscher*innen-Team des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen die Anfänge der Domestizierung von Wölfen in Europa untersucht.

Sie analysierten mit einem multimethodischen Ansatz mehrere Canidae-Fossilien aus einer Höhle im südwestlichen Deutschland. In ihrer im Nature-Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie kommen sie zu dem Schluss, dass in dieser Region vor 16.000 bis 14.000 Jahren der Übergang von Wölfen zu gezähmten Hunden stattgefunden haben könnte.


Anhand von Canidae-Fossilien aus der Gnirshöhle im Südwesten Deutschlands wurde die Domestizierung von Wölfen untersucht

Hunde gelten gemeinhin als die ältesten bekannten Haustiere. „Wann genau die Domestizierung von Wölfen zu Haus- und Hütehunden erfolgte, ist aber nach wie vor unklar. Wissenschaftliche Schätzungen variieren zwischen etwa 15.000 bis 30.000 Jahren vor heute“, erklärt Dr. Chris Baumann vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen und fährt fort: „Und auch der Ort dieses Übergangs vom Wild- zum Haustier ist bislang nicht geklärt.“

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat Baumann mit einem internationalen Team mehrere fossile Knochen aus der Familie der Hunde (Canidae) – zu welcher neben heutigen Haushunden auch Wölfe und Füchse gehören – aus einer Höhle im Südwesten Deutschlands untersucht.

„Die Gnirshöhle ist eine kleine Höhle mit zwei Kammern im Süden Baden-Württembergs, die in unmittelbarer Nähe zu zwei weiteren Höhlen aus dem Zeitalter des Magdalénien, einer archäologischen Kulturstufe im jüngeren Abschnitt des Jungpaläolithikums, liegt“, ergänzt Baumann.

Die aus der Gnirshöhle stammenden fossilen Canidae-Knochen wurden mit verschiedenen kombinierten Methoden untersucht.

Der Tübinger Biogeologe hierzu: „Wir haben Morphologie, Genetik und Isotopie verknüpft und konnten so feststellen, dass die untersuchten Knochen aus vielen verschiedenen genetischen Linien stammen und die daraus neu sequenzierten Genome die ganze genetische Bandbreite von Wolf bis Hund abdecken.“

Das Forscher*innen-Team geht daher davon aus, dass die Menschen des Madgaléniens Tiere gezähmt und aufgezogen haben, die aus verschiedenen Wolfslinien stammten. „Die Nähe der Tiere zu den Menschen sowie die Hinweise auf deren recht eingeschränkte Ernährung lassen uns annehmen, dass vor 16.000 bis 14.000 Jahren Wölfe bereits zu Haushunden domestiziert wurden. Ein Ursprung der europäischen Hunde könnte demnach im Südwesten Deutschlands liegen“, fasst Baumann zusammen.

Publikation

Chris Baumann et.al. (2021): A refined proposal for the origin of dogs: the case study of Gnirshöhle, a Magdalenian cave site. Scientific Reports.



Weitere Meldungen

Domestikation der Katze hatte Einfluss auf das Gehirnvolumen

Domestikation der Katze hatte Einfluss auf das Gehirnvolumen

Die Anpassung an ein Leben mit Menschen hat Verhalten, Aussehen und Anatomie von Hauskatzen nachhaltig verändert
Weiterlesen

Georg Reischer im Biolabor an der TU Wien; Bildquelle: TU Wien

Was bestimmt die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Verdauungstrakt von Tieren?

Erstmals wurde nun eine großangelegte Studie durchgeführt, um anhand von Fäkalproben freilebender Tiere die Entwicklung des Mikrobioms erklären zu können
Weiterlesen

Der Schädel des 4.700 Jahre alten neolithischen Hundes aus der Kirschbaumhöhle im Labor, kurz bevor sein komplettes Genom sequenziert wurde. ; Bildquelle: Amelie Scheu, JGU

Alle heutigen Hunde haben einen gemeinsamen Ursprung

Neue Studie widerlegt früheres Forschungsergebnis, wonach der moderne Hund aus zwei unabhängigen Domestikationsprozessen hervorging
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen