Domestikation der Katze hatte Einfluss auf das Gehirnvolumen

(26.01.2022) Die Anpassung an ein Leben mit Menschen hat Verhalten, Aussehen und Anatomie von Hauskatzen nachhaltig verändert.

An charakteristischen Merkmalen wie weißen Fellflecken und zutraulichem Verhalten (geringere Stressreaktion gegenüber Menschen) lassen sich Haus- und Wildtier leicht voneinander unterscheiden. Um den Mechanismen der Haustierwerdung auf den Grund zu gehen, müssen jedoch auch weniger auffällige Merkmale, wie Veränderungen am Schädel, untersucht werden.

Laut einer aktuellen Studie konnten Wissenschafter:innen der Vetmeduni in Kooperation mit Expert:innen der National Museums Scotland bestätigen, dass im Laufe der Katzendomestikation eine Reduktion des Gehirnvolumens stattgefunden hat: Domestizierte Katzen weisen kleinere Gehirnvolumina auf, als ihre wilden Vorfahren, die Nordafrikanische Falbkatze.

Domestikation der Katze hatte Einfluss auf das Gehirnvolumen

Wie sich Schnauzenlänge und Gehirnvolumen bei Hauskatzen im Vergleich zu ihren wilden Vorfahren verändert haben, untersuchten Raffaela Lesch (Institut für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung, Vetmeduni), Kurt Kotrschal und W. Tecumseh Fitch (Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie, Universität Wien) gemeinsam mit Georg Hantke und Andrew C. Kitchener (National Museums Scotland).

Anhand der Parameter Schnauzenlänge und Gehirnvolumen lassen sich Veränderungen am Schädel gut erfassen. Dadurch ist es den Forscher:innen möglich, Einsicht in Verhalten und Gehirn während der Haustierwerdung zu erhalten.

Eine Publikation aus dem Jahre 1972 verglich Gehirnvolumina zwischen Wild- und Hauskatzen und zeigte, dass Hauskatzen kleinere Gehirne als ihre Vorfahren (Nordafrikanische Falbkatzen) haben.

Da zahlreiche aktuelle Hypothesen der Domestikationsforschung mitunter auf die Ergebnisse dieser mittlerweile 50 Jahre alten Studie beruhen, war eine Replikation und ein wiederholtes Testen der Annahme, dass Katzen im Laufe der Domestikation eine Reduktion des Gehirnvolumens erfahren haben, notwendig.

Kleineres Gehirnvolumen bei Hauskatzen

Eine der Hypothesen, die eng mit Veränderungen des Gehirnvolumens und Schnauzenlänge verknüpft ist, ist die sogenannte Neuralleistenzellen-Hypothese (engl. neural crest/domestication syndrome). Diese Hypothese besagt, dass im Laufe der Domestikation ein konstanter Selektionsdruck für zahme Tiere zu einer verringerten Teilung und Migration der Neuralleistenzellen geführt hat.

Neuralleistenzellen sind essentielle Bestandteile der Embryonalentwicklung und unter anderem für Pigmentierung, Stressantwort, Schädel- sowie Kieferentwicklung zuständig. Dieses milde Defizit in den Neuralleistenzellen könnte demnach zu Veränderungen am Schädel und im Verhalten führen.

Ergo würde diese Hypothese sowohl eine Verkürzung der Schnauze als auch eine Verringerung des Gehirnvolumens bei Hauskatzen voraussagen.

Die Wissenschafter:innen vermaßen und analysierten Gehirnvolumen und Schnauzenlänge von über 100 Katzenschädeln aus der Sammlung der National Museums Scotland. Erwartet wurde eine Reduktion des Gehirnvolumens sowie eine Verkürzung der Schnauze.

Tatsächlich konnten die Forscher:innen bestätigen, dass Hauskatzen kleinere Gehirnvolumina als ihre wildlebenden Vorfahren aufweisen. Eine Verkürzung der Schnauze konnte aber nicht festgestellt werden. Der fehlende Zusammenhang zwischen Reduktion des Gehirnvolumens und Schnauzenlänge wirft weitere Fragen in Bezug auf die Neuralleistenzellen-Hypothese auf.

Ist die Hypothese generell korrekt, trifft jedoch im Fall der bereits relativ kurzen Katzenschnauzen nicht zu? Oder verursachen andere Mechanismen (oder Kombination mehrerer Mechanismen) diese anatomischen Veränderungen bei Hauskatzen? Um diese Fragen zu klären, bedarf es künftig noch weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen.

Publikation

Der Artikel “Cranial volume and palate length of cats, Felis spp., under domestication, hybridisation and in wild populations” von Raffaela Lesch, Andrew C. Kitchener, Georg Hantke, Kurt Kotrschal und W. Tecumseh Fitch wurde in Royal Society Open Science veröffentlicht.


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Benjamin Zipser, Erstautor der Studie; Bildquelle: WWU/privat

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