Wer heilt, hat Recht. Die Hälfte aller deutschen Tierärzte greift regelmäßig zu Globuli
(22.01.2010) Hat, wer heilt, auch automatisch Recht? Dass diese Frage aktuell unter Veterinärmedizinern Zündstoff in sich birgt, zeigte sich auf der Auftaktveranstaltung des 5. Leipziger Tierärztekongresses, die das Spannungsfeld zwischen alternativen Heilmethoden einerseits und der evidenzbasierten Tiermedizin andererseits auslotete.
Denn nach der zunehmenden Verbreitung von alternativen Methoden in der Humanmedizin ist inzwischen auch die Nachfrage in den tierärztlichen Praxen gestiegen.
Ziel der von der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft ausgerichteten Veranstaltung war es, die kontroverse Diskussion dazu zu versachlichen. Sachlich war der Meinungsaustausch dann auch, doch zugleich wurde deutlich, wie weit die Meinungen auseinandergehen.
Da war auf der einen Seite von "Hokuspokus" die Rede, da biologische Effekte beispielsweise bei der Homöopathie nicht nachweisbar wären. "Homöopathie ist unwirksam und muss deshalb vom Tierarzt verweigert werden", polarisierte Prof. Marian C. Horzinek aus den Niederlanden.
Auf der anderen Seite berichteten Praktiker von durchweg positiven Erfahrungen mit alternativen Heilmethoden. "Die Tiergesundheit ist damit höher als bei schulmedizinisch behandelten Beständen", berichtete ein niedergelassener Tierarzt von seinen Erfahrungen.
Ob das allein einem psychologischen Effekt zugeschrieben werden kann, oder ob Tierhalter, die alternative Heilmethoden einsetzen, einfach generell mehr Zuwendung investieren, blieb dahingestellt.
Stefan Wesselmann, der Homöopathie auch bei großen Nutztierbeständen von beispielsweise 30.000 Puten bei verschiedensten Indikationen erfolgreich einsetzt, stellte zumindest klar: "Am Streicheln über den Kopf kann es bei solchen großen Beständen ja offenbar nicht liegen, dass die Behandlungen erfolgreich sind." Wesselmann hatte im Vorfeld der Veranstaltung umfangreiche Recherchen zum Thema angestellt, da es an belastbaren Zahlen und Daten mangelt.
Sein Fazit: "40 bis 60 Prozent der deutschen Tierarztpraxen setzen regelmäßig Homöopathie ein. Würden sie das tun, wenn die Behandlung nicht helfen würde?"
Und darum gehe es doch schließlich: um die Verpflichtung zur Heilung. Dogmatismus sei da fehl am Platz. Die Berliner Professorin Claudia M. Witt sieht alternative Heilmethoden wie beispielsweise auch Magnetfeldtherapie und Akupunktur in der Realität denn auch nicht als eine Frage von "entweder oder", sondern eher als komplementäre, zusätzliche Angebote, deren Wirkmechanismen noch in entsprechenden Studien geklärt werden müssten.
Dagegen formulierte Prof. Wolfgang Löscher, Pharmakologe aus Hannover: "Wer heilt, hat nicht Recht. Denn Placeboeffekte gibt es auch in der Veterinärmedizin."