Steinzeitliche Darstellungen von Tierfährten werden erforscht

(14.09.2023) Felswände in Namibia zeigen hunderte steinzeitliche Darstellungen von Tieren, menschlichen Fußabdrücken – und Tierfährten. Letztere wurde bisher aber wenig Beachtung geschenkt, weil Forschende nicht das Wissen hatten, sie zu interpretieren.


Die erfahrenen Fährtenleser Tsamgao Ciqae, /Ui Kxunta und Thui Thao (v.l.) untersuchten steinzeitliche Darstellungen von menschlichen Fußabdrücken und Tierspuren in den Doro !nawas Bergen, Namibia.

Archäologen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Universität zu Köln haben nun zusammen mit Fährtenlesern der Nyae Nyae Conservancy in Tsumkwe, Namibia, die eingepickten Tierspuren auf sechs Felswänden genauer untersucht und konnten den Fährten detaillierte Informationen zu Tierart, Alter, Geschlecht, Gliedmaßen, Körperseite, Laufweg und relative Laufrichtung zuordnen.

Die Doro !nawas-Berge in der Namib-Wüste im nordwestlichen Zentralnamibia: Vegetation wächst hier nur spärlich, Bäume und Büsche sind zumeist nur entlang kleinerer Trockenflussbetten zu finden. Dank verschiedener permanenter Wasserlöcher ist die Tierwelt hier aber außergewöhnlich aktiv: Springböcke, Giraffen, Elefanten, Löwen und Leoparden streifen durch das Gebiet.

Von Menschen hingegen wird es heutzutage weder bewohnt noch wirtschaftlich genutzt. Das war in der Vergangenheit anders: Unzählige Plätze mit Felskunst, die Tiere sowie menschliche Fußabdrücke und Tierfährten darstellen, zeigen, dass steinzeitliche Jäger/-innen und Sammler/-innen hier gelebt haben.

Bisher konnten Archäolog/-innen aus diesen Felsbildern nur die Tierarten interpretieren; Tierfährten wurden in der Regel zusammen mit den abstrakten Zeichen klassifiziert. „Es wurde in diesem Bereich völlig außer Acht gelassen, dass Spuren und Fährten auch ein reichhaltiges Informationsmedium sind“, sagt PD Dr. Andreas Pastoors vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der FAU. Zusammen mit seinem FAU-Kollegen Prof. Dr. Thorsten Uthmeier und Dr. Tilman Lenssen-Erz von der Forschungsstelle Afrika der Universität zu Köln hat Pastoors daher einen neuen Weg eingeschlagen: Sie verschmelzen in einem innovativen Forschungsprojekt westliche archäologische Wissenschaft mit indigenem Wissen.

Das Projekt begann 2013, als Fährtenleser der San aus Namibia menschliche Fußabdrücke auf dem Boden eiszeitlicher Bilderhöhlen in Frankreich gelesen haben. Jetzt haben die drei Forscher zusammen mit den namibischen Fährtenlesern Tsamgao Ciqae, /Ui Kxunta und Thui Thao der Nyae Nyae Conservancy in Namibia für rund eine Woche in den Doro !nawas-Bergen in der Nähe der Felsbilder ein Lager aufgeschlagen und sechs Felswände, wo besonders viele menschliche Fußabdrücke und Tierfährten abgebildet sind, ausführlich untersucht.

Die untersuchten Felswände befinden sich am Rand einer kraterähnlichen Landschaft von circa einem Kilometer Durchmesser inmitten der Doro !nawas-Berge.

„Am oberen Rand liegen große Gesteinsblöcke zwischen denen ebene Flächen Platz für die Menschen in der Steinzeit geboten haben, um unter anderem Felsbilder anzufertigen“, erzählt Pastoors. Die Felsbilder dort zeigen verschiedene Motive – von menschlichen Fußabdrücken über Menschen bis zu Tieren wie beispielsweise Elefanten, Giraffen, Nashörner und Strauß. „Diese Darstellungen sind für westliche Archäolog/-innen gut zu erkennen“, sagt Pastoors.

Aber: Es sind auch Tierfährten abgebildet, die bisher nur zusammen mit den abstrakten Zeichen klassifiziert wurden. „Aus der westlichen kunsthistorischen Sicht können Forschende in diesen Abbildungen nichts erkennen, da ihnen die Expertise dazu fehlt. So sind die Fährten bisher nicht als lesbare Informationsquelle gewertet worden. Dadurch haben sich Hierarchien in der Wertigkeit entwickelt, die irreführend sind.“

Steinzeitliche Darstellungen von Tierfährten entpuppen sich als hochkarätige Informationsquellen

Die nun veröffentlichte Studie wirkt dem entgegen: Tsamgao Ciqae, /Ui Kxunta und Thui Thao haben erstaunliche Details in den Felsbildern entdeckt. Bei mehr als 90 Prozent der analysierten 513 Bilder konnten sie die Art, die Altersgruppe, das Geschlecht, die genauen Gliedmaßen, die Körperseite und den Laufweg der jeweiligen Tierfährte oder menschlichen Fußabdrucks bestimmen. Interessanterweise zeigen die Darstellungen der Tierfährten eine größere Artenvielfalt, als die der Tierdarstellungen in Profilansicht benachbarter Felsbildregionen. 

So konnte das Forschungsteam 20 weitere Tierarten in den Tierfährten identifizieren: von Buschschwein, Büffel, Affe und Karakal über verschiedene Antilopenarten (Ducker, Südliche Schirrantilope, Pferdeantilope, Steinböckchen) bis hin zu den Vogelarten Rotschopftrappe und Marabou. Was verwundert: Einige dieser Tierarten benötigen feuchtere Umweltbedingungen als sie – zumindest heute – in diesem Teil Namibias vorherrschen. Warum haben die steinzeitlichen Künstler/innen sie dann gezeichnet, woher gekannt? 

„Diese Fragen können wir mit dem heutigen Forschungsstand nicht beantworten“, sagt Pastoors. „Es ist jedoch durchaus denkbar, dass die Künstler/-innen Regionen mit feuchteren Umweltbedingungen kannten, da es in den Doro !nawas-Bergen ähnlich trocken war wie heute.“

Darüber hinaus zeigen die Analysen Muster auf, die offensichtlich auf kulturell bedingte Vorlieben zurückzuführen sind. Hierzu zählt die relative Laufrichtung der einzelnen Tierfährten, die von den Fährtenleser in den Bildern herausgelesen werden konnten: „Wir haben eine virtuelle Uhr auf die Felswand projiziert und dann entsprechend der Stundenzahlen die Orientierung der Fährten notiert.“ 

Das Ergebnis: Die meisten Fährten zeigen nach oben in Richtung 12 Uhr, wenige nach unten in Richtung 6 Uhr. Die Ausnahme: die Fährten der Zebras. Deren Abdrücke an den Felswänden zeigen in alle Richtungen. 

„Es ist richtig spannend, denn in den Tierfährten stecken sehr viel mehr Informationen als bisher vermutet“, fasst Pastoors zusammen. Für ihn ist die Studie zudem „eine weitere Bestätigung dafür, dass indigenes Wissen mit seinen tiefgreifenden Erkenntnissen in einer Reihe von Fachgebieten die archäologische Forschung erheblich voranbringen kann.“


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