Faktor Hund: Eine sozio-ökonomische Bestandsaufnahme der Hundehaltung in Österreich

Zusammenfassung des gleichnamigen Buchs von K. Kotrschal und B. Föger

Hunde und Menschen

Menschen leben mit Hunden schon seit mindestens 14.000 Jahren zusammen – viel länger als mit allen anderen Haustieren. Der Hund begleitete die frühe Ausbreitung des Homo sapiens über den gesamten Globus. Mensch und Hund durchlebten gemeinsam Steinzeit und Eiszeiten, die letzte davon vor 10.000 Jahren. Danach wurden Menschen und ihre Hunde sesshaft und gingen gemeinsam daran, andere Wildtiere zu domestizieren. Schon zu Zeiten der frühen Stadtkulturen in Mesopotamien und Indien, 5000-2000 vor Christus, war der Wolf eindeutig zum Hund gewandelt: Es gab bereits große und kleine Hunde und alle Hundetypen, die wir heute kennen.

Alle menschlichen Kulturen entstanden in Begleitung von Hunden. Daher vermutet man heute, dass dieses lange Zusammenleben auch in den sozialen Veranlagungen des Menschen Spuren hinterlassen hat. Dafür spricht, dass gerade Hunde bei Menschen als "soziale Katalysatoren” wirken. Umgekehrt verdankt der Hund dem Menschen seine Verbreitung über alle Kontinente. Aus diesem neuen Bild der einzigartigen Partnerschaft zwischen Mensch und Hund lässt sich geradezu ein Menschenrecht auf Hundehaltung ableiten: Denn ohne Hunde sind menschliche Gesellschaften unvollständig.

Hunde als Wirtschaftsfaktor

In praktisch allen Kulturen bedeutet der Besitz eines bestimmten Hundes – materiell wie ideell – einen Wert, der sich sogar auf den gesellschaftlichen Status des Besitzers auswirken kann. Darüber hinaus erbringen Arbeitshunde, vor allem bei ihren traditionellen Aufgaben im landwirtschaftlichen oder jagdlichen Bereich, eine wirtschaftlich messbare Arbeitsleistung. In unserer heutigen Gesellschaft werden die meisten Hunde jedoch als Gefährten gehalten, ohne dass eine spezielle Arbeitsleistung von ihnen verlangt wird. Der Nutzen dieser Form der Hundehaltung lässt sich nur schwer in Geld ausdrücken, sondern fällt unter das, was man mit dem modernen Begriff "Wellness” bezeichnet: ein Beitrag zur Verbesserung der persönlichen Lebensqualität. So sind es heute vor allem die mit der Hundehaltung verbundenen Aufwendungen, die den Hund zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor machen.

Nach konservativer Schätzung gibt es in Österreich rund 589.000 Hunde, für die pro Tier rund 1.000 Euro pro Jahr aufgewendet werden. Dazu kommen Einmalausgaben von mindestens 1.500 Euro. Hochgerechnet ergibt das einen jährlichen Gesamtumsatz von 680 Mio. Euro. Das sind rund 0,5% der gesamten Konsumausgaben und über 4 % der Ausgaben für Freizeitaktivitäten in Österreich – eine Wirtschaftsleistung, die nicht nur das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Hundebesitzer steigert, sondern auch tausende Arbeitsplätze sichert. Insgesamt leben etwa 973.000 Österreicher – statistisch gesehen also rund jeder Achte – mit einem Hund im Haushalt. Daraus ergeben sich auch viele indirekte Wirtschaftseffekte: Denn der Hundebesitz hat Auswirkungen auf zahlreiche Konsumentscheidungen, vom Autokauf über die Urlaubsplanung und das Freizeitverhalten bis hin zur gesamten Wohnsituation.

Hunde als Helfer

Als spezialisierte Helfer des Menschen können Hunde viele verschiedene Aufgaben übernehmen. Ihre leistungsfähigen Sinnesorgane, ihre Aufmerksamkeit, Schnelligkeit und ihr Arbeitswille machen sie zu den verlängerten Augen, Ohren und Armen "ihrer” Menschen: Einsatzhunde unterstützen Exekutivorgane, retten Menschenleben, erschnüffeln Verschüttete, finden Suchtmittel und Sprengstoff. Andere speziell ausgebildete Hunde schützen vor Einbrechern, assistieren Rollstuhlfahrern, hüten Schafe, dienen ihren Besitzern als Jagdhelfer und zunehmend auch als Sportpartner. Solche Hunde können wahre "Heldentaten” vollbringen oder einfach nur unseren Alltag erleichtern. In Österreich stehen im professionellen Bereich (Exekutive, Heer, Rettungshunde, Jagd, Therapiehunde, Blindenführ- und Assistenzhunde, Sport) rund 11.000 dieser Spezialisten im Einsatz. Jährlich kommen etwa 2.000 Tiere neu dazu; ihre Ausbildung bewegt immerhin geschätzte 9,5 Millionen Euro pro Jahr.


Hunde im Dienst der Gesellschaft

Hundehaltung ist nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor; auch die gesellschaftliche Bedeutung der "ganz normalen Hunde” wird meist weit unterschätzt. Forschungsergebnisse zeigen klar, wie wichtig Hunde als Gefährten für Menschen jeden Alters sind: Der Hund ist "sozialer Schmierstoff” und "Katalysator” in Gesellschaft und Familie. Hunde sind höchst wirksam als sozialpsychologische Arznei, mit einer langen Liste von Indikationen: Sie fördern die Gesundheit ihrer Besitzer und begünstigen die emotionale,  kognitive und körperliche Entwicklung von Kindern – in einem so hohen Ausmaß, dass man hundeloses Aufwachsen sogar als soziale Deprivation bezeichnen könnte. Hunde stabilisieren und verlängern das Leben alter Menschen, helfen in sich gekehrten Personen, sich zu öffnen, und sind begnadete Co-Therapeuten in fast allen Bereichen psychologischer Betreuung. Das wussten übrigens bereits Sigmund Freud und C.G. Jung, die in schwierigen Fällen die Assistenz
ihrer Hunde in Anspruch nahmen. In Summe verbessern Hunde in vielfacher Weise das soziale Klima in der Gesellschaft.

Sehr vorsichtig geschätzt entlasten diese psychosozialen Wirkungen von Hunden auf Menschen – durch erhöhte Sozialkompetenz, Entfall von Reibungsverlusten in der Wirtschaft, Einsparungen bei medizinischen Behandlungen und Pflegeleistungen etc. – die Allgemeinheit um insgesamt etwa 600 Millionen Euro pro Jahr.


Die andere Seite: Probleme und Schäden

Neben diesen positiven Auswirkungen verursacht Hundehaltung natürlich auch Probleme und Schäden. So schnappen, beißen und kratzen gelegentlich selbst die friedlichsten Hunde in bester Haltung, in Österreich bis zu 8.000 mal pro Jahr. Vor allem ungenügend erzogene und mangelhaft beaufsichtigte Hunde bereiten sich und ihren Haltern Probleme, wenn sie Angst und Ärger auslösen oder durch Bellen Unfrieden stiften. Hunde können Verkehrsteilnehmer gefährden und städtische Räume verschmutzen. Wie andere Tiere sind sie potenzielle Keimträger und – wenn auch nur selten – Allergieauslöser. Unbetreute Hunde landen in Tierheimen, die sich durch Spenden und Zuwendungen aus Steuerleistungen erhalten und damit letztlich der Allgemeinheit zur Last fallen. Insgesamt belasten die von Hunden verursachten materiellen Schäden die Gesellschaft mit (in diesem Fall bewusst eher hoch) geschätzten 50 Millionen Euro pro Jahr.

In einer Gesamtbilanz muss diese Summe der positiven Wirtschaftsleistung und Nutzenstiftung durch Hundehaltung von zusammengerechnet über 1,2 Milliarden Euro gegenübergestellt werden.

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