Fallbericht: Septische Gonitis bei einem Hufrehepatienten
Mag. Karin Schmid beschreibt die homöopathische Therapie eines Hufrehepatienten, der im Rahmen einer Akuterkrankung Symptome zeigt, welche schlussendlich zum konstitutionellen Arzneimittel führen.
Mag. Karin Schmid, A-3240 Mank, eMail: [email protected] , www.hufgesundheit.at
Am 19. Mai 2011 wurde ein 13jähriger Wallach mit chronischer Hufrehe vorgestellt. Es handelt sich dabei um einen Haflinger/Quarter-Mix. Das Pferd ist ein Fuchs mit vielen Stichelhaaren und mit deutlichem Übergewicht.
Die Hufrehe wurde im Juni 2010 erstmalig diagnostiziert und bisher von einem schulmedizinischen Kollegen behandelt.
Vorgeschichte
Am 15. Juni 2010 trat der erste Hufreheschub auf. Auslösende Ursache war vermutlich der nächtliche Aufenthalt auf der Weide.
Anzumerken ist weiters, dass eine Woche danach die Hochzeit der Besitzerin stattfand (Kummer, Verlassenheitsgefühl?).
Am 20. März 2011 erfolgte ein weiterer akuter Schub – diesmal ohne vorherigen Weideaufenthalt.
Klinische Untersuchung
Ernährungszustand adipös
Kehlgangslymphknoten mgr. vergrößert, verschieblich, nicht schmerzhaft
Pulsation der Mittelfußarterie an den Vorderbeinen ++, an den Hinterbeinen +
VD: EMS (Labor wurde nicht durchgeführt)
Röntgenbefund
Es liegen vom vorbehandelnden Tierarzt Röntgen vom 18.6. und 24.6.2010 vor. Der linke Vorderhuf weist eine Rotation von 10°, der rechte von 7° auf. Eine Hufbeinsenkung liegt vor, kann jedoch aufgrund fehlender Markierung des Kronsaums nicht beurteilt werden.
Erstanamnese
Das Pferd war im vorigen Stall sehr rangniedrig und zeigte keine Bestrebungen im Rang aufzusteigen. Das ranghöchste Pferd in dieser Herde war ausgesprochen streng. Im aktuellen Stall ist das Pferd im mittleren Rang. Bei der Begegnung mit ranghohen Pferden zeigt er Fohlenkauen.
Das Pferd ist sehr verlässlich und macht mit der Besitzerin alles mit (mutig und trotzdem rangniedrig oder nur mutig in Anwesenheit der Besitzerin? Puls-Lyc?)
Er liebt Wasser und lässt sich sogar den Kopf abspritzen, mag Kinder – selbst eine ganze Schar bringt ihn nicht aus der Ruhe. Er ist sehr anhänglich – beim Abmisten läuft er hinterher (will er Zuwendung oder Leckerli?).
Während der Anamnese fällt auf, dass die Besitzerin sehr streng ist. Er darf sich nicht rühren und jede Bewegung wird von der Besitzerin im Keim erstickt (Beschwerden durch Grobheit anderer? Nat-m., Lyc., Calc.?)
Er kann problemlos alleine sein - ruft nur hin und wieder nach den anderen Pferden.
Beim Gurten verzieht er etwas das Gesicht – kein ausgeprägter Gurtenzwang. Hier frage ich mich, ob das Pferd bei dieser dominanten Besitzerin es überhaupt wagen würde, seinen Unmut kund zu tun.
Beim Reiten buckelt er gerne und man muss ihn zurechtweisen. Im Schritt ist er eher ein gemütliches Pferd, aber er läuft gerne schnell. Er lernt schnell und bei guten Reitern kann man ihn als ehrgeizig bezeichnen. Belohnung mit Futter gestaltet sich etwas schwierig, da durch die ausgeprägte Gier seine Konzentration leidet.
Wenn man beim Reiten die Gerte einsetzt, dann legt er die Ohren an, aber verzeiht schnell, auch wenn man ihn ungerecht bestraft.
Das Pferd war bisher immer sehr gesund. Lediglich als Fohlen hatte er vermutlich eine Phlegmone.
Repertorisation
Gemüt - Beschwerden durch - Grobheit anderer
Gemüt - Beschwerden durch - Kummer
Gemüt - Eifersucht
Gemüt - Kummer, Trauer
Gemüt - Verlassen zu sein; Gefühl
Magen - Appetit - vermehrt
Allgemeines - Fettleibigkeit
Allgemeines - Wärme - agg.
Das Pferd bekam Nat-m. C30
Hufkorrekur
Ich führte bei diesem Pferd die Hufkorrektur selbst durch. Obwohl die Hufe erst vor kurzer Zeit bearbeitet wurden, war ein großer Tragrandüberstand vorhanden und die weiße Linie war selbst in den seitlichen Bereichen stark erweitert. Um die Hebelwirkung der verbogenen Wände zu beseitigen wurde der Huf stark gekürzt.
Dies war nur deshalb möglich, weil dem Pferd tagsüber ein Paddock zu Verfügung stand, welches mit Gummimatten ausgelegt war. Unter üblichen Haltungsbedingungen wäre diese Korrektur nur mit anschließenden Hufverbänden oder mit sogenannten Glue ons durchführbar.
16.6.2011 Follow up
Lt. Besitzerin hatte er vor 2 Wochen Kreislaufprobleme. Er hat nichts gefressen, erst als er zur Raufe gebracht wurde, begann er Heu aufzunehmen… „als ob das kleine Stück Bewegung den Kreislauf in Schwung gebracht hätte“.
Die Hufe werden ebenfalls wieder korrigiert und Nat-m. C200 verabreicht.
Am 26.6.2011 bekomme ich einen besorgten Anruf von der Pferdebesitzerin: Das Pferd hat seit vorigem Tag eine kleine Wunde im Bereich des Knies und nun eine starke schmerzhafte Schwellung. Von der Besitzerin wurde ohne Rückfrage Arnica D12 verabreicht.
Ich weise die Besitzerin an, bis zu meinem Eintreffen das Bein zu kühlen. Sie berichtet, dass das Pferd die Düse des Wasserschlauches nicht duldet, aber nach Demontage der Düse die Kühlung genießt.
Klinische Untersuchung
Das Pferd weist eine kleine Wunde im Bereich des Gelenkspaltes auf. Die Schwellung beschränkt sich auf den Bereich des Knies. Auffallend ist die extreme Berührungsempfindlichkeit – bereits ein leichtes Antippen mit dem Finger genügt und das Pferd macht den Eindruck als würde es umfallen. Es vermeidet jegliche Belastung des betroffenen Beines.
Während der Untersuchung ist zu sehen, dass aus der Wunde Synovia austritt. Die innere Körpertemperatur ist normal, das Pferd frisst normal, aber trinkt auffallend oft in kleinen Schlucken. Der Kot des Pferdes ist klein und hart – Kugeln mit wächserner Oberfläche.
Diagnose: septische Gonitis
Schulmedizinische Behandlung
Die Therapie der Wahl wären eine chirurgische Wundversorgung sowie Gelenksspülung(en) unter Vollnarkose und antibiotischer Abdeckung.
Kosten zwischen 1.500,-- bis 3.500,--
Auf Grund der zu erwartenden Kosten einer Gelenksspülung sowie der Grunderkrankung Hufrehe, wird beschlossen eine homöopathische Behandlung durchzuführen.
Homöopathische Behandlung
Angezeigte Arznei: Apis
Auf Grund der praxisbezogenen Beschreibung der Modalität dieses Arzneimittels „besser durch Kälteanwendung, aber < durch Berührung mit dem Wasserstrahl“ in „Praxisleitfaden Tierhomöpathie“ von Christiane Krüger ist keine Repertorisation nötig und ich lasse Apis C30 3 x in halbstündlichen Abstand geben.
Dennoch eine Nachreichung der Repertorisation :
Magen - Durst - kleine Mengen, auf - oft; und
Stuhl - Hart
Extremitäten - Entzündung - Gelenke
Allgemeines - Berührung - geringe Berührung agg.
Allgemeines - Entzündung - Wunden, der
Allgemeines - Kälte - Anwendungen; kalte - amel.
Allgemeines - Schwellung - aufgedunsen, ödematös
Allgemeines - Schwellung - entzündlich
Allgemeines - Wunden - schmerzhaft
Allgemeines - Wunden – Stichwunden
3 Stunden nach der ersten Gabe wird das Bein deutlich besser belastet. Um die Besitzerin zu beschäftigen und das Bein zu kühlen wird zusätzlich für einen Tag ein Angussverband mit Calendula-Essenz durchgeführt, welcher untertags viertelstündlich begossen wird.
30.6.2011 Kontrolle
Die Schwellung ist komplett abgeklungen, nur mehr bei direktem Druck auf das Gelenk zeigt das Pferd Schmerz. Die Wunde sondert gelblich eitrige Synovia ab. Die Lahmheit wird durch Bewegung ggr. besser. Auf Grund der geänderten Symptomatik verabreiche ich das Folgemittel: Puls C200
4.7.2011 Glue on
Da durch die Verletzung des Knies die Vorderbeine stark belastet wurden, entscheiden wir uns, an den Vorderhufen Klebeschuhe anzubringen.
Klebeschuhe haben mehrere Vorteile:
- Unterstützung der Sohle
- geben seitlichen Halt, sodass ein stärkeres Beraspeln der Wände möglich ist
- einfache Montage
- kostengünstiger als Klebebeschlag
(Bilder unter: www.renegadehoofboots.com/glueon.html )
Die Bearbeitung der Hinterhufe wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, da das Aufheben noch etwas schwierig fällt.
14.7.2011
Dem Pferd fallen die Wendungen bereits wesentlich leichter. Er geht die ersten Schritte klamm und läuft sich deutlich ein. Die Wunde ist geschlossen. Ich löse die Kruste ab – Austritt von eitriger Synovia.
28.7.2011 Telefonischer Bericht:
Das Pferd galloppiert und buckelt über die Koppel, geht lahmfrei - so gut wie schon lange nicht mehr und wird vorsichtig antrainiert.
11.8.2011
Die Hufschuhe werden abgenommen und die Hufe bearbeitet. Die ehemals platte Sohle hat ein gutes Sohlengewölbe entwickelt und der Hornnachwuchs entwickelt sich gut – die Wachstumsringe sind parallel.
Um die Hufe abtrocknen zu lassen und zu beurteilen, ob noch Klebeschuhe benötigt werden, werden zu diesem Zeitpunkt keine Glue ons geklebt.
Wiederholung der konstitutionellen Arznei: Pulsatilla C1000
18.8.2011
Das Pferd geht klamm, daher werden noch einmal Klebeschuhe verwendet. Da sich die Hufform jedoch bereits verändert hat, und die zuvor genutzte Größe nicht mehr passt, muss auf ein anderes Fabrikat zurückgegriffen werden (www.easycareinc.com ).
7.9.2011
Durch die große Hitze > 35°C wurde leider die Haltbarkeit der Klebeschuhe verschlechtert (der Kleber bindet zu rasch) und das Pferd hat einen Hufschuh verloren.
Da sich die Hufe bereits gut entwickelt haben, wurden keine Klebeschuhe mehr geklebt und stattdessen Renegades Hufschuhe angepasst.
20.9.2011
Das Pferd hat bereits einen kleinen Ausritt absolviert und wurde sogar galoppiert.
Die Hufkorrektur wurde weiterhin in 6wöchigem Abstand durchgeführt.
4.5.2012
Ein Jahr nach Beginn der Behandlung werden Kontrollröntgen angefertigt. Am linken Vorderhuf konnte die Hufbeinrotation von 10° auf 3°, am rechten Vorderhuf konnte die Rotation von 7° auf 1° reduziert werden.
Das Pferd wird mit Hufschuhen geritten und ist beschwerdefrei.
Diskussion
Vermutlich hätte das Pferd bereits zu Beginn Pulsatilla benötigt. Die erwähnten Kreislaufprobleme mit Besserung durch Gehen wären bereits ein deutlicher Hinweis gewesen. Leider war der Zwischenfall der Knieverletzung nötig, um mir dies zu verdeutlichen.
Interessanterweise ist Apis (lt. I.Seider: Arzneimittel-Beziehungen) ein Hauptkomplement zu Nat-m. und ein Kollateral zu Pulsatilla – ein Bindeglied zwischen den beiden Mitteln – und ein Phlegmone-Mittel (siehe Erkrankung als Fohlen).
Dank der guten Arzneimittelbeschreibung von Dr. Christiane Krüger war es mir möglich im Akutfall schnellstmöglich die passende Arznei zu verschreiben.
Die homöopathische Behandlung konnte in diesem Fall einen teuren Klinikaufenthalt mit ungewisser Prognose verhindern und das Pferd mit zuvor schlechter Prognose wird bereits 4 Monate nach der erstmaligen Visite wieder geritten. Die bisherige Entwicklung der Hufe lässt auf eine gute Regeneration dieser hoffen.
Literatur
1. KRÜGER, Christiane P.: „ Praxisleitfaden Tierhomöopathie“, Sonntag 2006
2. SEIDER I.: „Arzneimittel-Beziehungen“, 12. Auflage, Barthel & Barthel 2010
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