Europäisches Lebensmittel- und Futtermittelrecht
(21.09.2005) Statement von Dr. Moritz Hagenmeyer, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für Lebensmittelrecht, anläßlich der GDCh-Pressekonferenz am Deutschen Lebensmittelchemikertag 2005 (EURO FOOD CHEM XIII) in Hamburg
Hintergrund
Die EG-Verordnung 178/2002 wurde aus zwei wesentlichen Gründen erlassen:
- Schutz der Verbrauchergesundheit sowie
- freier Warenverkehr und Harmonisierung.
Als solche ist sie Ergebnis der Wünsche der Lebensmittelwirtschaft sowie ihres Versagens, namentlich der Lebensmittelkrisen der letzten Jahre.
Kritik
Die Verordnung ist unstimmig und schafft eine gewaltige Überregulierung mit einer großen Menge weitgehend widersprüchlicher und unpraktischer Rechtsnor-men. Lebensmittelunternehmen wie Verbraucher werden bevormundet, angeblich zu ihrem eigenen Nutzen. Die Wissenschaft soll offenbar Vernunft und den gesunden Menschenverstand ersetzen, obwohl sie allgemein keine Rechtsprobleme lösen kann. Einige Beispiele mögen das zeigen:
- Die neue Lebensmittel-Definition kann nicht die Frage beantworten, wo die Grenze zwischen Lebens- und Arzneimitteln verläuft.
- Die Lebensmittelsicherheitsanforderungen, insbesondere eine vorgeschriebene Berücksichtigung langfristiger Auswirkungen auf nachfolgende Generationen, sind in der Praxis undurchführbar.
- Das Vorsorgeprinzip verschiebt die tatsächliche Verantwortlichkeit für die Ergreifung von Maßnahmen auf Wissenschaftler, die für die Rechtsanwendung weder ausgebildet noch zuständig sind.
Lob
Die Ziele der Verordnung sind zu befürworten, einschließlich der Idee, Ergebnis-se wissenschaftlicher Forschung zu berücksichtigen. Insbesondere die flexiblen Regeln der Rückverfolgbarkeit können als Modell für künftige Gesetzgebung dienen.
Verbesserungsvorschläge
Freiheit, Verantwortung, Befähigung, gesunder Men-schenverstand und Vertrauen müssen in der europäischen Gesetzgebung an Bedeutung gewinnen. Lebensmittelunternehmen können die Verantwortung für ihre Produkte ohne gesetzliche Bevormundung übernehmen. Es muss schlagkräftige und fähige Überwachungsbehörden geben, die bereit sind zu kontrollieren, und ein funktionierendes Sanktionssystem. Verbraucher sollten Produkte, denen sie vertrauen, frei wählen kön-nen, vorausgesetzt die Lebensmittel sind annehmbar sicher. Wissenschaftler sollten Wissen und Rat beitragen, statt Rechtsfragen entscheiden zu müssen.
Grundsätzliche Überlegungen
Es gibt weder letztes Wissen noch absolute Sicherheit, auch wenn Gesetzgeber das wünschten. Immerhin haben die Europäer es geschafft, die letzten Jahrhunderte ohne gemeinschaftliches Lebensmittelrecht zu überleben. Es gibt hier Lebensmittel im Überfluss, höchste Qualität ist erschwinglich geworden, Hunger und Lebensmittelvergiftungen treten heute kaum noch in Erschein-ung, und die Europäer gehören inzwischen zu den besternährten Menschen der Welt. Niemand braucht überfürsorgliche und bevormundende Gesetze. Politiker sollten sich bei ihrer Gesetzgebung, wenn überhaupt, lieber auf eine bessere Lebensmittelerziehung und gesunde Familien konzentrieren.