Männliche und weibliche Guinea-Paviane sind gleichermaßen erfolgreich darin, eine Gruppe anzuführen

(09.11.2021) Die Sonne geht auf über der senegalesischen Savanne. Die Guinea-Paviane haben die Nacht auf ihren Schlafbäumen verbracht und machen sich gemeinsam auf den Weg zur Futtersuche.

Um zeitgleich als Gruppe loszuziehen und tagsüber zusammen umherzustreifen, müssen sich die Tiere gut koordinieren. Welche Tiere die Gruppe anführen und wie entschieden wird, wann und in welche Richtung es losgeht, haben Forschende vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung untersucht und zwei Jahre lang Guinea-Paviane (Papio papio) auf ihren Streifzügen beobachtet.

Übergeordnetes Ziel war, herauszufinden, welche Faktoren eher despotische oder eher demokratische Entscheidungsprozesse in Gruppen begünstigen. Die Studie ergab, dass sowohl Männchen als auch Weibchen Gruppenbewegungen initiieren und dass beide Geschlechter ähnlich erfolgreich sind, die Gruppe anzuführen.


Eine Gruppe Guinea-Paviane an der Feldstation Simenti im Senegal wandert durch eine Graslandschaft.

Damit unterscheiden sich die Guinea-Paviane von Mantelpavianen (Papio hamadryas), bei denen Gruppenbewegungen ausschließlich von Männchen initiiert und angeführt werden.

Da beide Pavianarten in einer mehrstufigen Gesellschaft leben, sich aber darin unterscheiden, wie Männchen und Weibchen zueinander stehen, ist letzteres ausschlaggebend dafür, welche Individuen die Koordination einer Gruppe beeinflussen: Bei Guinea-Pavianen sind die Weibchen freier und den Männchen weniger untergeordnet.

Das spiegelt sich auch in der Führungsstruktur wider (Scientific Reports).

Guinea-Paviane sind eine von sechs Pavianarten, die in Afrika vorkommen. Sie unterscheiden sich sowohl in Aussehen und Verhalten, als auch in ihrer sozialen Organisation.

Bären-, Kinda-, Anubis- und Gelbe Paviane leben in einschichtigen Sozialsystemen. Die Gruppen bestehen aus mehreren Männchen, Weibchen und Jungtieren. Zwischen den Geschlechtern herrschen klare Rangordnungen.

Guinea-Paviane und auch Mantelpaviane leben dagegen in mehrstufigen Sozialsystemen. Mantelpaviane etablieren Ein-Mann-Gruppen, in denen ein männliches Tier mit mehreren Weibchen lebt, die sich nur mit ihm paaren. Mehrere dieser Haremsgruppen können sich zu sogenannten Clans zusammenschließen, mehrere Clans formieren Banden.

Die Männchen-Männchen- sowie die Männchen-Weibchen-Beziehungen sind bei Mantelpavianen eher von Konkurrenz und Unterordnung geprägt. Auch Guinea-Paviane leben in kleinen Einheiten mit einem primären, reproduktiven Männchen und bis zu sechs assoziierten Weibchen und deren Jungtieren.

Mehrere Einheiten bilden Cliquen und zwei bis drei Cliquen formieren Gangs, die zusammen auf Futtersuche gehen. Anders als bei den Mantelpavianen gehen die Männchen bei Guineapavianen enge Freundschaften miteinander ein und Aggression findet kaum statt.

Die Weibchen wählen sich ihre Männchen frei aus und bleiben Wochen oder auch Jahre mit ihnen zusammen.

„Wir wollten herausfinden, welche Individuen bei den Guinea-Pavianen kollektive Entscheidungen wie das Loslaufen der Gruppe beeinflussen“, sagt William O’Hearn, Promovierender in der Abteilung Kognitive Ethologie am DPZ und Mitautor der Studie.

„Wir wissen bereits, dass bei Bären-, Anubis- und Gelben Pavianen Männchen und Weibchen die Gruppen anführen, bei Mantelpavianen sind es ausschließlich die Männchen. Interessant war also die Frage, wie die Situation bei Guinea-Pavianen ist“.

Dafür beobachteten die Forschenden um Davide Montanari, der seine Promotion in der Abteilung anfertigte, eine Gruppe von 131 Tieren an der DPZ-Forschungsstation Simenti im Senegal über zwei Jahre.

Sie analysierten 121 Situationen, in denen die Tiere gemeinsam losliefen und 100 Gruppenbewegungen. Dabei hielten sie fest, welche Gruppenmitglieder das Loslaufen initiierten und wie sich die Tiere abhängig von Geschlecht, Alter und Fortpflanzungsstatus der Männchen in der Gruppe verteilten, während diese in Bewegung war.

Die Forschenden konnten drei wichtige Beobachtungen machen: Erstens initiieren beide Geschlechter das Loslaufen einer Gruppe. Erwachsene und junge Männchen taten das in rund 60 Prozent aller Fälle häufiger als erwachsene Weibchen mit etwa 36 Prozent. Jedoch waren beide Geschlechter ähnlich erfolgreich, denn in über 80 Prozent der Fälle folgten die anderen Tiere den Initiatoren, egal ob männlich oder weiblich.

Zweitens konnten die Forschenden feststellen, dass sowohl primäre, reproduktive Männchen als auch Weibchen an der Spitze der Gruppe liefen. Beide Geschlechter waren aber mit derselben Wahrscheinlichkeit auch in der Mitte oder am Ende der Prozession zu finden. Junge, nicht reproduktive Männchen liefen dagegen häufiger an der Spitze der Gruppe.

Sie gehören keiner Einheit an, laufen schneller und überholen andere Gruppenmitglieder. Eine dritte Erkenntnis der Studie ist, dass die Angehörigen einer Einheit immer gemeinsam umherziehen, da sie engere Bindungen untereinander haben als mit den Mitgliedern der Clique, die sich aus mehreren Einheiten zusammensetzt.

„Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Guinea-Paviane, obwohl sie in einem ähnlichen Sozialsystem leben wie die Mantelpaviane, eine andere Führungsstruktur haben“, erklärt Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am DPZ.

„Die soziale Organisation allein bestimmt also nicht, wer die Gruppe anführt. Wichtiger sind die Beziehungen der Tiere untereinander. Bei Guinea-Pavianen sind die Weibchen freier und unabhängiger in ihren Entscheidungen und sind den Männchen weniger untergeordnet als bei den Mantelpavianen. Das spiegelt sich in ihrem Verhalten bei kollektiven Wanderungen wider.“

Publikation

Montanari D, O’Hearn W, Hambuckers J, Fischer J and Zinner D (2021): Coordination during group departures and progressions in the tolerant multi-level society of wild Guinea baboons (Papio papio). Scientific Reports.


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