Einige Vögel sind genauso schlau wie Affen

(05.03.2016) Einige Vogelgruppen sind mental ebenso schlau wie Affen. Zu dieser Schlussfolgerung kommen Thomas Bugnyar von der Universität Wien und Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum in einem Übersichtsartikel in der Zeitschrift "Trends in Cognitive Sciences".

Die Forscher trugen zahlreiche neuroanatomische Studien zusammen, die eine Reihe von Ähnlichkeiten in den Gehirnen von Vögeln und Säugetieren offenbaren. Diese könnten dem komplexen kognitiven Verhalten zu Grunde liegen.

Die Gehirne von Vögeln und Säugetieren sind auf den ersten Blick sehr verschieden. Forschungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte legen jedoch nahe, dass Vögel ausgeklügelte kognitive Fähigkeiten besitzen, die jenen von Menschenaffen ebenbürtig sind.


Raben

Eine Theorie besagt, dass sie diese nur in speziellen Bereichen, wie etwa beim Verstecken von Futter, anwenden können. Dass dies nicht der Fall ist, belegen Thomas Bugnyar von der Universität Wien und sein Kollege Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum in einem Übersichtsartikel in der Zeitschrift "Trends in Cognitive Sciences".

Die beiden Forscher trugen Studien zusammen, die diverse kognitive Fähigkeiten bei Vögeln nachgewiesen haben. "Das mentale Geschick von Rabenvögeln und Papageien ist ebenso ausgeprägt und vielfältig wie das der Menschenaffen", so Onur Güntürkün, Leiter der Abteilung Biopsychologie in Bochum. Sie können unter anderem logisch denken, sich selbst im Spiegel erkennen und sich in andere hineinversetzen.

Bei Säugetieren ist die mehrschichtige Großhirnrinde, auch Neocortex genannt, für das kognitive Können verantwortlich. Diese Hirnstruktur besitzen Vögel nicht – bei ihnen meistert stattdessen das sogenannte Pallium die komplexen mentalen Aufgaben.

Zudem haben Vögel erheblich kleinere Gehirne als Menschenaffen. "Für uns stellte sich die Frage, wie Vögel trotzdem die gleichen kognitiven Leistungen erbringen können und ob es möglich ist, dass sich in 300 Millionen Jahren unabhängiger Entwicklung der Arten sehr unterschiedliche Hirnmechanismen für komplexe Denkprozesse entwickelt haben", erklärt Thomas Bugnyar vom Department für Kognitionsbiologie an der Universität Wien.

Das Fazit ihrer Auswertungen: Im Großen und Ganzen sind die Gehirne der beiden Tiergruppen tatsächlich sehr unterschiedlich aufgebaut.

Schaut man aber ins Detail, ergeben sich diverse Gemeinsamkeiten. Einzelne Module der Gehirne sind zum Beispiel auf ähnliche Weise verschaltet und beide Tiergruppen besitzen eine präfrontale Hirnstruktur, die ähnliche exekutive Funktionen steuert.

Unklar ist, wie diese Gemeinsamkeiten zustande kamen. Entweder hat der letzte gemeinsame Vorfahre Vögeln und Säugetieren die neuronale Basis dafür vererbt. Oder – und das halten die Autoren für wahrscheinlicher – sie sind unabhängig voneinander in der Evolution entstanden, da beide Tiergruppen vor ähnlichen Herausforderungen standen.

Das würde bedeuten, dass bestimmte Verschaltungsmuster im Gehirn notwendig sind, um höhere Denkleistungen zu erbringen.

"Klar ist, dass der mehrschichtige Kortex der Säugetiere für komplexe Kognition nicht erforderlich ist“, erklärt Güntürkün. So spielt auch das relative Hirngewicht für die mentalen Fähigkeiten keine Rolle.

"Während die Gehirne von Menschenaffen durchschnittlich 275 bis 500 Gramm auf die Waage bringen, schaffen es die kognitiv ebenso geschickten Vögel ohne Kortex gerade einmal auf 5 bis 20 Gramm", so Bugnyar abschließend.

Publikation

O. Güntürkün, T. Bugnyar (2016): Cognition without Cortex, Trends in Cognitive Sciences,
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.tics.2016.02.001
http://www.cell.com/trends/cognitive-sciences/fulltext/S1364-6613%2816%2900042-5



Weitere Meldungen

An der Uni Osnabrück und dem Max-Planck-Institut für Ornithologie wurde die Intelligenz von Rabenvögeln untersucht. Sie zeigten kognitive Leistungen wie Menschenaffen; Bildquelle: WascherC/Universität Osnabrück

Rabenvögel ziehen beim Hütchenspiel mit Menschenaffen gleich

Dass Rabenvögel erstaunlich schlau sind, weiß eigentlich jedes Kind. Bis jetzt hatten Forscher jedoch nur Einzelaspekte der kognitiven Fähigkeiten von Rabenvögeln untersucht und kaum etwas war über die kognitive Entwicklung bekannt
Weiterlesen

Studienaufbau (a) mit der Barriere, unter der in einem Fall die Werkzeugenden zu sehen sind (b), die Werkzeugenden nicht zu sehen sind (c) oder hinter der sich ein Stück Futter verbirgt (d).; Bildquelle: MPI für evolutionäre Anthropologie

Menschenaffen wissen, wenn sie etwas nicht wissen

Schimpansen und Orang-Utans suchen nach Informationen, um Wissenslücken zu schließen
Weiterlesen

Die Entstehung von sozialer Kompetenz wird mit dem Gruppenleben von Tieren in Zusammenhang gebracht, auch bei Kolkraben.; Bildquelle: Matthias Loretto, Universität Wien

Raben: "Junggesellen" leben in dynamischen sozialen Gruppen

Kolkraben haben erstaunliche kognitive Fähigkeiten beim Umgang mit Artgenossen – diese sind durchaus vergleichbar mit vielen Affenarten
Weiterlesen

Deutsches Primatenzentrum GmbH

Kognition, Evolution, Verhalten: Warum existieren Männer?

Verhaltensbiologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz treffen sich vom 17.bis 19. Februar 2016 zu Ihrer jährlichen Tagung am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen
Weiterlesen

Raben versteckten ihr Futter dann gut, wenn dominante Artgenossen im Nachbarraum sichtbar und gleichzeitig hörbar waren; Bildquelle: Jana Müller, Universität Wien

Raben können sich in die Sichtweise ihrer Artgenossen hineinversetzen

Raben stellen sich vor, was andere Raben sehen können: Zu diesem Ergebnis kommen die Kognitionsbiologen Thomas Bugnyar und Stephan Reber von der Universität Wien gemeinsam mit dem Philosophen Cameron Buckner (University of Houston, Texas)
Weiterlesen

Rabenkrähen lernten, beliebige Bilder in zwei Gruppen einzuteilen. Einzelne Nervenzellen reagierten auf alle Bilder, die in eine bestimmte Gruppe gehörten ‒ unabhängig vom Bildmotiv; Bildquelle: Lena Veit

Nervenzellen im Krähengehirn ordnen Bilder richtig zu

Während des Lernens entstehen Reaktionsmuster, die relevante Zusammenhänge anzeigen ‒ ähnlich wie beim Säugetier
Weiterlesen

Durch Zusammenarbeit konnten die Raben an jeweils ein Stück Käse gelangen; Bildquelle: Jorg Massen, Universität Wien

Raben kooperieren – aber nicht mit jedem

Raben merken sich Artgenossen, die sie "übers Ohr hauen"
Weiterlesen

Neukaledonische Krähe hält ein Stöckchen; Bildquelle: Auguste von Bayern

Werkzeuggebrauchende Papageien und Krähen spielen ähnlich mit Objekten wie Kleinkinder

Die Art, wie Spielzeuge gehandhabt und miteinander kombiniert werden, sagt einiges über die kognitiven Eigenschaften des Spielers aus
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen